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Ein Pflichtverstoß im Oktober 2021 - Die Abmahnung im Mai 2022
© Adobe Stock - Von pogonici Ein Pflichtverstoß im Oktober 2021 - Die Abmahnung im Mai 2022

Der 48-jährige Staplerfahrer wurde wegen der Abmahnung vom DGB Rechtsschutz Bad Kreuznach vertreten. Da der Arbeitgeber die Abmahnung “freiwillig“, also außergerichtlich, nicht zurücknehmen wollte, kam es zur Klage beim Arbeitsgericht Mainz, Auswärtige Kammer Bad Kreuznach. 

 

Ein Container wurde vertauscht

 

Der Kläger räumte ein, einen Container verwechselt zu haben. Als er seinen Vorgesetzten informieren wollte, sei ihm ein Arbeitskollege zuvor gekommen.

 

Der Arbeitgeber warf ihm aber vor, anschließend einen weiteren Container falsch eingelagert zu haben, um seinen Fehler zu vertuschen. Der Staplerfahrer war allerdings beim Betriebsrat, um die Angelegenheit zu klären, wo er die Info erhielt, man habe nur einen falsch eingelagerten Container gefunden. Letztlich blieb das zwischen den Parteien streitig.

 

Der Arbeitgeber berief sich auf seine Arbeitseinweisung für Staplerfahrer zum korrekten Ablauf bei der Einlagerung von Paletten in das Hochregallager. Der Kläger sei auch entsprechend geschult worden.

 

Ist die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen?

 

Ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ergibt sich aus zivilrechtlichen Vorschriften zur unerlaubten Handlung (§ 823 BGB) und dem Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB) in Verbindung mit dem Grundgesetz. Ein Anspruch ist insbesondere dann gegeben, wenn die Abmahnung den Sachverhalt unrichtig darstellt oder unzutreffende Bewertungen enthält. Das Gleiche gilt, wenn die Abmahnung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt. Denn man sollte nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, wie es so schön im Urteil heißt.

 

Das Arbeitsgericht bejaht einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Dabei musste es nicht aufklären, ob der Kläger nur durch eine falsche Einlagerung gegen die Arbeitsanweisung verstoßen hat, oder zur Vertuschung einen zweiten Container falsch einlagerte.

 

Das Gericht hält die Abmahnung aufgrund des Zeitablaufs für unverhältnismäßig

 

Zwar unterliege das Abmahnungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich keiner Frist wie die außerordentliche Kündigung, noch einer tariflichen Ausschlussfrist. Die im Gesetz für andere Rechtsinstitute vorgesehenen Ausschlussfristen könnten auch nicht in entsprechender Anwendung auf die Abmahnung ausgedehnt werden, da es sich bei der Abmahnung nicht um ein Gestaltungsrecht handele, sondern lediglich ein vertragliches Rügerechts ausgeübt werde.

 

Soweit folgt das Arbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es zitiert ein Urteil aus dem Jahr 1986 (5 AZR 70/84). Das BAG ist allerdings in dieser Entscheidung weiter der Auffassung, eine zeitliche Begrenzung, innerhalb der die Abmahnung auszusprechen sei, sei auch nicht aus der Zweckbestimmung der Abmahnung abzuleiten, Dem folgt das Arbeitsgericht ausdrücklich nicht.

Es beruft sich auf die Feststellungs-, Hinweis- und Warnfunktion einer Abmahnung. Im Interesse eines ordnungsgemäßen Vertragsvollzuges und zur Vorbeugung künftiger Pflichtverstöße, sei sehr wohl eine relativ zeitnahe Abmahnung erforderlich.

 

Das Arbeitsgericht Mainz widerspricht dem Bundesarbeitsgericht

 

Das BAG hatte in der zitierten Entscheidung spekuliert, die Bindung an eine Frist könne sich zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken, weil der Arbeitgeber dann gehalten sei, innerhalb der Frist eine Abmahnung auszusprechen, auch dann, wenn er dies unter Umständen unterlassen hätte.

 

Dieser vom BAG unterstellte Zwang bestehe für den Arbeitgeber auch dann nicht, wenn man eine relativ zeitnahe Abmahnung erfordere. Entweder sei ein Verstoß von so großem Gewicht, dass der Arbeitgeber dies nicht unkommentiert lassen will oder der Verstoß sei in seiner Ausprägung von minderer Qualität, so dass der Arbeitgeber hierauf nicht zwingend mit einer Abmahnung reagieren will. Weshalb dann der Arbeitgeber, ohne dass weitere Umstände auftreten, bei zunächst praktizierter Untätigkeit gezwungen sein würde, auch mindere Vertragsverstöße abzumahnen, erschließe sich nicht.

 

Regelmäßig werde ein Arbeitgeber bei “problematischen“ Arbeitnehmern eher geneigt sein, diese durch die Abmahnung auf Pflichtverstöße hinzuweisen, schon allein um sich die Möglichkeit einer verhaltensbedingten Kündigung offenzuhalten. Dies gelte erst recht, wenn die besagten Arbeitnehmer schwerere Verstöße gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen begehen.

 

Was bedeutet das in diesem Einzelfall?

 

Im vorliegenden Fall handele es sich nach der Darstellung der Beklagten um einen eher schwerwiegenden Verstoß, weil über den bloßen Fehler hinaus angeblich eine Vertuschungshandlung erfolgt sei, die weitere Fehler nach sich gezogen und mehr Aufwand für den Arbeitgeber bedeutet habe. Demgegenüber sei der Verstoß nach Lesart des Klägers zwar ärgerlich, aber von minderem Gewicht, da es jedenfalls durch ihn zu keiner weiteren Falscheinlagerung und falsch Dokumentation gekommen sei.

 

Das Gericht stellte auch darauf ab, dass der Kläger, wie es heißt, von robuster, geistiger Statur sei und dazu neige, alles was ihm nicht passe, infrage zu stellen. Als weiteren Umstand bewertete das Gericht, dass der Arbeitgeber den Kläger bereits in der Vergangenheit abgemahnt hat und zwischen dem Kläger und Arbeitskollegen persönliche Spannungen bestehen. Aus Sicht des Gerichts sei es deshalb äußerst unwahrscheinlich, dass der Arbeitgeber in diesem Fall bei angeblichen Vertuschungsversuchen zunächst sieben Monate ohne Reaktion bleibt, und dann eine Abmahnung ausspricht.

 

Es gab kein weiteres Fehlverhalten

 

Zu guter Letzt bewertete das Gericht, dass der Kläger offensichtlich in der Folgezeit derartige Verstöße nicht mehr begangen, also die Anweisungen sauber befolgt habe.

 

Vor diesem Hintergrund erscheine die erteilte Abmahnung angesichts des Zeitpunktes ihrer Erteilung als unverhältnismäßig und sei aus der Personalakte zu entfernen.