Eine konsequente Corona-Politik sieht anders aus. Schulen, Kitas, Kultureinrichtungen, Geschäfte und vieles mehr sind geschlossen. Aus gutem Grund. Gilt es doch, Kontakte so weit wie irgend möglich zu vermeiden. Warum dieser Grundsatz ausgerechnet für die Arbeitswelt nicht gelten soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Dessen ungeachtet stemmen sich zahlreiche Arbeitgeber immer noch dagegen, Homeoffice als wirksame Waffe gegen das Corona-Virus einzusetzen.

DGB bezieht Position

Reiner Hoffmann gab der Süddeutschen Zeitung am 11. Januar 2021 ein Interview. Darin weist der DGB-Vorsitzende zunächst darauf hin, dass Arbeitsminister Heil einen Gesetzesentwurf vorbereitet hatte, der einen Anspruch auf Homeoffice vorsah. Diesen Entwurf hat der Seniorpartner der großen Koalition blockiert. Mit Unterstützung der FDP setzte die CDU vielmehr auf Freiwilligkeit und den guten Willen der Arbeitgeber. Hoffmann formuliert es plastisch:
 „Heil ist von der Kanzlerin zurückgepfiffen worden.“
 
Dann wird der Gewerkschafter deutlich:
 „Wir fordern einen Rechtsanspruch auf Homeoffice  - jedenfalls da, wo es machbar ist. Es kann nicht sein, dass die Arbeitgeber allein darüber entscheiden.“
 
Bei der Rheinischen Post geht Hoffmann darüber hinaus mit den Arbeitgebern ins Gericht:
„Fakt ist, dass viele Unternehmen und Verwaltungen auch dort, wo es gut möglich wäre, kein Homeoffice anbieten. Offenbar liegt dies an einem antiquierten Führungs- und Kontrollverhalten.“
 

IG Metall und Ver.di sind der gleichen Ansicht

Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied bei der IG Metall, erklärt:
„Die Pandemie macht vor den Werkstoren und Büros nicht halt.“
Deshalb hält er klare Vorgaben zur Nutzung des Homeoffice für dringend geboten:
„Appelle an die Arbeitgeber allein genügen nicht. Homeoffice muss überall eingesetzt werden, wo es möglich ist.“
 
Ver.di-Chef Frank Werneke verlangt von der Bundesregierung ebenfalls, verbindliche Regelungen zu schaffen. Es sei die Pflicht der Arbeitgeber, für einen möglichst wirksamen Infektionsschutz zu sorgen. Dazu gehöre in der jetzigen Phase der Pandemie das Arbeiten von daheim aus,  „wo immer das möglich ist.“
 

Das sagt die Politik dazu

Die CDU verharrt  - in trauter Einigkeit mit der FDP  - in ihrer Blockadehaltung. Stattdessen setzt sie auf Freiwilligkeit im Arbeitgeberlager. Dort scheint sich allerdings noch nicht herumgesprochen zu haben, dass Arbeiten im Home- office auch für Arbeitgeber durchaus positive Folgen hat.
Die SPD lehnte sich zunächst komfortabel zurück: Wir würden ja gerne, aber die CDU lässt uns ja nicht. Allerdings drängt Arbeitsminister Heil weiter darauf, Arbeitnehmer*innen einen Anspruch auf Homeoffice zu gewähren. Er will dazu mit erneuten Gesprächen die Bereitschaft der Arbeitgeberseite erhöhen. Ob solche Gespräche Erfolg haben und sich die Ergebnisse gegebenenfalls auf die Haltung des Koalitionspartners auswirken, bleibt  - mit einer gewissen Skepsis  - abzuwarten.
Für die Grünen fordert ihre Fraktionsvorsitzende Göring-Eckhardt ein Recht auf Homeoffice für Arbeitnehmer. Wo Arbeitgeber uneinsichtig seien und ohne Grundpräsenz am Arbeitsplatz einforderten, müsse „mit Bußgeldern Druck gemacht“ werden.
 

Das sagt die Wissenschaft dazu

Die Hans-Böckler-Stiftung erforscht seit vielen Jahren die Möglichkeiten, die mobile Arbeit bietet. Im Januar 2021 hat die Stiftung einen aktualisierten Überblick über ihre Untersuchungen herausgegeben.

Dabei wartet sie zunächst mit einer Überraschung auf. Im April 2020 (erster Lock-down) haben 27 % der repräsentativ befragten Arbeitnehmer*innen ausschließlich oder überwiegend zu Hause gearbeitet. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass dieser Prozentsatz im November 2020 (Lock-down light) höher wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Nur noch lediglich 14 % waren überwiegend oder ausschließlich zu Hause beschäftigt.

Auf zwei interessanten Aspekte weist auch eine weitere Studie der Uni Mannheim aus dem Dezember hin.

 

Zum einen:

 

Bereits "ein Prozentpunkt mehr Arbeitnehmer im Homeoffice kann die Infektionsrate um bis zu 8 Prozent verringern", schreiben die Autoren. Studienautor Harald Fadinger, Professor für VWL und Business Economics an der Universität Mannheim, erklärt im Gespräch mit ZDFheute:


"Hätten wir eine so hohe Quote an Homeoffice wie im Frühjahr, dann hätten wir die Hälfte an Infektionen in Deutschland. Wir hätten also maximal eine Inzidenz von 80 in Deutschland - statt 160 wie im Moment."

 

Und:

 

Die Zeit, die Arbeitnehmer*innen durch das Arbeiten zu Hause gewinnen, setzen Frauen und Männer ganz unterschiedlich ein. Während Frauen im Homeoffice im Schnitt 3 Stunden pro Tag für die Betreuung der Kinder einsetzen, nutzen Männer die „gesparte“ Zeit, um Überstunden zu machen.
Mit den Problemen von Homeoffice aus der Sicht von Arbeitnehmer*innen beschäftigt sich eine andere Untersuchung. Hier sagen zwar 77 % der Befragten, Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichzeitig sind aber 60 % der Auffassung, Homeoffice verwischen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Und 45 % sind der Meinung, es falle schwer, nach Feierabend richtig abzuschalten.

Auffällig ist, dass die Zufriedenheit mit dem Homeoffice davon abhängt, ob sie im Detail vertraglich geregelt ist. In diesem Zusammenhang geht es vor allen Dingen um zeitliche Obergrenzen, Zeiterfassung, ein realistisches Arbeitspensum sowie ausreichende Mitbestimmungsmöglichkeiten. Aus diesen Gründen überrascht es nicht, wenn Betriebe mit Betriebsrat häufiger die Möglichkeit zum Homeoffice anbieten.

Vollständiger Beitrag des zdfheute dazu vom 12.01.2021"Studie zu Wirtschaft und Corona: - Mehr Homeoffice könnte Infektionen halbieren" 
Forschungsüberblick der Hans-Böckler-Stiftung
Eine weitere  - allerdings englischsprachige  - Studie zum Thema Homeoffice

Das sagen wir dazu:

Ein Anspruch auf Homeoffice ist angesichts der konstant sehr hohen Infektionszahlen eine ebenso notwendige wie geeignete Maßnahme. Deshalb sind alle Bestrebungen nach Kräften zu unterstützen, die auf einen solchen Anspruch hinwirken. Warum der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Siegfried  Russwurm angesichts der Infektionszahlen und der damit verbundenen Einschränkungen weiterhin einen Anspruch auf Homeoffice strikt ablehnt, ist in keiner Weise nachzuvollziehen.

Dessen ungeachtet birgt ein ungeregeltes Arbeiten im Homeoffice aber auch Gefahren für Arbeitnehmer*innen. Wer zu Hause arbeitet, riskiert, dass Arbeits- und Freizeit nicht mehr sauber zu trennen sind. Außerdem leiden Familienleben und Freizeitaktivitäten unter der ständigen Erreichbarkeit, die mit dem Homeoffice häufig verbunden ist. So kann es zur Selbstausbeutung von Arbeitnehmer*innen kommen.

Die Konsequenz aus diesen Gefahren darf aber nicht sein, Arbeiten im Homeoffice zu reduzieren oder unmöglich zu machen. Vielmehr ist durch entsprechende gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass ein Arbeiten zu Hause nicht zu einer Mehrbelastung von Arbeitnehmer*innen führt.