Fahrtzeit zum Büro oder zum Betriebssitz

Die Zeit, die Arbeitnehmer*innen benötigen, um von der Wohnung zum Betrieb und zurück zu kommen, ist die sog. Wegezeit. Sie ist grundsätzlich nicht Arbeitszeit und wird auch nicht vergütet. Allerdings sind Arbeitnehmer*innen auf dem Weg zur Arbeit und zurück bereits unfallversichert. 

Berufskraftfahrer und Außendienstmitarbeiter

Kraftfahrer und Außendienstmitarbeiter sind streng genommen gar nicht auf Dienstreise, wenn sie zum Kunden unterwegs sind, da dies wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit ist. So werden Kraftfahrer gerade zum Zweck des Reisens beschäftigt, und für Außendienstmitarbeiter ist das Reisen Voraussetzung für ihre Tätigkeit, da sie zu ständig wechselnden Kundenterminen fahren müssen. Das gilt auch für Kundentechniker, Monteure, Prüfer, Revisoren und ähnliche Mitarbeiter. Bei diesen Beschäftigtengruppen ist daher klar, dass ihre aufgewendete Fahrzeit Arbeitszeit ist und vergütet werden muss.

Dienstreisen während der regulären Arbeitszeit

Eine Dienstreise liegt vor, wenn Beschäftigte an einen Ort außerhalb der regulären Arbeitsstätte fahren müssen, um dort ein Dienstgeschäft zu erledigen. Fällt die Dienstreisezeit in die regelmäßige Arbeitszeit, ist klar, dass die Zeit wie Arbeitszeit zu vergüten ist. Es schadet auch nicht, wenn die für die Dienstreise aufgewendete Zeit kürzer ist als die vereinbarte Arbeitszeit. Der Arbeitgeber muss dennoch die vereinbarte Arbeitszeit vergüten, da er generell in Annahmeverzug gerät, wenn er die volle Arbeitsleistung der Beschäftigten nicht in Anspruch nimmt.

Dienstreisen außerhalb der regulären Arbeitszeit 

Die eigentlich spannende Frage ist die, ob auch Dienstreisen, die noch vor regulärem Arbeitsbeginn oder nach regulärem Arbeitsschluss stattfinden, zur Arbeitszeit zählen und vergütet werden müssen. 

Chef gibt Arbeit mit – Arbeitszeit und Vergütungspflicht

Ob Dienstreisen als Arbeitszeiten zählen, richtet sich nach dem Arbeitszeitgesetz und der europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Beide dienen dem Arbeitsschutz und sollen vor Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit und Gesundheit schützen. Aus diesem Grund stellt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) maßgeblich darauf ab, ob der Arbeitgeber  verlangt, dass seine Mitarbeiter*innen während der Dienstreise Arbeiten verrichten oder eine belastende Tätigkeit ausüben (z. B. Fahren des PKW). Gibt der Chef also Arbeit auf der Dienstreise mit, beispielsweise Akten lesen, miteinander konferieren, Mails beantworten, Telefonate führen etc., handelt es sich um Arbeitszeit und nicht um Freizeit oder Ruhezeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und der Richtlinie. Dann darf die Dienstreisezeit zusammen mit der sonstigen Arbeitszeit, die anfällt, nicht die im Arbeitszeitgesetz enthaltenen Höchstarbeitszeiten überschreiten. Verlangt der Arbeitgeber keine Arbeitsleistung auf der Reise, können die Beschäftigten also selbst entscheiden, ob sie während der Bahnfahrt schlafen, Romane lesen, Filme auf dem PC anschauen oder nette Gespräche mit Mitreisenden führen, ist das Freizeit und zählt nach Auffassung des BAG nicht als Arbeitszeit. Die Dienstreise sei als solche nämlich keine Arbeitsleistung. Allein, dass sie im Interesse des Arbeitgebers unternommen werde, reiche nicht aus.

Davon zu trennen ist die weitere Frage, ob die Dienstreisezeit zu vergüten ist. 

Arbeitszeitgesetz und Richtlinie regeln nur den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz und enthalten keine Bestimmungen zur Vergütung. Gesetzlich ist daher nicht geregelt, ob und in welchem Umfang die auf der Dienstreise verbrachte Zeit zu vergüten ist. Bestehen keine arbeitsvertraglichen, betrieblichen oder tariflichen Regelungen für die Vergütung von Dienstreisen, kommt es auf die Umstände im Einzelfall ab. Es gibt keinen Grundsatz, nach dem Reisezeit in der Regel vergütungspflichtig ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob Arbeitnehmer*innen nach den konkreten Umständen, ihrer Stellung oder nach der Branche üblicherweise eine Vergütung erwarten können (§ 612 BGB). In dem Fall, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Erfüllung bestimmter Aufgaben auferlegt, wird der Arbeitnehmer in der Regel auch erwarten können, dass er eine Vergütung für die Dienstreisezeit erhält, da es keinen Unterschied machen kann, ob er seine Arbeitspflichten im Betrieb/Büro oder im Verkehrsmittel erbringt. 

Kritik: Ist eine Dienstreise wirklich Privatvergnügen?

Nach der oben geschilderten Rechtsprechung des BAG reicht es nicht aus, dass Arbeitnehmer*innen, die auf eine Dienstreise geschickt werden, über ihre Freizeit nicht verfügen können. Das Freizeitopfer allein macht die Dienstreise nicht zur Arbeitszeit. Das BAG geht deshalb auch davon aus, dass die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten, die im Betrieb arbeiten und nach Dienstschluss ihre Freizeit selbst bestimmen können, und denen, die auf Dienstreise sind und deshalb in der Freizeitgestaltung eingeschränkt sind, sachlich gerechtfertigt ist. Dies wird zu Recht kritisiert. Zum einen werden Belastungen, die mit Reisen verbunden sind, durch diese Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt. Reisen in überfüllten Zügen, Lärm durch Gespräche und Telefonate von Mitreisenden führen kaum dazu, dass Entspannung und Erholung auf einer Dienstreise eintreten kann. Ruhezeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und im Sinne der Richtlinie liegt nicht vor. Zum anderen wird auch das von den Beschäftigten erwartete Freizeitopfer unzureichend gewürdigt. 

Arbeitnehmer*innen können soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten in der gewohnten Weise während einer Dienstreise nicht wahrnehmen. Da Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen an Beschäftigte wachsen, und dazu beitragen, dass die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen, ist es erforderlich, im Interesse des Gesundheitsschutzes die im Interesse des Arbeitgebers verwendete mobile Zeit zur Arbeitszeit zu zählen. Das gilt vor allem auch deshalb, weil mit zunehmender Flexibilisierung reguläre Arbeitszeiten immer weniger festgelegt werden und damit Dienstreisen immer seltener in reguläre Arbeitszeiten fallen. 

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats? 

Durch die Dienstreise kann eine Verlängerung der Arbeitszeit eintreten, so dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG bestehen kann. In Betracht kommt auch ein Beteiligungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.2 BetrVG, wonach der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen hat. 


Das BAG hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Beschäftigte eines Unternehmens mussten von der Filiale in Berlin mehrfach im Jahr zu Dienstbesprechungen nach Frankfurt fahren. Der durch Betriebsvereinbarung festgelegte reguläre Arbeitsbeginn war 7.00 Uhr. Der Arbeitgeber erstattete nur das preislich günstigste Verkehrsmittel. Aus diesem Grund konnten die Arbeitnehmer*innen nur den ICE-Sprinter von Berlin nehmen, der um kurz nach 6.00 Uhr den Berliner Bahnhof verlässt. Durch die Duldung eines Dienstreiseantritts vor 7.00 Uhr sah der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht verletzt. Das BAG hat dagegen angenommen, dass kein Mitbestimmungsrecht besteht, weil Arbeitnehmer*innen durch das bloße Reisen keine Arbeitsleistungen erbringen, und es sich deshalb auch nicht um „Arbeitszeit“ im Sinne des Betriebsverfassungsrechts handelt. Zwar besteht der Zweck des Mitbestimmungsrechts auch darin, die Lage der Arbeitszeit im Interesse der Arbeitnehmer so zu bestimmen, dass auch ausreichend Raum für die Gestaltung des Privatlebens verbleibt; durch das Mitbestimmungsrecht soll demnach die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit bestimmt werden; dem Mitbestimmungsrecht unterliegen jedoch - nach Auffassung des BAG – nicht Einschränkungen der Freizeit durch ein Verhalten des Arbeitnehmers, das keine Arbeitsleistung ist. 


Dies wird zu Recht kritisiert. Die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung der Dienstreisezeit muss sich am Zweck des Mitbestimmungsrechts ausrichten. Maßgeblich ist daher, dass Beschäftigte mit der Reise eine vom Arbeitgeber gewünschte Leistung erbringen und während der Reise eben nicht ihre private Freizeit planen und gestalten können. Es entspricht daher dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, dass der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer*innen an planbarer Freizeit, die im Falle von Dienstreisen nicht besteht, wahrnimmt und etwa auch bei der Verteilung der Dienstreisen unter den Beschäftigten für einen gerechten Ausgleich sorgt. 


Da das BAG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Regelung von Dienstreisen verneint, kann nur durch den Abschluss freiwilliger Betriebsvereinbarungen eine interessengerechte Lösung erreicht werden.


Auch im Übrigen empfiehlt es sich – soweit nicht bereits tarifliche oder betriebliche Regelungen bestehen – vor Antritt der ersten Dienstreise mit dem Chef über die Anrechnung der Dienstreisezeit als Arbeitszeit und über die Vergütung zu reden und eine Vereinbarung zu treffen.

  • Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Dienstreise und Arbeitszeit können Sie hier im Volltext nachlesen.

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom: 11.7.2006, Aktenzeichen: 9 AZR 519/05

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom: 14.11.2006, Aktenzeichen: 1 ABR 5/06

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom: 14.12.2010, Aktenzeichen: 9 AZR 686/09

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom: 20.4.2011, Aktenzeichen: 5 AZR 200/10