Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 08.07.2016 einen Fall entschieden, bei dem in einer Behörde erhebliche Geldsummen „verschwunden“ waren. Die Behörde verlangte von mehreren Mitarbeiter*innen Schadensersatz. Aber es gelang ihr nicht, einzelnen Mitarbeiter*innen konkrete Unterschlagungen nachzuweisen. Deshalb kam sie auf die Idee, Schadensersatz mit der Begründung zu verlangen, die Mitarbeiter*innen haben sie dadurch geschädigt, dass sie die Unterschlagungen nicht anzeigten, obwohl ihnen Tat und Täter bekannt gewesen seien.
Pflichtverletzung durch Unterlassen
Die Behörde konnte nicht nachweisen, dass die Mitarbeiter*innen etwas Pflichtwidriges getan haben. Deshalb besteht eine Chance, von ihnen Schadensersatz zu bekommen allenfalls, wenn sie eine Pflicht gerade durch Nichtstun , also durch Unterlassen verletzt haben.
Rechtspflicht zum Handeln
Ein Unterlassen kann nur eine Pflichtverletzung der Mitarbeiter*innen sein, wenn sie rechtlich verpflichtet gewesen wären, ihrem Arbeitgeber die Unterschlagungen zu melden.
Auffassung der Rechtsprechung
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern bezieht sich in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.05.1958.
Darin stellte das oberste deutsche Arbeitsgericht fest, dass Arbeitnehmer*innen grundsätzlich nicht verpflichtet sind, ihren Arbeitgeber auf Straftaten von Kolleg*innen hinzuweisen.
Ausnahmen
Von diesem Grundsatz lässt das Bundesarbeitsgericht zwei Ausnahmen zu.
- Der Arbeitgeber hat den „Mitwisser“ ausdrücklich mit der Überwachung derjenigen Person beauftragt, die eine Straftat begangen hat.
- Es besteht ohne direkten Überwachungsauftrag eine „… sogenannte aktualisierte Überwachung- und Kontrollpflicht …“. Diese Pflicht kann sich im Einzelfall aus der Situation heraus ergeben und ist ein Ausfluss der allgemeinen Treuepflicht. Ob und inwieweit einen solche aktualisierte Überwachung- und Kontrollpflicht besteht, ist immer anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.
Ergebnis des Verfahrens
Die Behörde hat nichts dazu vorgetragen, dass er die Mitarbeiter*innen mit einer Überwachung beauftragt habe. Ebenso fehlt jeder Vortrag dazu, dass die Umstände des Einzelfalls eine aktualisierte Überwachung- und Kontrollpflicht rechtfertigten.
Folgerichtig kam das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass ein Schadensersatzanspruch der Behörde wegen Unterlassens nicht besteht.