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Wer dauerhafte Gesundheitsstörungen hat, die sich auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken, kann diese als Behinderung feststellen lassen.
Maßgeblich ist immer die Auswirkung der Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Es kommt also nicht auf das Bestehen einer Krankheit bzw. auf die Diagnose an sich an, sondern darauf, ob und wie man durch die Krankheit in seinem alltäglichen Leben im Vergleich zu einem gesunden Menschen eingeschränkt ist.
Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei wird jede einzelne Funktionseinschränkung bewertet. Maßstab sind die Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, festgehalten in der Versorgungs-Medizin-Verordnung.
Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt.
Oft liegt mehr als eine Gesundheitsstörung vor. Die Frage ist dann, wie die einzelnen Behinderungen in ihrer Gesamtheit zu bewerten sind. Hier kommt es immer wieder zu Irritationen bei den Betroffenen.
Die Ausgangslage zeigt § 152 Absatz 3 Sozialgesetzbuch IX auf. Dort heißt es:
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Es kommt also auf die Gesamtauswirkungen sämtlicher Funktionsbeeinträchtigungen an. Die Einzel-GdB-Werte haben keine eigenständige Bedeutung, sondern sind Messgrößen für mehrere gesundheitliche Einschränkungen, die zugleich vorliegen. Nach der Rechtsprechung gehen sie restlos in der Gesamtbeurteilung des GdB auf.
Ausgangspunkt bei der Bildung des Gesamt-GdB ist die Funktionsstörung, die den höchsten Einzel-Wert hat (führende Behinderung).
Sodann ist im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit sich hierdurch das Ausmaß der Behinderung vergrößert.
Eine Addition der einzelnen Werte findet nicht statt. Auch andere rechnerische Modelle hat das Bundessozialgericht (BSG) für unzulässig erklärt.
Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Verstärkung der Gesamtbeeinträchtigung. Das gilt nach dem BSG auch, wenn mehrere leichte Gesundheitsstörungen vorliegen. Es ist danach denkbar, dass man viele Einzelwerte von 10 hat, die alle bei der Bildung des Gesamt-GdB außer Acht zu lassen sind.
Eine Erhöhung als Ausnahmefall kommt nur in Betracht, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt.
Schwierig wird es, wenn neben der führenden Funktionseinschränkung eine oder mehrere Gesundheitsstörungen mit einem GdB von mindestens 20 vorliegen.
Das BSG hat hier einen Grundsatz aufgestellt. Danach erhöhen Einzel-GdB-Werte von wenigstens 20 den Gesamt-GdB nicht stets um wenigstens 10 Punkte. Wenn es weitere Gesundheitseinschränkungen gibt, erhöhen diese also den Gesamt-GdB nicht automatisch.
Es hat immer eine Gesamtbetrachtung aller Einzelbehinderungen stattzufinden. Das Gericht hat dies im Rahmen tatrichterlicher Einschätzung zu ermitteln, wobei auch allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt werden können.
Dreh- und Angelpunkt ist im Einzelfall immer, wie sich die Einschränkungen zueinander verhalten.
So können sich Gesundheitsstörungen überschneiden und den gleichen Lebensbereich betreffen. Wenn zum Beispiel das Gehen schon durch eine ausgeprägte Hüftarthrose stark eingeschränkt ist, wird eine leichtere Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule das Ausmaß der Behinderung in diesem Bereich nicht wirklich ändern. Ähnliches kann für Herz- und Lungenerkrankungen gelten, die sich jeweils auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Wenn schon eine der Erkrankungen so stark ausgeprägt ist, dass sich die andere nicht mehr besonders auswirkt, ist der GdB nicht oder nur gering zu erhöhen.
Tritt eine Erkrankung hinzu, die einen anderen Lebensbereich betrifft, liegt keine Überschneidung vor. Ein Beispiel wäre hier eine Hörminderung, die den Bereich Kommunikation betrifft und zu Bewegungsstörungen hinzutritt.
Im Rahmen der Gesamtbeurteilung ist weiter zu prüfen, ob sich einzelne Behinderungen gegenseitig verstärken oder nicht.
Dafür ist zu schauen, ob sich die Funktionseinschränkungen ungünstig beeinflussen. Das ist zum Beispiel zu bejahen, wenn neben einer Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule eine Funktionsstörung der Kniegelenke vorliegt. Denn wer es „im Rücken hat“, sollte Kraft und Bewegung aus den Knien holen. Wenn auch die Knie in ihrer Beweglichkeit und Belastbarkeit eingeschränkt sind und die erforderliche Kompensation des Rückenleidens über die Knie nicht möglich ist, beeinflussen sich die einzelnen Behinderungen negativ.
Ein nachteiliges Auswirken einzelner Störungen ist zu bejahen, wenn neben einer Sehminderung das Gehör eingeschränkt ist.
Eine verstärkende Wechselwirkung wurde hingegen von einem Sozialgericht verneint bei einer Behinderung im Funktionssystem Ohren und einer leichtgradigen Behinderung im Funktionssystem Rumpf.
Insgesamt ist die Bewertung einzelner Funktionseinschränkungen komplex und die Bildung des Gesamt-GdB immer vom Einzelfall abhängig.
Die zuständige Behörde hält ihre Gesamtbewertung in einer gutachtlichen Stellungnahme fest. Dort ist vermerkt, wie sie welche Beeinträchtigungen und wie den Gesamt-GdB bewertet hat. Eine Überprüfung durch Fachkundige, wie den DGB Rechtsschutz vor Ort, ist immer empfehlenswert.
LINKS:
Hier geht es zum Gesetzestext des § 152 SGB IX in der ab 1.1.18 geltenden Fassung
Ratgeber für Menschen mit Behinderung: Was bringt mir welcher GdB?
Allgemeine Fragen zur Schwerbehinderung beantworten wir im Ratgeber/Fragen und Antworten
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