Gewerkschaftsinfos per Mail ins Homeoffice?
© Adobe Stock - Von Rawf8
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Geklagt hat ein nicht tariffähiger Verband, der beim beklagten Arbeitgeber, ein Telekommunikationsunternehmen, vertreten ist.

Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, Arbeitnehmer*innen in Betrieben der Berufssparten Telekommunikation und Informationstechnik zu unterstützen und zu beraten.

 

 

 

Beschäftigte überwiegend im Homeoffice oder im Außendienst

Der Verband wandte sich im April 2021 an den Arbeitgeber, da die Mitarbeiter*innen für ihn kaum noch zu erreichen seien. Er führte an, dass die Kommunikation sich inzwischen weitgehend auf die arbeitgeberseitigen elektronischen Medien verlagert habe. Zugangsmöglichkeiten zu Informationsveranstaltungen, Betriebsversammlungen etc., die nur noch online stattfinden, habe man nicht.

Die Aufgaben als Berufsverband könne man deshalb nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen, existenzielle Mitgliederwerbung sei nicht mehr möglich.

Machbar sei zudem keine werbende Ansprache von Betriebsratskandidaten und nachfolgend eine faire Durchführung der Betriebsratswahlen.

 

E-Mail-Werbung als „virtuelles Betreten“ des Betriebs

Als Wunsch formulierte der Verband, vierteljährlich Werbung und Informationen mittels der im Konzern vorhandenen IT-Dienste und –Netze (insbesondere per E-Mail) zu verteilen.

 

Auf dieses Schreiben reagierte das Unternehmen nicht.

 

Der Verband erinnerte im Dezember 2021 an die Anfrage und verwies nochmals darauf, dass die gegenwärtigen Homeoffice-Vorgaben die Ansprache potentieller Betriebsratskandidaten ohne die Nutzung der dienstlichen E-Mailadressen unmöglich machen würden.

 

Diesmal gab es eine Antwort. Als Arbeitgeberin sei man zu Neutralität in Bezug auf die Betriebsratswahlen verpflichtet. Man könne weder zu Gunsten einzelner Interessenten/Bewerber für eine Betriebsratstätigkeit noch einzelner Berufsverbände eine Absprache treffen, welche eine Bevorzugung gegenüber anderen vergleichbaren Personen oder Gruppen bewirke.

 

Verband kann Inhalte auf die intranetbasiere Kommunikationsplattform einstellen

Bei dem Telekommunikationsunternehmen gibt es ein Portal, das allen Beschäftigten zugänglich ist. Der Verband hat auf diesem Portal eine eigene Seite, auf der er Inhalte einstellen, auf seinen Internetauftritt verweisen und Kontaktdaten veröffentlichen kann.

 

Im Vorfeld zur Betriebsratswahl im Jahr 2022 wies der Arbeitgeber auf diesem Portal darauf hin, dass dort als digitale Alternative zusätzlich zu den analogen Werbemitteln ein virtuelles schwarzes Brett ermöglicht werde. Wahlbewerber könnten hier Wahlwerbung betreiben.

 

Der Verband hielt es aber nicht für ausreichend, Informationen im Intranet einzustellen, da die Auffindbarkeit solcher Inhalte von einer aktiven Suche abhängig sei.

 

Verband beruft sich auf die koalitionsspezifische Betätigungsfreiheit

Als Arbeitnehmervereinigung sei man eine Koalition und könne sich auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Dass die für eine Qualifizierung als Gewerkschaft erforderliche Verbandsmacht und Durchsetzungsfähigkeit und damit die Tariffähigkeit fehle, sei unerheblich.

Die Koalitionsfreiheit umfasse auch die Entscheidung, auf welche Art und Weise Werbung betrieben werde. Gerade in der derzeitigen Situation einer weltweiten Pandemielage sei es unabdingbar, von den technischen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme per E-Mail Gebrauch zu machen. Zudem sei es technisch mit einfachsten Mitteln möglich, die begehrten E-Mails über eine neutrale E-Mailadresse zu versenden, bei der die Distanz zum Arbeitgeber sofort ersichtlich sei.

 

Kein Anspruch auf Versand von E-Mails an alle Beschäftigten

Das Arbeitsgericht Bonn wies die Klage des Verbands ab. Es ergebe sich kein Anspruch auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG. Dabei wurde im Verfahren nicht darum gestritten, ob der Verband als Vereinigung trotz fehlender Tarifmächtigkeit unter den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fällt.

 

Art. 9 Abs. 3 GG schützt gewerkschaftliche Koalitionen in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer Betätigung, soweit Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dadurch gewahrt oder gefördert werden. Zu den geschützten Tätigkeiten, die dem Erhalt und der Sicherung einer Koalition dienen, zählt es auch Mitglieder zu werben sowie Mitglieder und Nichtmitglieder über Aktivitäten der Vereinigung zu informieren.

 

Diese allgemeinen Überlegungen folgend gab das Gericht dem Verband insofern recht, dass sich der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG auch auf die Wahl der Art und Weise erstreckt, in der eine Koalition Werbung betreiben und Informationen erteilen will.

 

Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers

Allerdings müsse vermieden werden, so das Gericht weiter, den Betriebsablauf zu stören und die Ressourcen des Arbeitgebers übermäßig zu beanspruchen.

 

Soweit wie hier die Arbeitnehmervereinigung bei der von ihr gewählten Art und Weise der Mitgliederwerbung und Information auf die Inanspruchnahme von Betriebsmitteln angewiesen sei, kollidiere dies mit den arbeitgeberseitigen Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. 

 

Arbeitgeber würde eine aktive Handlungspflicht auferlegt

Das Gericht wägte die Interessen beider Seiten ab. Es berief sich auf das Bundesarbeitsgericht, nach dessen Rechtsprechung eine Gewerkschaft selbst E-Mails – auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers – an die ihr bekannten dienstlichen E-Mailadressen ihrer Mitglieder versenden könne. Was der Verband fordere, gehe aber darüber hinaus, da dem Arbeitgeber eine aktive Handlungspflicht auferlegt würde.

 

Zudem wäre der Arbeitgeber dazu gezwungen, eigene Ressourcen im Interesse der Arbeitnehmervereinigung zu verwenden, da er u.a. den E-Mailversand organisieren müsste und die Arbeitnehmer – unabhängig davon, ob sie Mitglieder der Arbeitnehmervereinigung sind – die E-Mails während ihrer Arbeitszeit zur Kenntnis nehmen würden.

 

Zugangsmöglichkeiten zu allen Beschäftigten im Homeoffice über das Intranet

Das Gericht stellte auch darauf ab, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmervereinigung über das Intranet bereits einen Zugang zu allen im Homeoffice beschäftigten Arbeitnehmer*innen verschafft hatte. Deshalb sei es zur Wahrnehmung der Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht erforderlich E-Mails mit Informationen über die Arbeitnehmervereinigung durch den Arbeitgeber zu versenden.

 

 

Das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Bonn ist hier nachzulesen.


 

Das sagen wir dazu:

Es ist nachvollziehbar, wenn es für das Gericht einen Unterschied macht, ob eine Gewerkschaft bekannte betriebliche E-Mailadressen nutzt, um Gewerkschaftsmitglieder zu erreichen, oder der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, E-Mails an alle Beschäftigten zu senden.

 

Der Verband hatte im Klageantrag auch weder die Anzahl der Mails noch den Adressatenkreis irgendwie begrenzt. Begrenzt war der Antrag zwar auf die Dauer der Pandemielage, nicht aber auf diejenigen, die tatsächlich vor Ort nicht zu erreichen sind.

 

Nicht von der Hand zu weisen ist das Argument des Gerichts, dass ein Arbeitnehmer der vom eigenen Arbeitgeber übersandten E-Mail ein anderes Gewicht beimessen wird als einer Mail, die von einer Arbeitnehmervereinigung kommt. Das Unternehmen würde für den Inhalt der Mails keine Verantwortung tragen, wäre aber letztlich doch der Versender. 

 

Was früher das Schwarze Brett war, ist heute das Intranet

 

Zu einer anderen Entscheidung hätte das Gericht wohl kommen müssen, wenn es dem Verband – wie allen anderen Gewerkschaften – nicht möglich gewesen wäre, im Intranet Informationsmaterial einzustellen und Mitglieder zu werben.

 

Das digitale Zugangsrecht von Gewerkschaften ist wichtig und gewinnt – unabhängig von der Pandemie – immer mehr an Bedeutung.