Konkretisierung einzelner Arbeitsbedingungen kann Weisung kippen. Copyright by Adobe Stock/Mirko Raatz
Konkretisierung einzelner Arbeitsbedingungen kann Weisung kippen. Copyright by Adobe Stock/Mirko Raatz

Diese Frage war Inhalt mehrerer gerichtlicher Auseinandersetzungen, die teilweise vor dem Bundesarbeitsgericht geendet haben.


Rechtlicher Ausgangspunkt

Nach der Gewerbeordnung darf der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Dieses so genannte Weisungsrecht kann durch Regelungen im Gesetz, im Arbeitsvertrag oder in anwendbaren Tarifverträgen eingeschränkt sein. Soweit dies nicht der Fall ist und sich der Arbeitgeber in den Grenzen billigen Ermessens bewegt, müssen Arbeitnehmer*innen seine Weisungen grundsätzlich befolgen.


Ausnahmefall: Konkretisierung einzelner Arbeitsbedingungen

Etwas anderes gilt nur, wenn sich einzelne Arbeitsbedingungen so weit konkretisiert haben, dass sie dem Weisungsrecht nicht mehr unterliegen. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Konkretisierung eintritt, hatten Arbeitsgerichte in zahlreichen Verfahren zu entscheiden. Zwei dieser Fälle stellen wir hier vor.


Arbeitsbeginn eines Fahrkartenkontrolleurs

Seit Vertragsbeginn begann die Arbeit eines Fahrkartenkontrolleurs an der Bushaltestelle, die seiner Wohnung am nächsten lag. Er stieg dort in einen Bus ein und begann, Fahrgäste zu kontrollieren.
Mehr als 14 Jahre später wies der Arbeitgeber den Kontrolleur an, seine Arbeit am Betriebshof aufzunehmen. Dadurch verlängerte sich der Weg zur Arbeit täglich um 55 Minuten.
Der Kontrolleur war nicht einverstanden und klagte beim Arbeitsgericht.


Arbeitsort eines Elektrotechnikers

Seit 2014 arbeitete der Techniker in einem Einzelbüro. Im Jahr 2018 erteilte der Arbeitgeber ihm die Weisung, sein Büro zu räumen und in ein Großraumbüro umzuziehen.
Auch der Elektrotechniker wehrte sich und zog vor das Arbeitsgericht.


Entscheidungen der Arbeitsgerichte

Sowohl das Bundesarbeitsgericht (im Fall des Fahrkartenkontrolleurs) als auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (im Fall des Elektrotechnikers) gaben den Arbeitgebern recht.
Beide Gerichte wiesen darauf hin, dass eine Konkretisierung einzelner Arbeitsbedingungen das Weisungsrecht des Arbeitgebers begrenzen könne.
Eine solche Konkretisierung liege aber nur vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt seien.

  • Einzelne Arbeitsbedingungen müssen über einen langen Zeitraum unverändert bestehen,

und

  • es müssen besondere Umstände vorhanden sein, aufgrund derer Arbeitnehmer*innen erkennen können und darauf vertrauen dürfen, dass diese Arbeitsbedingungen dauerhaft bestehen bleiben sollen.

Daraus folgt, dass auch eine extrem lange Geltung einzelner Arbeitsbedingungen wie etwa beim Fahrkartenkontrolleur allein nicht ausreicht, eine Konkretisierung herbeizuführen. Erforderlich sind vielmehr darüber hinaus Umstände des Einzelfalls, die dafür sprechen, dass Arbeitnehmer*innen auf den Fortbestand der Arbeit Bedingungen vertrauen dürfen. Solche Umstände können etwa ausdrückliche Zusagen des Arbeitgebers, eine Übertragung besonderer Aufgaben oder die Teilnahme an besonders hochwertigen Fortbildungen sein.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Mai 2020 – 7 Sa 380/19

BAG, Urteil vom 7. 12. 2000 – 6 AZR 444/99

Das sagen wir dazu:

Mit ihren Entscheidungen machen die Arbeitsgerichte deutlich, dass eine Eingrenzung des Weisungsrechts durch Konkretisierung einzelner Arbeitsbedingungen lediglich in sehr wenigen Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen ist.

Dennoch sollten Arbeitnehmer*innen sich nicht scheuen, sich bei Weisungen des Arbeitgebers im Einzelfall auf eine Konkretisierung von Arbeitsbedingungen zu berufen. Voraussetzung dafür ist allerdings, Belege dafür zu sammeln, dass sie auf den Bestand der Arbeitsbedingungen vertrauen durften.