Ausbeutung pur! Für 147 Arbeits- und Bereitschaftsstunden wöchentlich, Vergütung für 30 Stunden. Copyright by Adobe Stock/ Alexander Raths
Ausbeutung pur! Für 147 Arbeits- und Bereitschaftsstunden wöchentlich, Vergütung für 30 Stunden. Copyright by Adobe Stock/ Alexander Raths

Eine bulgarische Staatsangehörige wurde auf Vermittlung einer deutschen Agentur, die mit dem Angebot „24 Stunden Pflege zu Hause“ wirbt, von ihrem in Bulgarien ansässigen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt. Sie sollte die Betreuung einer 96-Jährigen übernehmen. Arbeitsvertraglich war eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Der Betreuungsvertrag mit der zu versorgenden Dame beinhaltete eine umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaft leisten. Als Betreuungsentgelt wurde die Vergütung für 30 Stunden wöchentlich zu Grunde gelegt. Überdies war die Betreuungskraft verpflichtet, in der Wohnung der zu betreuenden Dame zu wohnen und zu übernachten.
 

Arbeitgeber bestreitet Arbeitszeiten der Klägerin

Mit ihrer Klage forderte die Betreuungskraft Vergütung von 24 Stunden täglich für mehrere Monate. Als Stundenlohn brachte sie den gesetzlichen Mindestlohn in Ansatz. Zur Begründung führte sie aus, dass sie in dieser Zeit von 6.00 Uhr morgens bis etwa 22.00/23.00 Uhr im Einsatz gewesen sei. Auch habe sie sich nachts bereithalten müssen, falls sie benötigt werde. Der Arbeitgeber bestritt die von der Klägerin behaupteten Arbeitszeiten und berief sich auf die arbeitsvertragliche Arbeitszeit.
 

Landesarbeitsgericht: Begrenzung der Arbeitszeit unwirksam

Ausgehend von einer täglichen Arbeitszeit von 21 Stunden hat das Landesarbeitsgericht (LAG) der Klägerin den von dieser geforderten Mindestlohn zugesprochen.
Zur Begründung hat das LAG ausgeführt, die Berufung des Arbeitgebers auf die vereinbarte Begrenzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden sei treuwidrig, wenn eine umfassende Betreuung zugesagt sei und die Verantwortung sowohl für die Betreuung als auch die Einhaltung der Arbeitszeit der Klägerin übertragen werde. Es sei Aufgabe des Arbeitgebers, die Einhaltung von Arbeitszeiten zu organisieren, was hier nicht geschehen sei. Die von dem Arbeitgeber angesetzte Zeit von 30 Wochenstunden sei für das zugesagte Leistungsspektrum unrealistisch. Die zuerkannte vergütungspflichtige Zeit ergebe sich daraus, dass neben der geleisteten Arbeitszeit für die Nacht von vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst auszugehen sei. Da es der Klägerin jedoch zumutbar gewesen sei, sich in einem begrenzten Umfang von geschätzt drei Stunden täglich den Anforderungen zu entziehen, sei eine vergütungspflichtige Arbeitszeit von täglich 21 Stunden anzunehmen.
 

Revision zugelassen

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
 
Hier geht es zur Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandburg vom 17.8.2020