Ausschluss von Bewerber*innen ohne Zweites Staatsexamen verstößt gegen Prinzip der Bestenauslese. © Adobe Stock - Fotograf Daniel Mock
Ausschluss von Bewerber*innen ohne Zweites Staatsexamen verstößt gegen Prinzip der Bestenauslese. © Adobe Stock - Fotograf Daniel Mock

Studierende ohne lehramtsbezogenen Abschluss, Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung oder auch nebenberuflich tätige Personen: Sie alle kommen für das Land Nordrhein-Westfalen als Quereinsteiger*innen für Vertretungsstellen an Schulen in Betracht. 

Land schließt erfolgreiche Lehramtsstudierende aus

Das Paradoxe: jemand mit erfolgreichem Hochschulabschluss in einem Lehramtsstudiengang sowie Lehrerfahrungen an verschiedenen Schulen scheidet nach einem Erlass des Landes von vornherein aus dem Bewerbungsverfahren aus, wenn das zweite Staatsexamen im Referendariat endgültig nicht bestanden wurde. 

Dagegen klagte ein Bewerber mit Hilfe der Kolleg*innen aus dem Rechtsschutzbüro Essen. Er wollte vor Gericht festgestellt haben, dass eine Schulleiterin bzw. Konrektorin bereits einen verbindlichen Arbeitsvertrag mit ihm trotz fehlendem zweitem Staatsexamen geschlossen habe und klagte zusätzlich den entgangenen Lohn ein. 

Ebenso sei der grundsätzliche Ausschluss von Bewerber*innen ohne Zweites Staatsexamen rechtswidrig. Das sah auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einem Berufungsverfahren so und erklärte den Ausschluss des Klägers lediglich wegen seines fehlenden zweiten Staatsexamens für rechtswidrig. Im Übrigen lehnte es das Ansinnen des Klägers ab und schloss sich dem Arbeitsgericht Essen als Vorinstanz an. 

Wer beim Zweiten Staatsexamen durchfällt, ist raus

Der 1959 geborene Kläger brachte (fast) alles mit, was es für eine Stelle als Lehrkraft an einer Schule brauchte: Ein erfolgreiches Hochschulstudium in Sport und Biologie für die Sekundarstufe I und mehrmonatige praktische Erfahrungen als Sportlehrer an einer Grundschule zwischen 2017 und 2020. Leider hatte er das Referendariat nicht erfolgreich abgeschlossen und deshalb kein Zweites Staatsexamen. Dieses hatte er endgültig nicht bestanden. 

Er sah sich dennoch im Bewerbungsportal für Vertretungseinstellungen um und bewarb sich schließlich, ohne allerdings die Bescheinigung vorzulegen, dass er das Zweite Staatsexamen nicht bestanden hatte. Er wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen, das gut verlief. Im Anschluss daran teilte ihm die Konrektorin per E-Mail mit, dass sie sich freuen würde, wenn er die Stelle annehmen würde. Der Kläger stimmte zu.

Zwei Wochen später meldete sich das Schulamt und forderte weitere Unterlagen vom Kläger an. Die Bescheinigung über das endgültige Nichtbestehen des Zweiten Staatsexamens wurde ihm nun zum Verhängnis: Das Schulamt teilte mit, dass eine Einstellung aus diesem Grund nicht möglich ist. Der Kläger war der Ansicht, dass ein Vertrag bereits geschlossen sei und forderte seine Vergütung ein. Zudem sei der Ausschluss allein wegen seines nicht bestandenen Zweiten Staatsexamens rechtswidrig. 

Grundsätzlicher Ausschluss verstößt gegen Prinzip der Bestenauslese

Indem das Land Nordrhein-Westfalen Bewerber*innen ohne Zweites Staatsexamen von vornherein aus dem Bewerbungsverfahren ausschließt, verstößt es gegen das Prinzip der Bestenauslese, so das Gericht. Dieses Prinzip hat seine Grundlage in Artikel 33 des Grundgesetzes und besagt, dass der Zugang zu öffentlichen Ämtern sich ausschließlich nach Eignung, fachlicher Leistung und Befähigung der Bewerber*innen richtet. 

Kurzum: Das Land Nordrhein-Westfalen ist verpflichtet, die besten Bewerber*innen gemäß dieser Kriterien für die ausgeschriebenen Stellen auszusuchen. Ein fehlendes zweites Staatsexamen stellt auch nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts grundsätzlich ein zulässiges Kriterium für eine Auswahl dar, sodass Bewerber*innen wegen fehlenden Zweiten Staatsexamens abgelehnt werden dürfen. 

In diesem Fall entziehe sich das Land in seiner bisherigen Einstellungspraxis jedoch der Bestenauslese von vornherein und hebele damit ihr eigenes Kriterium aus. Denn auf seiner Bewerbungsplattform, wo Personengruppen aufgelistet sind, die für Vertretungsstellen in Betracht kommen, finden sich auch solche, die gar kein Staatsexamen haben – also, anders als der Kläger, auch kein Erstes Staatsexamen. Dort hieß es:

„Allgemeine Hinweise

Wer kann Vertretungsunterricht erteilen?

[…]


Soweit ausgebildete Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen, können auch Personen ohne lehramtsbezogene Ausbildung befristet beschäftigt werden, dies sind z.B.

  • Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen mit lehramtsbezogenem Abschluss, die für den Schuldienst geeignet sind
  • Studentinnen und Studenten (insbesondere für ein Lehramtsstudium), die für den Schuldienst geeignet sind 
  • Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen ohne lehramtsbezogenen Abschluss, die für den Schuldienst geeignet sind 
  • Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung ohne Lehramtsbefähigung, die für den Schuldienst geeignet sind
  • Nebenberuflich tätige Personen ohne Lehramtsbefähigung, die für den Schuldienst geeignet sind Personen, die eine Staatsprüfung für ein Lehramt nicht oder endgültig nicht bestanden haben, werden nicht eingestellt (S. Nr. 3.3 des jährlichen Lehrereinstellungserlasses).“


Das Landesarbeitsgericht hielt es für nicht nachvollziehbar, dass Personen gänzlich ohne Staatsexamina für Vertretungsstellen in Betracht kommen, Menschen, die lediglich das Zweite Staatsexamen nicht bestanden haben, aber möglicherweise praktische Lehrerfahrungen o.ä haben, von vornherein ausgeschlossen würden. Damit sei eine Prüfung der Eignung und Befähigung nach dem Prinzip der Bestenauslese nicht sichergestellt. Ein kollektiver Ausschluss sei damit in diesem Fall rechtswidrig. 

Das letzte Wort hat das Schulamt – kein Arbeitsvertrag durch Zustimmung der Schulleitung

Vergütung für die Zeit der Vertretungsstelle erhält der Kläger trotzdem nicht. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts wurde nämlich kein Arbeitsvertrag geschlossen, da nicht alle wesentlichen Vertragsbestandteile beiden Parteien bekannt waren. 

Zwar hat die Konrektorin per E-Mail mitgeteilt, dass sie sich über eine Annahme der Vertretungsstelle durch den Kläger freuen würde. Die genauen Vertragsinhalte wie Arbeits- bzw. Vertragsbeginn waren jedoch noch nicht geklärt. 

Die Vertretungsstelle war vom 10. Februar 2021 bis zum 26. April 2021 befristet. Die E-Mail der Konrektorin erfolgte am 19. Februar 2021. Damit war unklar, ob der Vertrag rückwirkend oder erst auf die Zukunft gerichtet geschlossen werden sollte. Das Fehlen eines wesentlichen Vertragsbestandteils verhinderte den Vertragsschluss.