Ohne Betriebsrente droht vielen die Altersarmut. © Adobe Stock: Marco2811
Ohne Betriebsrente droht vielen die Altersarmut. © Adobe Stock: Marco2811

2011 schloss der Kläger des Verfahrens einen Vertrag mit seinem früheren Arbeitgeber darüber ab, dass ein Teil seines Bruttolohns in einen Anspruch auf „die Verschaffung von Versicherungsschutz“ - wie es im Vertrag hieß – umgewandelt wird. Der Arbeitgeber seinerseits verpflichtete sich, Beiträge zu der hierfür abzuschließenden Rentenversicherung abzuführen. Im Anschluss daran schlossen beide eine Direktversicherung ab.

 

Die Höhe der Beiträge änderte sich im Laufe der Jahre

 

2018 erhöhte der Kläger seinen monatlichen Beitrag auf 248,- € und trat im Juli 2022 einem Versorgungswerk seines neuen Arbeitgebers bei, der den Betrieb des früheren Arbeitgebers übernommen hatte. Gleichzeitig verringerte er seine Monatsbeiträge zur Direktversicherung auf 30,- €. In dem beim Arbeitgeber bestehenden Versorgungswerk wandelte der Kläger 1,75 % seiner versorgungsfähigen Bezüge zugunsten der betrieblichen Versorgungszusage um. Der Arbeitgeber zahlte monatlich 3,5 %.

 

Der Streit begann damit, dass der Kläger der Auffassung war, für das erste halbe Jahr 2022 – also vor dem Beitritt zum Versorgungswerk – einen höheren Arbeitgeberzuschuss, nämlich 15 % seines früheren Betrages in Höhe von 248,- €, für die bisherige Direktversicherung beanspruchen zu können.

 

Er stütze sich dabei auf § 1a Abs. 1a Betriebliches Altersversorgungsgesetz (BetrAVG). Darin heißt es, dass der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten muss, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.

 

Der Kläger hielt sich mit seinem Antrag an die gesetzlichen Vorgaben

 

Ab Juli sollten es dann mit dem Beitritt zum Versorgungswerk monatlich 4,50 € sein. Sein Anspruch folge aus dem Gesetz. Ein im Unternehmen geltender Tarifvertrag, der dem gesetzlichen Anspruch entgegenstehe, sei nicht vorhanden. Zwar gebe es dort einen Tarifvertrag über die Entgeltumwandlung (TV Entgeltumwandlung); der sei aber letztmals vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG geändert worden und treffe keine Aussage zur gesetzlichen Regelung.

 

Der Arbeitgeber sah das anders. Er war der Auffassung, dass der Kläger die Zahlung des gesetzlich vorgesehenen Arbeitgeberzuschusses nicht verlangen könne, da der TV Entgeltumwandlung die Zahlung eines solchen Vorschusses nicht vorsehe.

 

Die gesetzliche Regelung sei mit dem Tarifvertrag ausgeschlossen. Dies lasse § 19 BetrAVG zu. Dort werde ausdrücklich klargestellt, dass von den Bestimmungen des § 1a BetrAVG durch Tarifvertrag abgewichen werden dürfe. So gestalte sich die Situation im Unternehmen. Dort gebe es den TV Entgeltumwandlung. Dieser spreche dem Kläger die gewünschte Zahlung nicht zu.

 

Der Arbeitgeber sah einen Eingriff in die Tarifautonomie

 

Die Sichtweise des Klägers laufe auf einen unzulässigen Eingriff in die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie hinaus. Die fehlende Regelung im Tarifvertrag zur Zahlung eines Zuschusses könne nur dahingehend verstanden werden, dass ein solcher nicht gezahlt werden solle. Den Tarifvertragsparteien sei nämlich bei der Änderung des TV Entgeltumwandlung der Gesetzentwurf zu § 1a BetrAVG, dem der Bundesrat 2017 zustimmte, bereits bekannt gewesen.

 

Hintergrund sei, dass in der Branche flächendeckend arbeitgeberfinanzierte Systeme zur betrieblichen Altersversorgung existierten, wie etwa das bei der Beklagten eingerichtete sehr großzügige Versorgungswerk. Zumindest müssten die Zuschüsse, die der Arbeitgeber dorthin leiste, auf die Forderungen des Klägers angerechnet werden.

 

Es kam zum Prozess

 

Vor dem Arbeitsgericht setzten die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Düsseldorf die Ansprüche ihres Mandanten erfolgreich durch.

 

Der Kläger wandele Entgelt im Sinne des § 1a BetrAVG um und führe dies an eine Direktversicherung ab, so die Richter*innen. Die zugrunde liegende Entgeltumwandlung stamme aus dem Jahr 2011. Sie sei deutlich vor 2019 abgeschlossen worden. Das habe zur Folge, dass die Zuschusspflicht für die beklagte Arbeitgeberin ab 1. Januar 2022 gelte.

 

§ 26a BetrAVG regele das nämlich verbindlich. § 1a Abs. 1a BetrAVG gelte für individual- und kollektivrechtliche Vereinbarungen über eine Entgeltumwandlung, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden seien, ab dem 1. Januar 2022.

 

Das hatte der Kläger in seinem Antrag berücksichtigt

 

Diese gesetzliche Bestimmung habe der Kläger in seinen Anträgen berücksichtigt und erst ab 2022 Leistungen geltend gemacht. Das Gesetz enthalte zwar – wie der Arbeitgeber zu recht meine – eine Öffnungsklausel. Danach dürften die Tarifvertragsparteien mittels Tarifvertrag von den Vorgaben des § 1a BetrAVG abweichen. Obwohl im Unternehmen ein Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung existiere, sei das jedoch nicht geschehen.

 

Um einen Tarifvertrag dem gesetzlichen Anspruch des § 1a Abs. 1a BetrAVG entgegenhalten zu können, müsse dieser eine eigenständige und abschließende Regelung zur Entgeltumwandlung enthalten, aus der sich ergebe, dass die Tarifvertragsparteien eine abweichende Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens und der Lasten der Entgeltumwandlung vereinbart hätten.

 

Sinn und Zweck des durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführten § 1a Abs. 1a BetrAVG sei, dass der Arbeitgeber, der durch die Entscheidung seiner Mitarbeiter*innen, Entgelt für die betriebliche Altersvorsorge umzuwandeln, Beiträge zur Sozialversicherung spare. Diese Ersparnis solle er an die Beschäftigten weiterreichen. Die Vorteile aus der beitragsrechtlichen Privilegierung von Beiträgen zur betrieblichen Altersvorsorge kämen also nach der gesetzlichen Wertung den Arbeitnehmer*innen zugute. Von dieser Entscheidung bzw. Wertung des Gesetzgebers dürften die Tarifvertragsparteien abweichen.

 

Vom Gesetz wichen die Tarifvertragsparteien nicht ab

 

Der TV Entgeltumwandlung im Unternehmen enthalte keine Abweichung. Er enthalte nicht einmal eine abschließende Regelung zur Entgeltumwandlung überhaupt. Es handele sich lediglich um eine Rahmenvereinbarung, die Eckpunkte festlege.

 

Der Tarifvertrag definiere den Begriff der Entgeltumwandlung und regele einen finanziellen Korridor, für den die Arbeitnehmer*innen ihren Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend machen könnten. Er schreibe fest, dass der Arbeitgeber zur Abgabe einer Rentenzusage verpflichtet sei, allerdings einseitig festlegen könne, welcher Durchführungsweg angeboten werde. Es gebe darüber hinaus eine Öffnungsklausel, wonach durch eine Betriebsvereinbarung Regelungen getroffen werden dürften, die von diesem Tarifvertrag abweichende Regelungen enthielten.

 

Es gebe auch weitere Bestimmungen. Der Tarifvertrag enthalte aber überhaupt keine Entscheidung darüber, ob die Arbeitnehmer*innen oder die Arbeitgeberseite von der beitragsrechtlichen Privilegierung profitieren solle.

 

Eine Abweichung war nicht vereinbart

 

Die Bestimmung des Betrieblichen Altersversorgungsgesetzes, womit von den Regelungen des § 1a BetrAVG durch Tarifvertrag abgewichen werden könne, sei demnach nicht einschlägig. Es bleibe deshalb bei der Anwendbarkeit von § 1a BetrAVG und der vom Kläger daraus errechneten Ansprüchen.

 

Der Kläger müsse sich auch die weiteren Zuschüsse, die der Arbeitgeber an das Versorgungswerk entrichte, nicht anrechnen lassen. Sie stünden in keinem rechtlichen Zusammenhang zu der Versorgungszusage, die die Beklagte dem Kläger im Jahre 2011 gegeben habe.

 

Das Gericht verstehe durchaus den Argumentationsansatz der Beklagten. Diese erbringe über das Versorgungswerk Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung des Klägers, die weit über die in § 1a Abs. 1a BetrAVG genannten Beträge hinausgingen. Deshalb sei ihre Ansicht, dass sie den Kläger durchaus hinreichend in Bezug auf seine Altersvorsorge unterstütze, nachvollziehbar.

 

Die Direktversicherung bestand schon zuvor

 

Der Konflikt zwischen den Parteien würde sich im Normalfall auch gar nicht stellen, da § 1a Abs. 2 BetrAVG einen Anspruch auf Entgeltumwandlung zusätzlich zu einer bestehenden Entgeltumwandlung ausschließe. Gäbe es die Direktversicherung also nicht bereits, könnte sich der Kläger nicht auf die früher von der Beklagten erteilten Zusage berufen, neben dem Differenzbetrag zwischen seinem Beitrag in das Versorgungswerk und der in § 1a Abs. 1 BetrAVG genannten Höchstgrenze zusätzlich in einer anderen Form eine betriebliche Altersversorgung zu erhalten. Die Besonderheit des Falles liege darin, dass diese Zusage erteilt worden sei und die Beklagte nunmehr daran gebunden sei.

 

Auch für diese Zusage gilt § 1a Abs. 1a BetrAVG

 

Dass die gesetzliche Zuschusspflicht lediglich für eine von mehreren Versorgungszusagen, die der Arbeitgeber abgegeben habe, gelten solle, lasse sich dem Gesetzestext nicht entnehmen. Für eine entsprechende Begrenzung der Zuschusspflicht habe von Seiten des Gesetzgebers auch gar keine Veranlassung bestanden.

 

Die Wertung, dass die Beitragsprivilegierung für umgewandeltes Entgelt allein der Arbeitnehmerseite zugutekommen solle, gelte unabhängig davon, wie viele Formen der betrieblichen Altersversorgung vom Arbeitgeber angeboten würden.

 

Hinsichtlich der Berechnung des Klägers hatte das Arbeitsgericht keine Bedenken und gab der Klage daher in vollem Umfang statt.

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 1 a Abs. 1 a BetrAVG; § 19 Abs. 1 BetrAVG; § 613 a BGB

§ 1a Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung
1a) Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.

§ 19 Allgemeine Tariföffnungsklausel
1) Von den §§ 1a, 2, 2a Absatz 1, 3 und 4, § 3, mit Ausnahme des § 3 Absatz 2 Satz 3, von den §§ 4, 5, 16, 18a Satz 1, §§ 27 und 28 kann in Tarifverträgen abgewichen werden.

§ 613 a BGB
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(…)