Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben. Eine allgemeine Geschäftsbedingung im Arbeitsvertrag, dass Mehrarbeit mit dem Gehalt pauschal abgegolten sein soll, ist unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag

 

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?

 

Der Kläger war bei der Beklagten, die einen Schlachthof betreibt, von April 2008 bis April 2009 befristet als Kraftfahrer für den Transport lebender Tiere beschäftigt. Die geschuldete Arbeitszeit wurde im Vertrag nicht festgelegt. Nach § 4 des Vertrages richtete sich die tägliche Arbeitszeit »nach der betrieblichen Ordnung«.

Der Kläger erhielt eine monatliche Vergütung von 1.100 EUR. Der Vertrag bestimmte, dass »eventuelle Mehrarbeit« mit dem Gehalt pauschal abgegolten ist. Zusätzlich waren so genannte »freiwillige Zuschläge« für Nacht- und Feiertagsarbeit und eine tägliche »Sorgfaltsprämie« festgelegt. Eine weitere Klausel verpflichtete den Kläger, in dringenden Fällen Überstunden zu leisten.

Mit seiner Klage machte er nach Ende des Arbeitsverhältnisses die Vergütung von 978,5 Überstunden geltend, wobei er mangels einer vertraglichen Regelung der Arbeitszeit die beim Arbeitgeber übliche 40-Stunden-Woche und einen Brutto-Stundenlohn von 6,35 EUR zu Grunde legt. Die Überstunden führte der Kläger anhand von Listen an, in denen er seine täglichen Arbeitszeiten eingetragen hat.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab. Das LAG beanstandete unter anderem, dass die Darlegungen des Klägers die Voraussetzungen für den Beweis von Überstunden nicht erfüllten, da den Listen nicht zu entnehmen sei, wann er Pausen gemacht habe. Weiterhin wurde beanstandet, der Kläger habe nicht klar zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und solchen, in denen er als Beifahrer auf dem LKW mitgefahren ist, differenziert.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an das LAG zurück. Das BAG begründete seine Entscheidung damit, es könne noch nicht abschließend festgestellt werden, ob dem Kläger eine Überstundenvergütung zusteht. Das Vorbringen des Klägers zu den geleisteten Stunden ist jedoch nicht unschlüssig, wie das LAG in seiner Entscheidung angenommen hat.

Für die Darlegung und den Beweis, dass ein Arbeitnehmer vergütungspflichtige Überstunden geleistet hat, gelten die gleichen Regeln wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die regelmäßig geschuldete (Normal-)Arbeit erbracht zu haben: Da die zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber bestimmt wird (§ 106 GewO), muss der Arbeitnehmer darlegen, dass er sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten hat, um die Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Im Rahmen der Beweisverteilung muss der Arbeitgeber dann substantiiert erwidern und darlegen, an welchen Tagen er dem Arbeitgeber Aufgaben zugewiesen oder dies, entgegen den Angaben des Arbeitnehmers, nicht getan hat.

Das BAG betont, dass auch die Zeiten, in denen der Kläger als Beifahrer eingesetzt war, vergütungspflichtig sein können. Zwar stellt nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) die Zeit, die ein Beifahrer im LKW neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbringt, abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit dar. Allerdings enthält die Vorschrift, so das BAG, keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (vgl. BAG v. 20. April 2011 - 5 AZR 200/10).

Da der Arbeitsvertrag keine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeiten enthält, kann der Kläger nach Ansicht des BAG auch für Beifahrertätigkeit die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Deshalb war der Kläger auch nicht verpflichtet, bei der Darlegung von Überstunden zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und den Beifahrerzeiten zu differenzieren.

Auch die Nichtangabe von Pausenzeiten impliziert zunächst nur die Behauptung, der Arbeitnehmer habe solche nicht gemacht. Auf seine Zweifel hätte das LAG den Kläger aber nach § 139 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der Verhandlung hinweisen müssen. Das LAG überspanne die Darlegungslast des Klägers, wenn es verlange, dass der Kläger in der Liste seiner Arbeitsstunden von sich aus alle Pausenzeiten und Zeiten als Beifahrer differenziert ausweist.

Schließlich ist auch die Klausel im Arbeitsvertrag, wonach Überstunden mit dem Gehalt pauschal abgegolten sind, als allgemeine Geschäftsbedingung nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB rechtlich unwirksam, da sie nicht hinreichend transparent ist. Denn die vom Arbeitgeber vorformulierte Bedingung ist nicht klar und verständlich, da im Arbeitsvertrag weder die regulär geschuldete Arbeitszeit noch die Voraussetzungen für Überstunden klar definiert sind.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:


Die Durchsetzung der Bezahlung geleisteter Überstunden ist ein häufiges Problem für Arbeitnehmer sowie deren Interessen- und Prozessvertreter. Wie im vorliegenden Fall werden oft jahrelang Überstunden geleistet, ohne dass diese vergütet werden. Wenn dann der Lohn ausbleibt oder eine Kündigung kommt, mögen viele Arbeitnehmer nicht länger Verzicht üben: Dann wollen sie die tatsächlich geleistete Arbeit auch bezahlt haben. Jedoch fällt es nach längerer Zeit oft schwer, die genauen Arbeitszeiten zu nennen, also darzulegen. Die Arbeitsgerichte verlangen dazu sehr genaue Aufstellungen der Arbeitszeiten und der in der Zeit verrichteten Tätigkeiten.
Hier ist diese Entscheidung es Bundesarbeitsgerichts hilfreich. Auch das BAG verlangt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten genau nennen muss – ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast. Das BAG stellt aber auch fest, dass die Hürden für den Arbeitnehmer nicht zu hoch sein dürfen. Es genügt für den Arbeitnehmer darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Stunden er bei der Arbeit war. Der Arbeitnehmer muss in seiner Darstellung auch icht zwischen normaler und Mehrarbeit unterscheiden. Ferner muss er darlegen, dass der Arbeitgeber den Umfang der Arbeit – und damit die Mehrarbeit – angewiesen hat. Das war im Falle des LKW-Fahrers deswegen einigermaßen einfach, weil die angewiesenen Touren eine nachvollziehbare Zeit dauerten. Es ist dann aber am Arbeitgeber ganz genau (substantiiert) vorzutragen, zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer trotz seiner Anwesenheit nicht gearbeitet haben soll. Hierbei muss der Arbeitgeber auch die Stundenaufstellungen auswerten. Dabei ist der Entscheidung des BAG zwar nicht direkt, aber zwischen den Zeilen zu entnehmen, dass ein Fehlen der Stundenaufstellungen ehe zu Lasten des Arbeitgebers geht.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2012, 5 AZR 347/11