Wer sich im Alter nicht auf sein Sparschwein verlassen will, sollte sich früh um seine Altersvorsorge kümmern. © Adobe Stock: Jeanette Dietl
Wer sich im Alter nicht auf sein Sparschwein verlassen will, sollte sich früh um seine Altersvorsorge kümmern. © Adobe Stock: Jeanette Dietl

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus der Schwäbischen Alb finden die Tarifverträge für den Einzelhandel in Baden-Württemberg und damit auch der Tarifvertrag über die tarifliche Altersvorsorge der Beschäftigten im Einzelhandel (TV-Altersvorsorge) Anwendung. Nach dem TV-Altersvorsorge zahlte der Arbeitgeber im Rahmen der Entgeltumwandlung seit 2016 monatlich 40 € vermögenswirksame Leistungen sowie seit September 2019 jährlich Urlaubsgeld in Höhe von 900 € und Weihnachtsgeld in Höhe von 1.300 € auf das Pensionskonto der Klägerin bei der Hamburger Pensionskasse als Altersvorsorgebetrag. Hinzu kam ein 10-prozentiger Arbeitgeberzuschuss zu den umgewandelten Beträgen nach dem TV-Altersvorsorge.

 

Es kam zum Streit

 

Im Januar erhielt die Klägerin von der Muttergesellschaft ihres Arbeitgebers, die die Abwicklung der betrieblichen Altersvorsorge durchführt, eine schriftliche Mitteilung mit folgendem Wortlaut:

 

„Ab 2022 muss jeder Arbeitgeber für bestehende Direktversicherungen und Pensionskassen einen Zuschuss von 15% gewähren, sofern Sozialabgaben eingespart werden. Wenn in einem Tarifvertrag ein geringerer Zuschuss vereinbart wurde, dann ist es aber zulässig auch weniger zu bezahlen. Das ist z.B. im Einzelhandelstarif der Fall.

Wir haben uns aber dazu entschlossen alle bestehenden Vorsorgeverträge und auch alle neu zu vereinbarende SIGNAL IDUNA Direktversicherungen und (betrieblichen - Anm. der Redaktion) Pensionskassen-Verträge mit einem Arbeitgeberzuschuss von 15% zu fördern. Hierfür müssen Sie nichts tun, das erledigen wir für Sie. (…)“

 

Den bestehenden Vertrag beim Hamburger Pensionsverein konnte die Klägerin um 5% aufstocken. Er würde dann insgesamt die gesetzlich zulässigen 15% umfassen. Die Beklagte schloss jedoch für die Klägerin weitere Verträge bei der SIGNAL IDUNA zum Zwecke der Weiterleitung des zusätzlichen 5-prozentigen Zuschusses zum umgewandelten Urlaubsgeld und für das umgewandelte Weihnachtsgeld ab.

 

Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie wollte die Aufstockung des Zuschusses zu ihrem Vertrag bei der Hamburger Pensionskasse durchsetzen. Ihr Arbeitgeber hielt dem entgegen, es bestehe keine Pflicht, die bisherige Leistung an die Hamburger Pensionskasse von 10% auf 15% aufzustocken.

 

Das Arbeitsgericht sah das anders

 

Die Jurist:innen aus dem DGB Rechtsschutzbüro Reutlingen setzen sich durch. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 5% auf die im Rahmen der Entgeltumwandlung umgewandelten Beträge zu. So entschied es das Arbeitsgericht. Dieser Zuschuss sei auf den bestehenden Altersvorsorgevertrag der Klägerin bei der Hamburger Pensionskasse zu zahlen. Das ergebe sich aus der der Klägerin gegenüber erteilten schriftlichen Zusage der Muttergesellschaft.

 

Dieses Schreiben stelle ein Vertragsangebot gemäß § 145 BGB dar. Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Die Beklagte habe der Klägerin angeboten, den bestehenden Versorgungsvertrag und auch alle neu zu vereinbarenden SIGNAL IDUNA-Direktversicherungen und betriebliche Pensionskassen-Verträge mit einem Arbeitgeberzuschuss von 15 % zu fördern. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Schreibens.

 

Es lasse sich dem Schreiben nicht entnehmen, dass sich das Vertragsangebot nur auf Direktversicherungen bei der SIGNAL IDUNA beziehe. Vielmehr gelte das Vertragsangebot der Beklagten auch für den bestehenden Vorsorgevertrag bei der Hamburger Pensionskasse.

 

Eine Willenserklärung ist vom Empfängerhorizont aus auszulegen

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind rechtsgeschäftliche Willenserklärungen grundsätzlich nach einem objektvierten Empfängerhorizont auszulegen, d. h. wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste. Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an, was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Dabei bleiben die Motive des Erklärenden, soweit sie nicht in dem Wortlaut der Erklärung oder in sonstiger, für die Gegenseite hinreichend deutlich erkennbaren Weise ihren Niederschlag finden, außer Betracht. Es besteht keine Pflicht des Erklärungsempfängers, den Inhalt oder den Hintergrund des ihm regelmäßig formularmäßig gemachten Angebots durch Nachfragen aufzuklären. Kommt der Wille des Erklärenden nicht oder nicht vollständig zum Ausdruck, gehört dies zu dessen Risikobereich.

 

Die Klägerin habe die Erklärung ihres Arbeitgebers so verstehen müssen und auch dürfen, dass die Beklagte sich verpflichten wollte, bezüglich aller bestehenden Vorsorgeverträgen einen Arbeitgeberzuschuss von 15% zu leisten.

 

Der Wortlaut ist eindeutig

 

Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts daraus, dass die Beklagte zunächst ausführte, jeder Arbeitgeber müsse ab 2022 für bestehende Direktversicherungen und Pensionskassen einen Zuschuss von 15% gewähren, sofern Sozialabgaben erspart würden und anschließend darauf verwies, dass in einem Tarifvertrag - wie z.B. dem Einzelhandelstarifvertrag - auch weniger zulässig sei. Die Beklagte habe daraufhin ausdrücklich hervorgehoben, dass sie sich aber dazu entschlossen habe, alle bestehenden Versorgungsverträge und auch alle neu zu vereinbarenden SIGNAL IDUNA-Direktversicherungen und betrieblichen Pensionskassen-Verträge mit einem Arbeitgeberzuschuss von 15% zu fördern.

 

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fänden die Tarifverträge für den Einzelhandel Anwendung und für sie habe bereits ein Vorsorgevertrag im Rahmen der tariflichen Altersvorsorge bestanden. Deshalb war das Schreiben der Beklagten aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nach Meinung des Gerichts so zu verstehen, dass die Beklagte aus ihrer Sicht zwar nicht gesetzlich verpflichtet war, einen weiteren Zuschuss zu gewähren, sie aber von sich aus alle bestehenden Vorsorgeverträge mit weiteren 5% bezuschussen wollte und der Klägerin ein dahingehendes Vertragsangebot unterbreitete.

 

Ein anderer Erklärungswille lässt sich nicht erkennen

 

Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dieses Angebot habe nur für SIGNAL IDUNA-Verträge gelten sollen, finde ihr dahingehender Wille in der Erklärung keinen hinreichenden Ausdruck.

 

Der Verknüpfung im Satz „alle bestehenden Versorgungsverträge und auch alle neu zu vereinbarende SIGNAL IDUNA- Direktversicherungen und (betriebliche) Pensionskassen-Verträge" lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend entnehmen, dass die Beklagte damit zum Ausdruck bringen wollte, die Zusage des Zuschusses beziehe sich nur auf SIGNAL IDUNA-Versicherungen. Dem stehe bereits entgegen, dass nach dem Wortlaut auch betriebliche Pensionskassen-Verträge gefördert werden sollten.

 

Einer Annahmeerklärung durch die Klägerin bedurfte es nicht

 

Die Klägerin habe das Angebot der Beklagten auch ohne ausdrückliche Erklärung annehmen können. Nach § 151 BGB kann ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande kommen, auch ohne dass die Annahme erklärt zu werden braucht, wenn nämlich eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat.

 

Es habe sich hier um ein Angebot gehandelt, dass die Klägerin begünstigte. Hier bedürfe es keiner Annahmeerklärung. Im Übrigen habe die Beklagte auf eine Annahmeerklärung auch ausdrücklich verzichtet, indem sie der Klägerin mitteilte, sie brauche selbst nichts weiter zu unternehmen.

 

Damit sei zwischen den Parteien eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über die Zahlung eines Zuschusses in Höhe von 15% vereinbart und damit ein Anspruch der Klägerin auf einen Zuschuss in Höhe von weiteren 5% begründet worden.

 

Rechtliche Grundlagen

§ 145 BGB; § 151 BGB

§ 145 Bindung an den Antrag
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

§ 151 Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.