Nach der gesetzlichen Regelung im Berufsbildungsgesetz haben Auszubildende einen Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung.

Angemessen sind mindestens 80 % der tariflichen Ausbildungsvergütung

Was im Einzelfall angemessen ist, wird im Gesetz jedoch nicht näher definiert. Deshalb ist es Sache der Arbeitsgerichte, diese Frage zu klären und Kriterien der Angemessenheit festzulegen.

Nach der Rechtsprechung hat die Ausbildungsvergütung drei Funktionen:

  • die finanzielle Unterstützung der Auszubildenden und deren Eltern
  • einen ausreichenden Nachwuchs an Fachkräften zu gewährleisten und
  • die Leistungen der Azubis in gewissem Umfang zu entlohnen


Als Maßstab für die Angemessenheit wird der entsprechende Tarifvertrag für die jeweilige Branche herangezogen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes liegt die Grenze der Angemessenheit in der Regel bei 80 % dieser tariflichen Ausbildungsvergütung.

Ausnahme bei Ausbildungsschwierigkeiten ?

Im Fall, den das Arbeitsgericht Gera und anschließend das Landesarbeitsgericht Thüringen entschieden hat, hatte der Kläger, Mitglied der IG Metall, einen Ausbildungsvertrag mit einem gemeinnützigen Ausbildungsträger der Metallindustrie abgeschlossen.

Der Ausbildungsträger stellt vor allem Jugendliche mit besonderen Ausbildungsschwierigkeiten ein, um ihnen trotz komplizierter familiärer Verhältnisse, schulischer oder sprachlicher Schwierigkeiten einen Zugang zur Ausbildung zu ermöglichen. Er finanziert sich über Beiträge der Mitgliedsunternehmen, die ihm auch zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.

In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine geringere Ausbildungsvergütung als 80 % der tariflichen Vergütung angemessen sein kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich auch im konkreten Einzelfall um eine/n Jugendliche/n handelt, die/der ohne die Hilfe des Ausbildungsträgers voraussichtlich keinen Ausbildungsplatz erlangt hätte oder während der Ausbildung auf besondere Unterstützung und Förderung angewiesen ist.

Umgehung der Rechtsprechung durch gemeinnützige Vereine ?

Hier hatte der Ausbildungsträger seine Zielsetzung als gemeinnütziger Verein zur Förderung von Jugendlichen mit Ausbildungsschwierigkeiten jedoch offensichtlich ausgenutzt, um die Grundsätze der Rechtsprechung zu umgehen.

Entgegen der eigenen Zielsetzung wurden nicht nur Jugendliche mit Vermittlungs- oder Ausbildungsschwierigkeiten eingestellt, sondern vielmehr auch Jugendliche, die umfassend qualifiziert und geeignet für diese Ausbildungen waren.

Rechtsschutzsekretärin Inka Lampmann aus Gera hat mehrere Auszubildende dieses Ausbildungsträgers vor dem Arbeitsgericht vertreten: „Keiner von ihnen war wegen Vermittlungsschwierigkeiten bei dem Verein gelandet, sondern sie hätten genauso gut und mit großen Erfolgschancen auch bei einem anderen Unternehmen eine Ausbildung beginnen können.“

Bundesarbeitsgericht bestätigt Rechtsprechung

Trotzdem hat der Ausbildungsträger die Jugendlichen ohne jegliche Prüfung oder Begründung wie Azubis mit Ausbildungsschwierigkeiten behandelt und ihnen eine Ausbildungsvergütung gezahlt, die deutlich unter 70 % der tariflichen Ausbildungsvergütung lag.

Das Arbeitsgericht Gera hatte deshalb keinen Grund gesehen, der eine Abweichung von der üblichen Mindestgrenze von 80 % der Tarifvergütung rechtfertigen könnte. Der Kläger hatte demnach einen Anspruch auf die volle angemessene Vergütung, die der tariflichen Azubi-Vergütung entspricht.

Diese Entscheidung wurde vom Landesarbeitsgericht und inzwischen auch vom Bundesarbeitsgericht bestätigt.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2017, 9 AZR 377/16 hier im Volltext


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Das sagen wir dazu:

In der Regel können sich Azubis auf die ständige Rechtsprechung berufen, wonach die Ausbildungsvergütung mindestens 80 % der entsprechenden tariflichen Vergütung für Azubis betragen muss. Dies gilt auch gerade dann, wenn der Ausbildungsträger bzw.  -betrieb nicht tarifgebunden ist.

 

Wenn die vereinbarte Vergütung darunter liegt, muss das Ausbildungsunternehmen das konkret begründen können. Zulässig wäre dies nur dann, wenn wegen besonderer persönlicher Vermittlungs- oder Ausbildungsschwierigkeiten keine Aussichten bestehen, einen anderen, „normalen“ Ausbildungsplatz zu finden.

 

Ansonsten stellt die vertragliche Vereinbarung einer (um mehr als 20 %) niedrigeren

Vergütung einen Verstoß gegen die gesetzliche Regelung dar. Wenn zu diesem Zweck sogar spezielle Ausbildungsfirmen gegründet werden, die nicht ausschließlich Jugendliche mit Ausbildungsschwierigkeiten einstellen, sondern auch reguläre Ausbildungsverhältnisse begründen, handelt es sich im Grunde genommen um eine Umgehung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung.  

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 17 Berufsbildungsgesetz

§ 17 Berufsbildungsgesetz (BBiG)Vergütungsanspruch
(1) Ausbildende haben Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Sie ist nach dem Lebensalter der Auszubildenden so zu bemessen, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, ansteigt.
(2) Sachleistungen können in Höhe der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch festgesetzten Sachbezugswerte angerechnet werden, jedoch nicht über 75 Prozent der Bruttovergütung hinaus.
(3) Eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung ist besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen.