Reinhard Vorbau, Geschäftsführer der DGB Rechtsschutz GmbH begrüßte mehr als 150 Teilnehmer*innen, die sich bundesweit in allen drei Instanzen der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit als ehrenamtliche Richter*innen engagieren. Er machte deutlich, dass ihre Arbeit für die Fortentwicklung des Rechts enorm wichtig sei: „Wir benötigen Menschen, die sich für die Fortbildung des Rechts einsetzen, dazu sind Leute aus der Praxis nötig“.
Nach der Begrüßung begannen die Fachvorträge.
Wichtige arbeits- und sozialrechtliche Vorhaben der Bundesregierung
Die Leiterin der Abteilung Recht beim DGB Bundesvorstand Dr. Nadine Absenger berichtete über zahlreiche Vorhaben der Bundesregierung, die der Koalitionsvertrag beinhaltet. Schwerpunkte bildeten dabei geplante Einschränkungen der Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverhältnissen sowie ein Rechtsrahmen für neue Arbeitsformen wie etwa Cloudworking. Im Bereich des Sozialrechtes sprach die Referentin insbesondere die Grundrente und eine Weiterentwicklung des gesetzlichen Unfallschutzes an.
Ausschlussfristen, Verjährung und Verwirkung
Martin Bauer vom Vorstand der IG Metall, Ressort Arbeits- und Sozialrecht, machte deutlich, dass selbst berechtigte Forderungen verfallen können, wenn Arbeitnehmer*innen sie nicht rechtzeitig geltend machen. Ausschlussfristen finden sich entweder in Arbeitsverträgen oder in einem Tarifvertrag. Ausschlussfristen, die in Formular-Arbeitsverträgen stehen, seien häufig nicht wirksam. Die entsprechenden Regelungen stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Deren Wirksamkeit können Gerichten überprüfen. Anders verhalte es sich aber bei den Ausschlussfristen, die in einem Tarifvertrag geregelt seien.
Außerdem wies Martin Bauer darauf hin, dass der Arbeitgeber sich ausdrücklich auf die Verjährung berufen müsse, während Ausschlussfristen von Amts wegen zu beachten seien.
Nichtzulassungsbeschwerde und Revision
Angelika Kappeler (für das Arbeitsrecht) und Thomas Kohlrausch (für das Sozialrecht) vom Zentrum für Revision und europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH führten aus, was mit einem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder -sozialgerichts in der Revisionsinstanz passiert. Dabei gibt es schon im zweitinstanzlichen Urteil die entscheidende Weichenstellung: Wenn das zweitinstanzliche Gericht die Revision zugelassen hat, geht das Verfahren direkt vor dem Bundesarbeitsgericht oder Bundessozialgericht weiter. Wenn das nicht der Fall ist, kann nur eine so genannte Nichtzulassungsbeschwerde erreichen, dass die Revision zugelassen wird. Die beiden Prozessbevollmächtigten beschrieben detailliert, wie mühselig diese Prozedur ist. Mit einer Erfolgsquote von über 13 % an zugelassenen Revisionen sind sie aber noch deutlich erfolgreicher als ihre Konkurrenz aus dem anwaltlichen Bereich. Beide wiesen darauf hin, dass es im Revisionsverfahren nur auf die Klärung von Rechtsfragen ankommt, eine neue Beweiserhebung oder eine Tatsachenermittlung findet nicht mehr statt.
Abendprogramm
Nach den Fachvorträgen und dem gemeinsamen Abendessen trafen sich die Teilnehmer*innen zu einer Führung durch Erfurt. Dabei bestand die Möglichkeit zum Austausch untereinander ebenso wie bei den „Pausengesprächen“ im Laufe des Nachmittags.
Ehrenamtliche Richter*innen als wesentlicher Teil der deutschen Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit
Anstelle der erkrankten Micha Klapp stellte der Moderator der Tagung, Peter Voigt, Abteilungsleiter Arbeits- und Sozialrecht bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), eine aktuelle Studie des Zentrums für Sozialforschung Halle e.V. vor. Dabei richteten sich die Fragebogen an ehrenamtliche Richter innen der Arbeits-und Sozialgerichte in mehreren Bundesländern. Das Ergebnis: Fast 2/3 der Befragten sehen ihre Tätigkeit als sinnvoll, wichtig und als eine Bereicherung für sich selbst an. Allerdings gibt es auch Kritikpunkte: so sind viele der Meinung, dass zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um sich auf die Verfahren vorzubereiten. Außerdem wünschten sich die Richterinnen mehr Entlastung durch den Arbeitgeber durch bessere Vorgaben für eine Freistellung sowie eine Änderung der veralteten Regelungen zur Aufwandsentschädigung. Fazit des Referates war, dass ehrenamtliche Richter*innen für die Arbeit-und Sozialgerichtsbarkeit wichtig sind, da sie praktische Kenntnisse in das Verfahren einbringen. Andernfalls würden ausschließlich Berufsjuristen urteilen.
Union Busting
Isaf Gün, Juristin im Hauptvorstand der IG Metall, stellte in ihrem Beitrag, der großes Interesse fand, die zahlreichen Methoden dar, mit denen Arbeitgeber versuchen, Betriebsratsmitglieder bzw. Mitglieder des Wahlvorstands einzuschüchtern und aus dem Betrieb zu entfernen. Wie wenig zimperlich sie dabei vorgehen, machte die Referentin an zahlreichen Beispielen aus der Praxis deutlich: Arbeitgeber behindern den Wahlvorstand, diffamieren Mitglieder des Wahlvorstandes und kündigen Betriebsratsmitglieder unter den fadenscheinigsten Gründen.
Auch größere Unternehmen wie die Meyer Werft, Hyundai und Enercon sind sich nicht zu schade, auf solche Methoden zurückzugreifen, um ihre Betriebe „betriebsratsfrei“ zu halten. Dabei können sie auf Rechtsanwaltskanzleien oder externe Berater zurückgreifen, die sich darauf spezialisiert haben. Isaf Gün machte jedoch auch klar, dass es Möglichkeiten gibt, sich dagegen zu wehren. Ihr Motto: verbunden werden auch die Schwachen mächtig.
Arbeitnehmerdatenschutz im ersten Jahr nach Inkrafttreten der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DGSVO)
Professor Dr. Strassner von der technischen Hochschule Wildau wies darauf hin, dass das Europarecht beim Datenschutz der Arbeitnehmer*innen überragende Bedeutung habe. Die DGSVO sei eine Verordnung der Europäischen Union und gelte unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Sie sei am 25. Mai 2018 in Kraft getreten. Seit demselben Datum gelte auch das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
Nach derzeit geltendem Recht könne man anhand von vier Fragen prüfen, ob und inwieweit ein Arbeitgeber Daten von Beschäftigten erfassen dürfe:
- Ist das Interesse des Arbeitgebers an den Daten legitim?
- Ist die beabsichtigte Maßnahme des Arbeitgebers geeignet?
- Gibt es eine geeignete Maßnahme, die weniger intensiv in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift?
- Kann man die beabsichtigte Maßnahme der*m Arbeitnehmer*in rechtlich zumuten?
Mit der 4. Frage werde insbesondere überprüft, ob die Maßnahme, die der Arbeitgeber beabsichtigt, dem Unionsrecht entspreche. Prof. Strassner erinnerte an ein Urteil des BAG vom Juni 2012. Nach dieser Entscheidung sei es Arbeitgebern erlaubt gewesen, ohne die eigentlich im Gesetz vorgeschriebene Kennzeichnung Überwachungskameras aufzustellen, um sein vom Grundgesetz garantiertes Eigentum zu schützen. Ein solches Urteil wäre nach der heute geltenden Rechtslage nicht mehr möglich, so Prof. Strassner.
Autoren
- Sabine Schech
- Dietmar Christians
- Michael Wanner