Ist ein Betriebsratsmitglied nur als Teil der Belegschaft betroffen, ist es nicht wegen eines Interessenkonflikts an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert.
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Ist ein Betriebsratsmitglied nur als Teil der Belegschaft betroffen, ist es nicht wegen eines Interessenkonflikts an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert. Copyright by Robert Kneschke/Fotolia

Ist ein Mitglied des Betriebsrats zeitweilig verhindert, rückt ein Ersatzmitglied nach (§ 25 BetrVG).
 

Verhinderung kann nicht nur tatsächlicher, sondern auch rechtlicher Natur sein

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) setzt eine zeitweilige Verhinderung
nicht zwingend eine tatsächliche Verhinderung des Betriebsratsmitglieds voraus. Vielmehr kann es auch aus rechtlichen Gründen zeitweilig an der Wahrnehmung seines Amts verhindert sein.
 
Wie das BAG wiederholt entschieden hat, ist ein Betriebsratsmitglied grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen bei Maßnahmen und Regelungen, die es individuell und unmittelbar betreffen.
 

Betriebsratsmitglieder sind Teil der repräsentierten Belegschaft

Hier muss man genau differenzieren. Denn jedes Betriebsratsmitglied ist auch Arbeitnehmer und Teil der Beschäftigten, deren Interessen der Betriebsrat vertritt. Eine mehr oder weniger starke Betroffenheit der Betriebsratsmitglieder durch Entscheidungen des Betriebsrats ist daher nicht selten.
 
Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, gilt dieser Grundsatz: Es wird erwartet, dass sich die Mitglieder des Betriebsrates bei den Entscheidungen nicht von persönlichen Interessen leiten lassen. Von seinem Amt auszuschließen ist ein Mitglied deshalb erst dann, wenn typischerweise davon ausgegangen werden muss, dass das es sein Amt wegen seiner persönlichen Interessen nicht mehr mit der erforderlichen Unabhängigkeit wahrnehmen kann.

 

Unabhängigkeit ist nicht gewahrt bei persönlicher, direkter Betroffenheit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) geht davon aus in den Fällen der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds.
 
Ist das Betriebsratsmitglied nur als Teil der Belegschaft betroffen, fehlt es an einer individuellen Betroffenheit.
 
Eine unmittelbare Betroffenheit liegt nicht vor, wenn mit der Maßnahme oder Regelung
nur mittelbare Auswirkungen, Reflexe oder die Steigerung oder Verringerung tatsächlicher
Chancen und Aussichten verbunden sind, so das BAG.
 

Betroffenheit bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

Für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen hat das BAG wie folgt entschieden: Von einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds könne regelmäßig nur dann gesprochen werden, wenn das Betriebsratsmitglied gerade die Person ist, auf
die sich das Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers unmittelbar richtet.
 
Gehört ein Betriebsratsmitglied zu einer Gruppe von Mitbewerbern, aus welcher der Arbeitgeber eine andere Person ausgewählt hat, genügt dies regelmäßig nicht für einen Ausschluss.

 

Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, wo sich auf eine interne Stellenausschreibung vier Arbeitnehmer*innen bewarben, darunter ein Mitglied des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Mitbewerbers auf die ausgeschriebene Stelle. Der Betriebsrat fasste den Beschluss, der beabsichtigten Versetzung zu widersprechen. An der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats nahm auch das Betriebsratsmitglied teil, das sich auf die Stelle beworben hatte. Ein Ersatzmitglied war nicht geladen worden.
 
Die Arbeitgeberin klagte. Das Betriebsratsmitglied habe wegen eigener Betroffenheit an der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats nicht teilnehmen dürfen. Dessen Beschluss sei daher unwirksam und die Zustimmung zur personellen Einzelmaßnahme gelte als erteilt.

 

Betriebsratsmitglied ist als Mitbewerber nicht von der Beschlussfassung ausgeschlossen

Diese Ansicht teilte das BAG nicht. Der Betriebsrat habe seine erforderliche Zustimmung wirksam verweigert (BAG, Beschluss vom 24. April 2013, 7 ABR 82/11).
 
Das Fazit aus der Entscheidung: Nur, weil ein Betriebsratsmitglied sich selbst auch auf eine Stelle beworben hat, ist es nicht von der Beschlussfassung des Betriebsrats zum Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Versetzung eines Arbeitnehmers ausgeschlossen.

 

Betriebsratsmitglied ausgeschlossen bei eigener Kündigung und Herabgruppierung

Eine Interessenkollision hat das BAG bejaht bei dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds und bei einer den Amtsträger individuell und unmittelbar betreffenden Herabgruppierung.
 
Es hat hingegen eine Interessenkollision verneint im Falle der Eingruppierung einer Mitarbeiterin, die als Vergleichsperson für das Entgelt eines freigestellten Mitglieds des Betriebsrats benannt war. Denn von der Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens habe das Betriebsratsmitglied keinen unmittelbaren Vorteil erlangen können (BAG, Beschluss vom 10. November 2009, 1 ABR 64/08).
 
Achtung:
Wirkt das betroffene Betriebsratsmitglied trotz einer bestehenden Interessenkollision an der Beratung oder Beschlussfassung in einer eigenen Angelegenheit mit, leidet der Betriebsratsbeschluss an einem erheblichen Mangel und ist unwirksam. Der Betriebsrat sollte sich also im Vorfeld überlegen, ob ein Mitglied persönlicher betroffen ist und wegen rechtlicher Verhinderung ein Ersatzmitglied nachzurücken hat.
 
 
LINKS:
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 24. April 2013, 7 ABR 82/11

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