Mit Zugang des Rentenbescheides kam Bewegung ins Arbeitsverhältnis des Orthopädiemechanikers. © Adobe Stock: Gina Sanders
Mit Zugang des Rentenbescheides kam Bewegung ins Arbeitsverhältnis des Orthopädiemechanikers. © Adobe Stock: Gina Sanders

Ein bayerischer Orthopädiemechaniker hatte 2019 mit seinem Arbeitgeber eine Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung, u.a. auch derjenige über eine flexible Arbeitszeitregelung (TV FlexAZ).

 

Im TVöD heißt es:

 

„Das Arbeitsverhältnis endet ferner sofern der/dem Beschäftigten der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte eine Rente auf unbestimmte Dauer wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung erhält. (…)

Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages; frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung des Arbeitgebers über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung.“

 

Der TV FlexAZ bestimmt in diesem Zusammenhang:

 

„Das Arbeitsverhältnis endet unbeschadet der sonstigen tariflichen Beendigungstatbestände

a) mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, von dem an die/der Beschäftigte eine abschlagsfreie Rente wegen Alters beanspruchen kann oder

b) mit Beginn des Kalendermonats, für den die/der Beschäftigte eine Rente wegen Alters tatsächlich bezieht.“

 

Der Betroffene informierte den Arbeitgeber zunächst über die befristete Rente und legte anschließend den Dauerrentenbescheid vor. Letzterer veranlasste den Arbeitgeber dazu, das Entgelt aus der Altersteilzeit sofort und kommentarlos einzustellen.

 

Damit war der Mitarbeiter nicht einverstanden

 

Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht, in dem über weitere Gehaltszahlungen gestritten wurde, berief sich der Arbeitgeber auf die tariflichen Bestimmungen. Durch die Bewilligung der dauerhaften Erwerbsminderungsrente sei ein Störfall eingetreten, auf Grund dessen das Arbeitsverhältnis der Parteien automatisch ende.

 

Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht beendet, entschied das Arbeitsgericht Augsburg und folgte damit den Argumenten des DGB Rechtsschutzbüros Augsburg, dessen Jurist*innen den Kläger im Prozess vertraten.

 

Das Arbeitsverhältnis bestand fort

 

Ein Störfall liege vor, so das Arbeitsgericht, wenn ein im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen gebildetes Wertguthaben nicht entsprechend der getroffenen Vereinbarung für eine Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werde.

 

Die Bezeichnung eines Sachverhalts als Störfall stelle jedoch keinen eigenen Tatbestand für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dar. Der Störfall führe nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er setze vielmehr die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus.

 

Die Beklagte berief sich auf ein Urteil vom Juli 2022

 

Das Urteil des Landessozialgerichts München (LSG) vom 22. Juli 2022, auf welches sich die Beklagte im Verfahren berufe, führe nicht weiter. Das Landessozialgericht entscheide konsequenter Weise nicht über die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis geendet habe. Es setze dessen Beendigung voraus. Das LSG habe im Tatbestand des Urteils dazu festgestellt, dass „die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber am 23.02.2018 einen Aufhebungsvertrag [schloss]".

 

Das Arbeitsverhältnis habe auch nicht auf Grund tarifvertraglicher Bestimmungen geendet. Der Tarifvertrag gebe vor, dass das Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung des Arbeitgebers über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung ende.

 

Der Tarifvertrag spricht von einer auflösenden Bedingung

 

Die im Tarifvertrag genannte auflösende Bedingung meint, dass ein Rechtsgeschäft mit dem Eintritt einer Bedingung aufgelöst oder beendet wird. Ein auflösend bedingter Arbeitsvertrag endet beispielsweise mit Eintritt der auflösenden Bestimmung ohne dass es weiterer Handlungen bedarf.

 

Im Fall des Klägers weist das Gericht jedoch auf die Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) hin. Aus den §§ 21 und 15 Abs. 2 TzBfG ergebe sich, dass der Beendigungszeitpunkt schriftlich mitgeteilt werden müsse.

 

Eine entsprechende Mitteilung der Beklagten an den Kläger sei nicht erfolgt, sodass das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Vergütung nach dem Altersteilzeitvertrag von 2019.

 

Das sagen wir dazu:

Carmen Winter vom DGB Rechtsschutzbüro Augsburg vertrat den Kläger erfolgreich vor dem Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber habe es schlichtweg versäumt, das Arbeitsverhältnis für beendet zu erklären, erläutert sie. Der Störfall sei der Beklagten erst durch eine Benachrichtigung der Krankenkasse aufgefallen, worauf sie die Entgeltzahlungen kommentarlos eingestellt habe. Die notwendige Erklärung gebe es bis heute nicht. Die Beklagte habe während des gesamten Prozesses durchweg die Auffassung vertreten, der Rentenantrag müsse zurückgenommen werden. Dann würde sie auch weitere Entgeltzahlungen vornehmen. Da über die Rente jedoch bereits entschieden war, sei das rechtlich überhaupt nicht mehr möglich gewesen.

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 21 TzBfG; § 15 Abs. 2 TzBfG

§ 21 Auflösend bedingte Arbeitsverträge
Wird der Arbeitsvertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen, gelten § 4 Absatz 2, § 5, § 14 Absatz 1 und 4, § 15 Absatz 2, 4 und 6 sowie die §§ 16 bis 20 entsprechend.

§ 15 Ende des befristeten Arbeitsvertrages
(2) Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.