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Neulich auf Facebook

In den sozialen Netzwerken tauschen sich Menschen über die unterschiedlichsten Dinge aus, so auch über ihre arbeitsrechtlichen Fragen und Streitigkeiten. Hier entsteht bisweilen eine merkwürdige Mischung aus Hilfe zur Selbsthilfe, Kummerkasten und politischer Bühne.

Prozesskosten im Arbeitsgerichtsverfahren.
Prozesskosten im Arbeitsgerichtsverfahren.

So postete neulich eine Teilnehmerin ein Foto von einer Rechtsanwaltsrechnung über 648,55 Euro. Aus dem Zusammenhang ergab sich, das die Mandantin ausstehenden Lohn im Umfang von etwa 1.700 Euro eingeklagt hatte und durch einen Vergleich vor Gericht hiervon wenigstens einen Teilbetrag erhalten hat.

Prozess gewonnen, Geld trotzdem weg?

Der Anwalt hatte insgesamt einen Betrag von 648,55 Euro in Rechnung gestellt. Dabei hatte er bei dem Gegenstandswert 1.756,09 Euro die Verfahrensgebühr, die Terminsgebühr, die Einigungsgebühr, Post- und Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer abgerechnet.

Die Teilnehmerin kommentierte das Schreiben so: K:„Bin bissel geschockt…da hätte ich mir den ganzen Ärger sparen können wenn ich jetzt mehr blechen soll als ich bekommen habe.. Blicke da grade nicht so durch. Man ist ehrlich kommt nur mit Anwalt zu seinem recht und dann darf man noch richtig blechen. Tollen Rechtsstaat den wir haben.“:K

Letztere Äußerung mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass sie neben der Anwaltsrechnung einen Gerichtskostenbescheid über 357 Euro erhalten hatte. Das Verfahren hat die damit über 1.000 Euro gekostet, wohl mehr, als sie durch den Vergleich erhalten hat.

Wo liegt der Fehler? 

Um es vorweg zu nehmen: Die Teilnehmerin war kein Gewerkschaftsmitglied. Andernfalls hätten ihre Gewerkschaft die Kosten der Rechtsvertretung übernommen. Sie hätte sich ohne weitere Kosten von den fachkundigen Vertreterinnen und Vertretern der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten lassen können, die nicht nur wie Rechtsanwälte ausgebildet sind, sondern auch über Spezialkenntnisse und Erfahrungen im Arbeits- und Sozialrecht verfügen.

Denn ansonsten ist weder an der Anwaltsrechnung (die sich nach der üblichen Gebührenordnung richtet), noch an den Gerichtskosten (auch Gerichtsverfahren sind, wie andere staatliche „Dienstleistungen“, nicht kostenlos) etwas auszusetzen. 

Die missliche Situation resultiert vielmehr an einer Besonderheit des Arbeitsgerichtsprozesses. Denn vor dem Arbeitsgericht trägt jeder seine Kosten selbst, unabhängig davon, ob er gewinnt oder verliert.

Im Arbeitsgerichtsprozess trägt jeder seine Kosten selbst!

Diese Regelung bezüglich der Kostentragung ist für den Arbeitnehmer auch zunächst günstig, weil sie das Kostenrisiko reduziert. Etwa beim Kündigungsschutzprozess. Der Gegenstandswert ist hier deutlich höher, man rechnet drei Monatsentgelte.

Geht man davon aus, dass die Arbeitnehmerin im obigen Fall ein Monatsentgelt von 1.700 hat, was etwa dem Mindestlohn entspricht, dann wäre der Gegenstandswert dreimal so hoch und damit auch die Anwaltsrechnung. 

Müsste sie zudem die Anwaltsrechnung ihres Arbeitgebers bezahlen, so kann man sich leicht vorstellen, dass der Streit für den Erhalt seines Arbeitsverhältnisses schnell zum unkalkulierbaren Kostenrisiko wird: Grob überschlagen 5.000 Euro.

Auch erfolgreiche Verfahren kosten Geld

Die Kostentragung begrenzt also Risiken, gleichzeitig führt sie leider auch dazu, dass Arbeitnehmer selbst dann auf Kosten sitzen bleiben, wenn sie völlig berechtigte Lohnforderungen einklagen. Bei den Betroffenen entsteht dann der Eindruck, es lohne sich nicht, für sein Recht zu kämpfen, weil das erstrittene Geld gleich wieder „draufgeht“, um die Kosten dieses Kampfes zu „blechen“.

Es besteht aber kein Grund, gleich am Rechtsstaat insgesamt zu zweifeln. Denn es gibt Auswege: Wie oben schon gesagt bieten die DGB Gewerkschaften ihren Mitgliedern Rechtsschutz: Sie stellen dem Mitglied also nicht nur einen kompetenten Rechtsvertreter an die Seite, sondern übernehmen auch die Kosten des Verfahrens.

Und tatsächlich bekam die Teilnehmerin auf ihren Post hin den Rat, einer Gewerkschaft beizutreten. Auch wenn der freundlichen Hinweis für diesen Rechtsstreit zu spät kam  - vielleicht hilft er ja für den nächsten Rechtsstreit. Dann hätte Facebook seinen Auftrag als „soziales Medium“ in diesem Fall erfüllt.

Dr. Till Bender, Abteilungsreferent, Pressesprecher, Redakteur „Arbeit und Recht"
Autor*in:
Dr. Till Bender
Abteilungsreferent, Pressesprecher, Redakteur „Arbeit und Recht"
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