Jahrelang hatte der Arbeitgeber, ein gemeinnütziger Verein, von seinen Arbeitnehmer*innen geleistete Mehrarbeit über sogenannte „Strohmänner“ abgerechnet.

Einsatz von „Strohmännern“ macht sich nicht bezahlbar

In dem konkreten Fall hatte der Sohn des Arbeitnehmers das Geld überwiesen bekommen. Um steuerfreie Vergütungen zahlen zu können, nutzte der Verein eine Vorschrift des Einkommensteuergesetzes aus, wonach eine Nebentätigkeit für gemeinnützige Zwecke bis zu 2.400 Euro pro Jahr steuerfrei bleibt.

Nachdem der Steuerbetrug aufflog, drohte ein Strafverfahren gegen den Vereinsvorstand. Zur Abwendung eines solchen, der Gemeinnützigkeit nicht gerade förderlichen Verfahrens, traf der Verein eine sogenannte „tatsächliche Verständigung“ mit dem Finanzamt.

In der mit dem Finanzamt getroffenen Vereinbarung sagte der Vereinsvorstand zu, die hinterzogene Einkommensteuer zu bezahlen.

Arbeitgeber wurde zum Steuerschuldner

Mit einer Klage gegen den Arbeitnehmer verlangte der Verein dann aber von diesem das Geld zurück. Schließlich habe bei ihm ja die ursprüngliche Steuerpflicht gelegen.

Diesem Argument des klagenden Vereins folgte das Arbeitsgericht nicht. Mit Urteil vom 25.08.2017 wies das Arbeitsgericht Siegburg die Klage ab. Zwar leite sich die Steuerschuld vom Arbeitnehmer ab.

Da sich der Arbeitgeber jedoch in seiner „tatsächlichen Verständigung“ mit dem Finanzamt zur Übernahme der Steuerschuld des Arbeitnehmers verpflichtet habe, sei er so zum Steuerschuldner geworden.

 

 

Das sagen wir dazu:

Wie sich aus der Entscheidung des Siegburger Arbeitsgerichts ergibt, hat der Verein von seinen Arbeitnehmer*innen geleistete Mehrarbeit im großen Stil über sogenannte „Strohmänner“ abgerechnet. 

Sicherlich nicht nur, um Beschäftigten Steuern zu ersparen. Denn durch diese Form der Vergütung von Mehrarbeit ersparte der Verein die Arbeitgeberanteile, die für Sozialabgaben üblicherweise zu erbringen sind. 

Wer in dieser Weise meint, gegen bestehende Steuergesetze verstoßen zu können, darf sich nicht wundern, wenn die gegen den Arbeitnehmer gerichtete Klage abgewiesen wird, nachdem die Steuerschuld im Rahmen einer mit dem Finanzamt erfolgten Einigung nicht mehr im Raum steht.

Sollte die Art der Vergütung von Mehrarbeit bis zu den Sozialversicherungsträgern vordringen, darf sich der dortige Vorstand nicht wundern, wenn diesem eine Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung ins Haus steht. Das Ergebnis einer solchen Prüfung könnte unangenehme Folgen, nicht nur in finanzieller Hinsicht, für den Verein mit sich bringen.

TATSÄCHLICHE VERSTÄNDIGUNG – Was ist das?

Bei der Tatsächlichen Verständigung (tV) handelt es sich um ein Instrument zur Herstellung des Rechtsfriedens und der Vermeidung von Rechtsbehelfen im Steuerverfahrensrecht, um Arbeits- und Zeitaufwand für die Ermittlung von maßgeblichen Sachverhalten auf ein vertretbares Maß zu beschränken.

Tatsächliche Verständigung gesetzlich nicht geregelt

Die tV ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich um eine richterliche Rechtsfortbildung, weil im Steuerrecht die im Zivilrecht üblichen Vergleiche unzulässig sind. Die tV ist auf die Ermittlung der tatsächlich verwirklichten Besteuerungsgrundlagen und damit auf eine gesetzmäßige Steuerfestsetzung gerichtet.

Die Anforderungen an die tV sind im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. Juli 2008, BStBl I 2008, 831 konkretisiert. Danach ist eine tV nur zulässig: 

a) wenn der Sachverhalt nicht, nur erschwert oder nur unter erheblichem, unangemessenem Aufwand ermittelbar ist,

b) wenn sie vom zuständigen Sachgebietsleiter Veranlagung gebilligt wird und

c) keine offensichtlich unzutreffende Besteuerung erfolgt. 

Eine tV über Rechtsfragen ist grundsätzlich unzulässig, jedoch ist sie zulässig über Schätzungen und Bewertungen. Zinsen sind nicht schwer zu berechnen und können daher nicht Gegenstand einer tV sein. 

Für Interessierte:

Das Schreiben des BMF vom 30. Juli 2008, BStBl I 2008, 831 kann hier abgerufen werden.

Rechtliche Grundlagen

§ 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG)

Einkommensteuergesetz (EStG)
§ 3
Nr. 26.
Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung) bis zur Höhe von insgesamt 2 400 Euro im Jahr.
Überschreiten die Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten den steuerfreien Betrag, dürfen die mit den nebenberuflichen Tätigkeiten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3c nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen.