Nachdem die Leiharbeit weitestgehend reguliert wurde, wählen viele Arbeitgeber den Weg über Werkverträge.

Doch wann liegen die rechtlichen Voraussetzungen für einen Werkvertrag wirklich vor?

Und wann besteht aufgrund gesetzeswidriger Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis?





  • Abgrenzung Werkvertrag – Arbeitnehmerüberlassung


In dieser Entscheidung setzt sich das LAG ausführlich mit den Kriterien zur Abgrenzung einer Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis eines Arbeitsverhältnisses zum


Einsatz eines Erfüllungsgehilfen im Rahmen von Dienst- und Werkverträgen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auseinander.  


Das Vorliegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung wurde im konkreten Fall verneint, da die Grenzen eines Werkvertrages noch nicht überschritten seien. Gemessen wurde dies an den Faktoren Eingriff in die Arbeitsorganisation und Art der Anweisungen (hier fachlicher Art und der ordnungsgemäßen Erstellung des Werks geschuldet).


Leitsatz:

Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG (§ 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und § 10 AÜGliegt nicht vor, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte in dessen Bereich eingegliedert sind und Ihre Arbeit allein nach seinen Weisungen (des Auftraggebers) und in dessen Interesse ausführen. Diesem Ergebnis entgegen steht nicht, dass sich die Aufgabe des Auftragnehmers bei Durchführung des Auftrags im Wesentlichen auf die Auswahl der Arbeitnehmer und Ihre Einteilung in Schichten beschränkt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Auftragnehmer für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgabeninhalte noch verantwortlich bleibt, zur Gewährleistung verpflichtet ist und für die Umsetzung des Vertrages vor Ort Ansprechpartner bereitstellt.


Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen 9 AZR 162/15 ist eine Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig

  • Testfahrer in der Automobilindustrie 

Grade in der Automobilindustrie „boomt“ die Werkvertragsarbeit. Dort gibt es mittlerweile doppelt so viel Werksvertragsarbeiter*innen wie Leiharbeitnehmer*innen. 


Hier eine interessante, zwar erstinstanzliche aber rechtskräftige, Entscheidung aus dieser Branche.


Auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses hatte hier ein Mann geklagt, der als Versuchsfahrer und Mechaniker bei einem Unternehmen der Automobilindustrie eingesetzt wurde. Das Gericht hat entschieden, dass dieser nicht auf der Grundlage eines Werkvertrages tätig war. Es ordnete das Vertragsverhältnis als Arbeitnehmerüberlassung ein, mit der Folge, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Versuchsfahrer und dem Unternehmen zustande gekommen war.

Leitsatz:

Ein Versuchsfahrer erbringt regelmäßig tätigkeitsbezogene Leistungen, die Gegenstand eines Dienstverhältnisses oder Arbeitsverhältnisses sein können, wenn er vorgegebene Fahraufträge abarbeitet. Ein abgrenzbares und abnahmefähiges Werk wird nicht erstellt. Der dem zugrundeliegende Kooperations- bzw. Projektierungsvertrag zwischen zwei Unternehmen ist nicht als Werkvertrag zu qualifizieren, wenn der eine Vertragspartner im Wesentlichen nur die Verfügbarkeit von Fahrern zu gewährleisten hat.

  • Scheinselbständigkeit eines Entwicklers von EDV-Programmen im Homeoffice


Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 13.03.2015, 10 Sa 575/14


Eine interessante Entscheidung zum Thema Scheinselbständigkeit. Der Kläger war hier über 20 Jahre lang auf Honorarbasis beschäftigt gewesen; ausgeübt hatte er die Tätigkeit Zuhause. Zum Streit kam es dann anlässlich der arbeitgeberseitigen Beendigung der Zusammenarbeit. Kündigungsschutzklage berechtigt, so das Landesarbeitsgericht (LAG). Die Arbeitnehmereigenschaft wurde bejaht und dies obwohl es an einer Weisungsabhängigkeit in zeitlicher und örtlicher Hinsicht fehlt. Dieser käme bei der Art der Tätigkeit (Programmierer im Home-Office) keine entscheidende Bedeutung zu. 


Leitsatz:

Arbeitnehmer kann auch sein, wer in einem Home-Office EDV-Programme entwickelt, wenn er dabei auf das Bereitstellen der Programmierumgebung durch den Betriebsinhaber angewiesen ist, ein nicht abgrenzbares Werk im Rahmen eines EDV-Programms in Abstimmung mit weiteren Programmierern im Betrieb zu erstellen hat und daneben für vielfältige Nebenarbeiten, insbesondere zur Beantwortung vielfältiger Fachfragen auf dem Gebiet der IT herangezogen, worden ist.


Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen 9 AZR 305/15 ist eine Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig.

  • Rechtsfolge verdeckter Arbeitnehmerüberlassung 

Was wenn es sich bei denen als Werkvertrag bezeichneten Verträgen um Scheinwerkverträge gehandelt hat und in Wirklichkeit eine Arbeitnehmerüberlassung vorlag, da die Vertragsarbeitgeberin für die Gesamtdauer des Einsatzes über eine unbeschränkte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt hat? Grundsätzlich kommt bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis zustande. Etwas anderes kann bei Treuwidrigkeit gelten, wobei die Entscheidungen hier in unterschiedliche Richtungen gehen und zur Überprüfung beim Bundesarbeitsgericht anhängig sind.  


In diesem Fall lässt das Gericht die Frage der Treuwidrigkeit offen. Selbst wenn wegen der fehlenden Offenlegung die Berufung auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis treuwidrig wäre, ergäbe sich daraus jedenfalls nicht die Rechtsfolge der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses. So die 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg. 


Leitsatz:

Die treuwidrige Berufung auf eine durch eine unbeschränkte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis formal gedeckte, aber nicht offengelegte, als “Werkvertrag“ bezeichnete Arbeitnehmerüberlassung führt nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Besteller und dem bei ihm eingesetzten Arbeitnehmer.


Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig. Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig unter dem Aktenzeichen 9 AZR 352/15.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014, 4 Sa 41/14


In diesem Fall kam das LAG Baden-Württemberg (hier die 4. Kammer) zu dem Ergebnis, dass zwischen den Parteien ausnahmsweise ein Arbeitsverhältnis begründet wurde, weil sich die Beklagte und ihre Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Vertragspartner berufen durften. Dabei ging das Gericht auch nicht vom Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses per (konkludenten) Vertragsschluss aus, ebenso wenig von einer fiktiven Begründung eines Arbeitsverhältnisses über die Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs.


Das verschleiernde Verhalten der Vertragspartner stelle sich jedoch als treuwidrig dar, weshalb es beiden Vertragspartnern der Überlassungsverträge wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt sein müsse, sich auf das Bestehen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Verleihunternehmen zu berufen, § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).


Leitsatz:

Eine als "Werkvertrag" bezeichnete Arbeitnehmerüberlassung kann im Einzelfall trotz Vorliegens einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beim Verleiher zu einer Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher führen. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl dem Verleiher als auch dem Entleiher positiv bekannt ist, dass der Arbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert werden soll und der Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Entleihers unterliegen soll. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zugleich der Charakter der Arbeitnehmerüberlassung gegenüber dem Arbeitnehmer verschleiert wird. Die Berufung auf das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis stellt sich dann als ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten dar. Dürfen sich Verleiher und Entleiher aber nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers berufen, gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher als zustande gekommen gem. §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. (§ 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und § 10 AÜG)


Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es ist Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig unter dem Aktenzeichen 9 AZR 51/15. 


Und nochmals das LAG aus Stuttgart, gleiches Thema, anderes Ergebnis. Es ging zwar davon aus, dass der Einsatz des Klägers bei der Beklagten der Grundlage eines sogenannten Scheinwerkvertrags erfolgte und die Beklagte und die Arbeitgeberinnen des Klägers in Wirklichkeit verdeckte Arbeitnehmerüberlassung betrieben haben. Dennoch sei aus Rechtsgründen zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.


Leitsatz:

Nach derzeitiger Rechtslage kann auch bei verdeckt praktizierter Arbeitnehmerüberlassung das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher, der im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist, und dem verdeckt überlassenen Leiharbeitnehmer weder in direkter oder analoger Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG (§ 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und § 10 AÜGnoch über die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) - gleich in welcher Ausprägung - angenommen werden. 


Die 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg hat damit entgegen der 4. Kammer desgleichen Gerichts entschieden. (LAG Baden-Württemberg 3. Dezember 2014 - 4 Sa 41/14, s.o.). Die Rechtsauffassung, wonach sich die Vertragspartner angeblicher Werkverträge, die in Wirklichkeit verschleierte Arbeitnehmerüberlassung darstellen, wegen widersprüchlichen Verhaltens nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürften, teilt die 3. Kammer nicht.


Auch in dieser Entscheidung verneinten die Richter der 3. Kammer das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses als Folge von Scheinwerkverträgen und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung. Dies ergäbe sich so klar aus der Rechtsprechung des BAG, dass die Revision nicht zugelassen wurde.   


Die Begründung: Nach (inzwischen gefestigter) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, kommt beim entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nicht nur vorübergehenden Einsatz eines Leiharbeitnehmers zwischen diesem und dem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn ein Arbeitgeber die erforderliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besitzt (BAG 3. Juni 2014 - 9 AZR 111/13; BAG, 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13). Diese Erwägungen seien ohne Weiteres auf den Fall der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung aufgrund eines Scheinwerkvertrages übertragbar.


Leitsatz:

Die vom Bundesarbeitsgericht in den genannten Urteilen für den Fall der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung angestellten Erwägungen sind ohne Weiteres auf den Fall der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung aufgrund eines Scheinwerkvertrages übertragbar. Neue ungeklärte Rechtsfragen treten hier nicht auf.