Da fehlt doch was, stellte die Pädagogin bei Durchsicht ihrer Unterlagen fest. Copyright by Adobe Stock/Robert Kneschke
Da fehlt doch was, stellte die Pädagogin bei Durchsicht ihrer Unterlagen fest. Copyright by Adobe Stock/Robert Kneschke

Seit 30 Jahren arbeitete die Klägerin als Pädagogin. Ihr Arbeitgeber war ein eingetragener Verein. Im Arbeitsvertrag hatten beide die Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrages und später die Anwendung der Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst vereinbart.
 

Die Beschäftigte im öffentlichen Dienst zahlen einen Eigenanteil zur Altersversorgung

Im Fall der Klägerin wich der Verein, bei dem sie beschäftigt war, von dieser Regelung ab. Er bezahlte durchgehend die vollen Beiträge zur Altersversorgung.
 
Ihr Arbeitsverhältnis ging später im Rahmen eines Betriebsübergangs auf das Land über. Der neue Arbeitgeber bezahlte nur noch die Beiträge zur Zusatzversorgung, zu denen er nach dem Tarifvertrag verpflichtet war.
 
Damit war die Pädagogin nicht einverstanden und beschritt gemeinsam mit ihren Prozessbevollmächtigten des DGB Rechtsschutzbüros Trier den Weg zum Arbeitsgericht. Sie forderte vom Arbeitgeber die Übernahme der vollen Beiträge für ihre Altersversorgung.
 

Das Gericht gab der Klägerin recht

Das Gericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass zwischen dem Tarifvertrag und der einzelvertraglichen Vereinbarung zu unterscheiden ist.
 
Gehe ein Betrieb durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so trete dieser in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein, die im Zeitpunkt des Übergangs bestehen. Geltende Tarifverträge würden Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem*der Beschäftigten. Tarifliche Bestimmungen dürften nicht vor Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil der Betroffenen abgeändert werden.
 

Die Regelungen zum Betriebsübergang sind nicht einschlägig

Das gelte generell für den Fall des Betriebsübergangs. Darum gehe es bei der Klägerin aber nicht. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages seien nicht einschlägig, wenn der Tarifvertrag nur laut Arbeitsvertrag Anwendung finde. Davon sei bei der Klägerin auszugehen.
 
Der frühere Arbeitgeber der Klägerin, der eingetragene Verein, sei nicht tarifgebunden gewesen. Die Anwendung des Tarifvertrages habe der Arbeitgeber mit der Klägerin nur im Arbeitsvertrag vereinbart.
 
Von diesem Tarifvertrag sei der Verein abgewichen. Statt der hälftigen Beiträge habe er durchweg den vollen Beitragssatz zur Altersversorgung für seine Beschäftigten übernommen.
 

Das Land tritt in die Pflichten des früheren Arbeitgebers

Es spiele keine Rolle, dass das Land und die Klägerin nun beide tarifgebunden seien. Die Beklagte treffe die Pflichten aus dem vorherigen Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Verein. Da der frühere Arbeitgeber der Klägerin von den Beiträgen zur Zusatzversorgung keine Eigenbeteiligung einbehielt, müsse dies auch das beklagte Land so handhaben.
 
Diese Regelung sei entweder eine betriebliche Übung oder eine Gesamtzusage gewesen, die beim früheren Arbeitgeber für alle Beschäftigten gegolten hätte. Die übertariflichen Zulagen, die der bisherige Betriebsinhaber gewährt habe, gehörten zu den Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, die mit dem Betriebsübergang auf den Betriebserwerber übergingen. Die arbeitsvertraglich geltenden Regelungen gingen dem Tarifvertrag vor, weil sie für die Pädagogin günstiger seien.
 
Nun muss das Land nachzahlen.
 

Hier geht es zum Urteil

Rechtliche Grundlagen

§ 613a BGB

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.
Fußnote
(+++ § 613a: Zur Anwendung im beigetretenen Gebiet vgl. BGBEG Art. 232 § 5 +++)