1. Was ist ein Warnstreik?

Der Warnstreik unterscheidet sich von einem „echten“ Streik nur dadurch, dass ihm kein endgültiges Scheitern der Verhandlungen und keine Urabstimmung vorausgegangen sind. Während der „echte“ Streik der Erzwingung eines Tarifvertrages dient, soll mit Warnstreiks lediglich die allgemeine Streikbereitschaft deutlich gemacht werden. 

  • Warnstreiks sind zulässige Mittel des Arbeitskampfes.

Das hat das Bundesarbeitsgericht schon seit langem in einer grundlegenden Entscheidung festgestellt (BAG, Urteil vom 21.06.1988 [AZR 1 AZR 651/86]). 

Alle Fragen, die die grundsätzliche Rechtmäßigkeit eines Streiks oder einzelner Streikmaßnahmen betreffen, sind für den Warnstreik nicht anders zu beantworten, als für den „echten“ Erzwingungsstreik.

2. Warum darf ich streiken?

Wer streikt, kann sich direkt auf das Grundgesetz berufen. Nach Art. 9 III S. 1 GG ist das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und für alle Berufe gewährleistet („Vereinigungsfreiheit“). Die Rechtsstellung der Gewerkschaften ist hier verankert.

Die Vereinigungsfreiheit wäre aber nichts wert, wenn die Gewerkschaften nicht in der Lage wären, ihre Interessen mit Nachdruck zu fordern. Deshalb erfasst der grundrechtliche Schutz auch die Möglichkeit des Streiks, also der kollektiven Arbeitsniederlegung. Wäre dies anders, wären die Gewerkschaften auf „kollektives Betteln“ (so das Bundesarbeitsgericht [BAG] in seinem Urteil) angewiesen, was nicht im Sinne des Grundgesetzes ist.

3. Darf ich also nur streiken, wenn ich Gewerkschaftsmitglied bin?

Nein, jeder darf streiken, auch wenn er nicht in einer Gewerkschaft organisiert ist. Entscheidend ist, dass der Streik von einer Gewerkschaft organisiert ist.

Trotzdem kann es, insbesondere im Hinblick auf Streikgeld besser sein, bei einem Streik Mitglied einer Gewerkschaft zu sein.

4. Muss ich befürchten, dass ich eine Abmahnung erhalte oder sogar gekündigt werde, wenn ich streike?

Um es nochmal deutlich zu sagen: Wer streikt, macht von einem Grundrecht Gebrauch. Er darf deshalb nicht von seinem Arbeitgeber gemaßregelt werden (Maßregelverbot). Während eines Streiks sind die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag aufgehoben („suspendiert“), sie bestehen erst dann wieder, wenn der Streik vorbei ist. 

Wer sich an einem Streik beteiligt, für den gilt die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung nicht, deswegen kann er auch keine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung erhalten, eine solche Abmahnung oder gar Kündigung ist unwirksam.

Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber nach Ende des Streiks Kündigungen wegen Teilnahme an dem Streik ausspricht. Auch diese sind unwirksam. Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, Mitglied der Gewerkschaft zu sein, denn diese gewährt bei Bedarf kostenlosen Rechtsschutz.

5. Muss ich mich von der Arbeit abmelden + ausstempeln, wenn ich streiken will ?

Nein, weil die arbeitsvertraglichen Pflichten suspendiert sind. Dies gilt sowohl für die Hauptpflicht (Arbeitsleistung), als auch für Nebenpflichten (Abmelden). Eine Pflicht zum Abmelden wegen Streiks würde eine psychische Hürde bedeuten, die mit der Bedeutung des Streikrechts als Grundrecht nicht zu vereinbaren wäre.

Wenn man vor Beginn des Warnstreiks ausstempeln würde, hätte man ja gewissermaßen Freizeit. Beim Streik geht es aber gerade darum, dass die Arbeitsleistung nicht erbracht wird. Fehlstunden müssen also nicht nachgearbeitet werden. Dies gilt insbesondere bei Gleitzeit. Fazit: „Wer ausstempelt, streikt nicht“.

6. Darf der Arbeitgeber mir für die ausgefallene Arbeit Stunden vom Arbeitszeitkonto streichen?

Konsequenter Weise ist auch dies verboten. Ein Verrechnen mit Gutstunden ist nur dann möglich, wenn Arbeitsleistung trotz grundsätzlicher Pflicht zum Arbeiten nicht erbracht werden, etwa beim „abfeiern“. Das ist beim Streik aber gerade nicht der Fall, denn die Arbeitspflicht ist suspendiert.

7. Und was ist, wenn der Streik rechtswidrig ist?

Eine wirksame Suspendierung der Arbeitspflicht liegt nur dann vor, wenn der Streik, gemessen an den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichtes, rechtmäßig ist. Dies ist der Fall, wenn eine Gewerkschaft zum Streik aufruft und tariflich regelbare Ziele erstreiken will. 

Weitere Voraussetzung ist nur noch, dass der Streik nicht unverhältnismäßig ist. Auch hiervon sollte sich Arbeitnehmer*innen aber nicht abschrecken lassen: Wegen der grundgesetzlich geschützten Stellung des Streiks läge eine Unverhältnismäßigkeit nur dann vor, wenn der Streik komplett aus dem Ruder läuft.

Insgesamt sind Arbeitnehmer*innen, die sich an Warnstreiks von DGB-Gewerkschaften  beteiligen, auf der sicheren Seite und brauchen sich keine Gedanken machen über die Rechtmäßigkeit des Streiks.

8. Kann der Arbeitgeber mich zu Notarbeiten zwingen?

Auch hier ist die klare Antwort: Nein! Natürlich kann es nicht Sinn und Zweck eines Streiks sein, beim Arbeitgeber oder Kunden irreversible Schäden anzurichten, so dass zwingend notwendige Arbeiten vom Streik ausgenommen sind. Aber hierüber haben die streikführenden Parteien, also Gewerkschaft und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverband zu verhandeln. Eine einseitige Festlegung durch den Arbeitgeber kommt nicht in Frage.

Dies liegt auch daran, dass der oft Arbeitgeber eine andere Ansicht darüber hat, was zwingend notwendige Arbeiten sind, als die Arbeitnehmer*innen. Notwendig ist nämlich, auch wiederum der grundrechtlichen Dimension des Streiks geschuldet, nur, was bei Unterlassen dazu führen würde, dass die Axt an die Existenzgrundlage des Arbeitgebers gelegt würde. Dazu reicht eine Störung des Betriebsablaufs nicht aus.

9. Gilt das Streikrecht auch für Auszubildende?

Auch Auszubildende dürfen sich am Warnstreik beteiligen. Voraussetzung ist nur, dass Gegenstand des angestrebten Tarifvertrages auch Regelungen sind, von denen Auszubildende profitieren. Das wird in der Regel der Fall sein.

10. Was ist mit den Leiharbeitnehmer*innen bei einem Streik?

Wenn Leiharbeitnehmer*innen unter die von der DGB-Tarifgemeinschaft  abgeschlossenen Leiharbeitstarifverträge fallen, ist deren Einsatz in bestreikten Entleihbetrieben tarifvertraglich ausdrücklich untersagt und damit unzulässig.

Davon unabhängig sind Leiharbeitnehmer*innen nicht verpflichtet, in einem Betrieb, der unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist, zu arbeiten. Leiharbeitnehmer haben gemäß § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Verleiher sind verpflichtet, die Leiharbeitnehmer auf dieses Recht hinzuweisen 

Die Verleiher müssen bei der Wahrnehmung des Leistungsverweigerungsrechts oder beim Bestehen des tarifvertraglichen Einsatzverbotes entweder das Entgelt weiterzahlen oder den Leiharbeitnehmer in einem anderen Betrieb einsetzen.

Hier erklären unserer Kolleg*nnen von der IG Metall den Warnstreik in einem Kurzvideo