Macht ein schlechtes Teil die ganze Pizza ungenießbar? Copyright by Jérôme Rommé/Fotolia
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Mit dem Problem „Wirksamkeit von Ausschlussfristen“ hat sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 4. Oktober 2018 beschäftigt.
 

Wortlaut der Regelung zur Ausschlussfrist

Der Kläger arbeitete bei der Beklagten bis einschließlich Juli 2017 als LKW-Fahrer.
In § 11 seines Arbeitsvertrags vom April 2011 war geregelt:
 
„(1) Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verwirkt.
 (2) Bleibt die Geltendmachung erfolglos, so muß der Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden, andernfalls ist er ebenfalls verwirkt.“

 

Kläger verlangt Überstundenvergütung für 2015

Obwohl der Kläger Überstunden für das Jahr 2015 vergütet haben wollte, machte er seine Ansprüche zum ersten Mal im November 2017 geltend. Damit hat er die Ausschlussfristen nicht eingehalten. Das führte aber nur dann zu einem Verfall der Ansprüche, wenn die arbeitsvertraglichen Regelungen auch tatsächlich wirksam sind.
 

Teile der Regelung sind unwirksam

Eine Regelung im Formulararbeitsvertrag des Klägers sieht vor, dass Ansprüche k:k innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei“ k:k geltend zu machen sind.
Da Ausschlussfristen immer mindestens drei Monate betragen müssen, ist dieser Teil der Gesamtregelung unwirksam.
Weiter ist im Arbeitsvertrag geregelt, dass Ansprüche spätestens . . . innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses“  geltend zu machen sind.
Auch dieser Teil der Gesamtvereinbarung ist unwirksam, weil er allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt und die Fälligkeit der Ansprüche unberücksichtigt lässt.
 

Wirksamkeit der Rest-Regelung bei unwirksamen Teil-Regelungen

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) führe die Unwirksamkeit von Teilregelungen nicht zur Unwirksamkeit der Gesamtregelung, wenn die Teilregelungen nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich voneinander zu trennen seien. Dabei sei maßgeblich, ob mehrere unterschiedliche sachliche Regelungen vorliegen. Außerdem müsse die verbleibende Regelung weiterhin verständlich sein. Seien diese Voraussetzungen erfüllt, führe die Unwirksamkeit von Teilregelungen nicht dazu, dass auch der Rest der Gesamtregelung unwirksam werde.

 

Die Frist, um den Anspruch gerichtlich geltend zu machen

Nach dem Berufungsgericht sind zweistufige Ausschlussfristen teilbar, wenn sie  - wie im Fall des Klägers  - mehrere sachliche Regelungen enthielten, die sprachlich eindeutig abtrennbar seien. Es bestehe lediglich eine formale Verbindung zwischen den einzelnen Regelungsteilen. Deshalb bleibe die Frist, um den Anspruch schriftlich geltend zu machen, wirksam. Die Unwirksamkeit der Frist, um den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, ändere daran nichts.
 

Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Anknüpfungspunkt

Hier stellt das LAG ebenfalls darauf ab, dass nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich trennbare Einzelregelungen vorliegen. Man könne  - so das Gericht  - den unwirksamen Teil streichen, ohne dass der verbleibende Teil unverständlich würde. Und auch hier spricht das Gericht von einer lediglich formalen Verbindung.
 

Unwirksam der Ausschlussfrist wegen des Mindestlohngesetzes

Zusätzlich stellte der Kläger darauf ab, die Ausschlussfrist sei unwirksam, weil sie den Schutz durch das Mindestlohngesetz nicht beachte. Denn die Ausschlussfrist erstrecke sich auf alle Ansprüche und nehme auch den Teil nicht aus, der durch das Mindestlohngesetz geschützt sei.
Auch dieser Argumentation folgte das LAG nicht. Denn Abreden, die dem Mindestlohngesetz widersprechen, seien nur insoweit unwirksam, als sie den Anspruch auf Mindestlohn auch tatsächlich beschränkten. Dies sei beim Kläger aber gerade nicht der Fall.
Außerdem habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Ausschlussklauseln teil-wirksam sind, obwohl sie die Vorsatzhaftung des Arbeitgebers nicht ausschließen. Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar.
 

Ergebnis für den Kläger

Das Gericht hielt die Regelung für wirksam, nach der der Kläger seine Ansprüche spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen hat. Da er diese Frist nicht eingehalten hat, sind seine Ansprüche verfallen. Er hat den Rechtsstreit beim LAG also verloren.
Aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Denn das Bundesarbeitsgericht hat im Hinblick auf das Mindestlohngesetz bislang nicht über die Wirksamkeit von Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen entschieden, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor dem 1. Januar 2015 geschlossen haben. Der Arbeitsvertrag des Klägers datiert jedoch vom April 2011.
Deshalb hat das LAG die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil:  
LAG Berlin-Brandenburg vom 4. Oktober 2018; AZ 14 Sa 552/18

Rechtliche Grundlagen

§§ 306 und 307 Bürgerliches Gesetznuch

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 306 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit
(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.


Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.