Der gelernte Kaufmann in der Holzverarbeitung war bislang mit gehobenen Tätigkeiten befasst – das sollte sich ändern. © Adobe Stock: auremar
Der gelernte Kaufmann in der Holzverarbeitung war bislang mit gehobenen Tätigkeiten befasst – das sollte sich ändern. © Adobe Stock: auremar

Der 38-jährige ausgebildete Speditionskaufmann arbeitete im Bereich Maschinen- und Anlagenbau in der Massivholzverarbeitung. Der Arbeitgeber hatte ihn als Sachbearbeiter Versand in der Abteilung „Service“ eingestellt. Seine Tätigkeit war in eine Entgeltgruppe eingruppiert, die Arbeiten nach allgemeinen Anweisungen und zum Teil auch selbständige Tätigkeiten in einem umgrenzten Sachgebiert forderte. Die dafür notwendigen Kenntnisse setzten eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus.

 

Der Arbeitsvertrag ließ die Übertragung anderer Aufgaben zu

 

Laut Arbeitsvertrag war der Arbeitgeber berechtigt, dem Betroffenen auch andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten zu übertragen. Der Arbeitgeber verfolgte allerdings das Ziel, sich vom Kläger zu trennen und hatte dazu bereits eine Kündigung ausgesprochen. Gegen diese Kündigung richtete sich eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hildesheim. Der Prozess lief noch.

 

Die Tätigkeit des Klägers hatte der Arbeitgeber zwischenzeitlich öffentlich ausgeschrieben. Entsprechender Bedarf bestand demnach fort. Den Gekündigten wies die Beklagte jedoch an, eine Arbeit in der Abteilung Finanzen und Personal als Sachbearbeiter für Datenpflege/IT-Verwaltung und Kostenauswertung aufzunehmen. Hinsichtlich der Eingruppierung und der Arbeitszeit ergäben sich keine Unterschiede.

 

Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Versetzung widersprochen. Um die Zustimmung stritten die Betriebsparteien ebenfalls vor dem Arbeitsgericht.

 

Der Kläger erstellte fortan im Wesentlichen Excel-Tabellen

 

Die bisherigen Aufgaben des Mitarbeiters als Sachbearbeiter im Versand/Export bestanden darin, den Export und Import der Produkte des Arbeitgebers sowie den Versand kaufmännisch zu bearbeiten. Diese Arbeit erforderte die Anwendung von Kenntnissen in Bezug auf verschiedene Exportrichtlinien und Gesetze der Verpackungsrichtlinien.

 

Die neu zugewiesene Tätigkeit beinhaltete demgegenüber eine zeitintensive Stammdatenpflege für den Versand und betraf Daten zu Gewichten, Warennummer oder Ursprung. Dem Kläger lagen Excel-Tabellen vor, in welchen Artikel aufgeführt waren, die noch keine Gewichte und Warennummern hatten. Diese musste er ermitteln und in das System einpflegen.

 

Er sollte des Weiteren Zeit- und Kostenaufstellungen für ein Projekt an Hand von Stundennachweisen aufstellen. Freiwillig installierte er mehrere PCs, war darüber hinaus aber auch für diverse Unterstützungsarbeiten im Bereich IT zuständig.

 

Der Kläger hielt die Versetzung für eine Maßregelung

 

Der Kläger übernahm die ihm zugewiesene Aufgabe vorläufig bis zur gerichtlichen Klärung. Zwischenzeitlich befand er sich in Elternzeit. Seiner Auffassung nach war die Versetzung unwirksam. Er hielt sich aufgrund des vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrens für gemaßregelt.

 

Die zugewiesene Tätigkeit sei nicht gleichwertig. Bei Übernahme des Arbeitsplatzes habe er weder einen eingerichteten Arbeitsplatz, eine erreichbare Mailadresse noch ein Telefon gehabt. Er habe fünf Tage lang lediglich PC und Laptops auspacken und installieren sollen. Unterstützt im Verfahren wurde er durch die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Hildesheim.

 

Die Beklagte rechtfertigte ihr Vorgehen mit einer betrieblichen Notwendigkeit. Sie könne den Kläger im Bereich Versand nicht weiter beschäftigen. Im Rahmen des Direktionsrechts sei sie befugt, dem Mann andere Aufgaben zuzuweisen.

 

So weit geht das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht

 

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Der Kläger habe einen Anspruch, wie bisher weiter beschäftigt zu werden. Die Beklagte habe das ihr zustehende Weisungsrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Das Gericht bezieht sich dabei auf § 106 Gewerbeordnung (GewO).

 

§ 106 GewO regelt für alle Arbeitsverhältnisse das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Es handelt sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers und ist einerseits notwendige Bedingung, um überhaupt vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. vom Status als Arbeitnehmer*in im arbeitsrechtlichen Sinn

ausgehen zu können.

 

Andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der zu erbringenden Arbeitsleistung. Es schafft damit die Voraussetzung dafür, dass Arbeitnehmer*innen diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann.

 

Der Arbeitgeber muss sein Weisungsrecht ausüben

 

Die Ausübung des Weisungsrechts stellt eine notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers dar. Der erforderliche Umfang der Weisung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Das Weisungsrecht umfasst nicht die Befugnis zur Versetzung auf einen Arbeitsplatz mit einer geringerwertigen Tätigkeit und zwar auch dann nicht, wenn die bisher gezahlte Vergütung fortgezahlt wird.

 

Der dem Kläger zugewiesene Arbeitsplatz könne nicht als arbeitsvertraglich zulässige Tätigkeit der Vergütungsgruppe des Klägers angesehen werden, entschied das Gericht. Die Ermittlung und Erfassung von Daten in das System des Arbeitgebers erfordere keine Kenntnisse und Fähigkeiten, die erst durch eine abgeschlossene Berufsausbildung erworben würden.

 

Der Kläger hatte eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen

 

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die dem Kläger übertragene, neue Aufgabe überhaupt eine kaufmännische Bewertung oder Herangehensweise erfordere. Das Ausfüllen von Excel-Tabellen stelle lediglich eine Anlerntätigkeit dar. Die angedachten Arbeiten im IT-Bereich seien im Übrigen bislang weder ausdrücklich übertragen noch inhaltlich ausreichend konkretisiert. Das Gericht vermöge des Weiteren nicht zu erkennen, dass diese Tätigkeiten der Berufsausbildung des Klägers als Speditionskaufmann entsprächen.

 

Es blieb damit beim Alten, wenngleich sich nach dem Kündigungsschutzprozess letztlich doch ein ganz anderes Ergebnis herausstellen könnte.

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 106 GewO

§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.