Die COVID-19-Pandemie fordert den Gesetzgeber, umfassende finanzielle Erleichterungen für die Betroffenen zu schaffen. Copyright by Adobe Stock/ bluedesign
Die COVID-19-Pandemie fordert den Gesetzgeber, umfassende finanzielle Erleichterungen für die Betroffenen zu schaffen. Copyright by Adobe Stock/ bluedesign

Die DGB Rechtsschutz GmbH vertritt bundesweit Arbeitnehmer*innen in sämtlichen arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Fragen. Voraussetzung ist die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund. Der gewerkschaftliche Rechtsschutz ist damit regelmäßig Anlaufstelle in allen Fragen rund um das Arbeitsverhältnis.
 

Hohe Fallzahlen im gewerkschaftlichen Rechtsschutz im Jahr 2020

2020 setzen sich die Jurist*innen der Region West in über 22.000 Verfahren für Gewerkschaftsmitglieder ein. Im April 2020 hatte „Die Rheinpfalz“ Roland Oechsle, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH in Pirmasens, interviewt. Der Beratungsbedarf sei hoch, stellte dieser fest.
 
Die Arbeitsgerichtsbarkeit sei erstmals nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Bis auf Eilverfahren laufe nichts. Roland Oechsle erwartete damals schon vermehrt betriebsbedingte Kündigungen. Dort, wo es starke Gewerkschaften gebe, könne die Zahlung von Kurzarbeitergeld aber weiterhelfen. In Betrieben mit Mindestlohn sah er die Situation kritischer. Unternehmen mit Tarifvertrag zahlten demgegenüber Aufstockungen zum Kurzarbeitergeld.
 
Hier geht es zu unserem Artikel:

DGB Rechtsschutz GmbH in eigener Sache: Teamleiter Roland Oechsle im Interview
 

Gerichte laden die Kläger*innen zu einem großen Teil nicht mehr persönlich

Die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit funktioniert inzwischen wieder nahezu unbeeinträchtigt. Richter*innen laden die Kläger*innen zwar vermehrt nicht persönlich zum Gerichtstermin, entscheiden können sie aber auch so, wenn die Kläger*innen einverstanden sind.
 
Das Kurzarbeitergeld hat tatsächlich weitergeholfen. Tarifvertragsparteien einigten sich im letzten Jahr darauf, es aufzustocken. Das führte zu einer großen finanziellen Absicherung der Betroffenen insbesondere in tarifgebundenen Unternehmen.
 

Die Zahl der betriebsbedingte Kündigungen steigt noch nicht wesentlich

Letztlich hat sich in der täglichen Beratungspraxis dadurch gezeigt, dass die soziale Situation von Arbeitnehmer*innen (noch) erträglich ist. Beantragen Arbeitgeber Kurzarbeit, zahlt der Staat nach wie vor die entsprechende gesetzliche Leistung.
 
Deshalb verzeichnen wir bislang keine starke Erhöhung der Zahlen betriebsbedingter Kündigungen. Aber im Sozialrecht nahmen die Beratungs- und Verfahrenszahlen bis zum Jahresende 2020 durchaus schon zu. Das könnten erste Hinweise auf die anstehende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation Vieler sein.
 

Die Angst vor sozialem Abstieg wird größer

Die tägliche Beratungspraxis deutet darauf hin, dass die Angst der Menschen vor betriebsbedingten Kündigungen aber weiter zunimmt. Damit verbunden treten auch mehr Fragen zum Insolvenzrecht auf. Die Dauer und Höhe des Kurzarbeitergeldes, das Kinderkrankengeld und der Anspruch auf Arbeitslosengeld sind Themen, die an Bedeutung gewinnen.
 
Teamleiter Roland Oechsle kann auch dazu weiter berichten. Er berät verstärkt in Unternehmen, die Programme zum Ausscheiden älterer Mitarbeiter aufgelegt haben. Hier müsse er sehr genau auf die individuellen Situationen eingehen. Seine Mandant*innen wünschten vor allem eine Beratung zu den Konsequenzen eines Aufhebungsvertrages, etwaigen Sperrzeiten bei der Agentur für Arbeit oder über Möglichkeiten eines Rentenantrages.
 

Manchmal sind auch taktische Erwägungen notwendig

Manchmal sei es jedoch auch wichtig, taktische Überlegungen anzustellen, die Betroffenen für die Zukunft im Blick auf spätere Rentenansprüche helfen könnten. Dazu bedürfe es intensiver Beratungen im Einzelfall.
 

Konferenzen der Bundeskanzlerin mit den Länder führen zu vielen Fragen

Roland Oechsle berichtet auch über einen großen Bedarf an Beratungen im Anschluss an Konferenzen der Bundeskanzlerin mit den Länderchefs. Obwohl es unmittelbar nach diesen Konferenzen noch keine rechtlichen Grundlagen gebe, wollten Betroffene die angekündigten Modelle gerne erklärt haben.
 
Schließlich steige die Zahl der Fragen zum Insolvenzrecht. In seinem Bereich gelte das vor allem auch im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung. Ein Unternehmen vor Ort habe beispielsweise keine ausreichende Insolvenzsicherung des Wertguthabens für die Alterszeit vorgenommen. Die Vergütungsansprüche der Beschäftigten seien demzufolge nicht sichergestellt. Das gelte vor allem für die Zahlungen in der Freistellungsphase des Blockmodells.
 

Unternehmen fürchten um ihre Existenz

Die Wirtschaft sieht eine Gefahr drohender Insolvenzen. Arbeitgeber bewerten ihre Situation jetzt schon schwierig. Gut jeder zweite vom Lockdown betroffene Händler befürchtet nach einer Umfrage des Handelsverbandes Deutschlands (HDE) ohne weitere staatliche Hilfen das laufende Jahr nicht zu überstehen. 2021 drohe zum Katastrophenjahr zu werden. So wächst auch die Wut im Einzelhandel.
 
Dem Hotel- und Gaststättenbereich geht es nicht besser. Auch die gesamte Fitnessbranche steht still. Viele weitere Beispiele ließen sich finden. Allen gemein ist, dass Fixkosten trotz fehlender Einnahmen weiterlaufen. Selbst unter Berücksichtigung staatlicher Hilfen fällt den Unternehmen das Durchhalten schwer.
 

Die Zahl der Insolvenzen wird steigen

Droht Arbeitnehmer*innen 2021 eine Beschäftigungskrise? Vermutlich ja. Wird ein Betrieb zahlungsunfähig, kommt die Insolvenz. Jedes Unternehmen hat die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn es nicht mehr zahlungsfähig ist. Geschieht das nicht, kann das schwerwiegende Folgen haben. Insolvenzverschleppung ist in Deutschland strafbar.
 
Für die Zeit der Pandemie hat der Gesetzgeber  hier Vereinfachungen beschlossen. Schon im März 2020 setzte das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie die Antragspflicht aus. Das galt zunächst bis zum 30. September 2020 für alle Fälle, in welchen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eines Unternehmens auf den Folgen der Pandemie beruhte. Der Gesetzgeber verlängerte diese Regelung bis zum 31. Dezember 2020, aber nur für Unternehmen, die zwar überschuldet, aber noch nicht zahlungsunfähig waren.
 

Änderungen im Insolvenzrecht gelten weiter

Nun setzte der Gesetzgeber auch für Januar 2021 die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, weiter aus. Betroffen hiervon sind aber nur diejenigen Unternehmen, die einen Anspruch auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme haben. Dazu gehören nur die Betriebe, die die November- und Dezemberhilfen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie beantragt hatten.
 
Davon gibt es zwar einige, gesetzlich festgelegte Ausnahmen. Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, ist für ein Unternehmen jedoch nicht ausgesetzt, wenn offensichtlich keine Aussicht darauf besteht, Hilfeleistungen zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie zu erhalten.
 

Wir rechnen mit mehr Insolvenzanträgen

Unternehmen sind damit wieder verstärkt selbst in der Pflicht. Wir werden mit einer zunehmenden Zahl von Insolvenzanträgen rechnen müssen. Arbeitnehmer*innen können für die letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zahlung von Insolvenzgeld beantragen. Im Falle von Kurzarbeit dürfte es jedoch bei dem Kurzarbeitergeld bleiben.
 
Danach bleibt nur der Weg zur Agentur für Arbeit. Ändert sich die Wirtschaftslage nicht schnell, kann daraus leicht eine Spirale nach unten werden.
 

Der Zugang zu Grundsicherungsleistungen muss weiter erleichtert werden

Gewerkschafter*innen freut es in dieser Situation, wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine grundsätzliche Kurskorrektur des Harz-IV-Systems anstrebt. Er möchte die Sanktionen lockern, die zum Beispiel Meldeversäumnisse begleiten. Das hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert. Eine grundsätzliche Änderung wird der Minister politisch aber wohl nur schwer durchsetzen können.
 
Während der Corona-Krise hatte der Gesetzgeber den Zugang zur Grundsicherung erleichtert. Ersparnisse blieben zu einem höheren Betrag unberücksichtigt. Auch die Größe der Wohnung spielte keine Rolle. Die Politik wird sich für die Dauer der Pandemie kurzfristig auf weitere Erleichterungen in der Krise einigen können. Was ist jedoch, wenn die Corona-Pandemie offiziell für beendet erklärt wird?
 

In diesem Jahr wird es vermehrt betriebsbedingte Kündigungen geben

Steigen die Insolvenzanträge, schließen Unternehmen und kehren wir zu früheren Gesetzeslage zurück, wird es unweigerlich zu verstärkten betriebsbedingten Kündigungen kommen (müssen). Das setzt sich voraussichtlich auch in der sozialen Absicherung betroffener Arbeitnehmer*innen fort. Bleibt ein zügiger wirtschaftlicher Aufstieg aus, wird auch die arbeits- und sozialrechtliche Beratungspraxis immens an Fahrt aufnehmen.