Ist eine Schulung zum Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz für Betriebsräte erforderlich?
© Adobe Stock - Von N. Theiss
Ist eine Schulung zum Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz für Betriebsräte erforderlich? © Adobe Stock - Von N. Theiss

Die Arbeitgeberin kürzt Neumanns Entgelt und verweigert eine Reisekostenerstattung. Neumann fährt trotzdem zur Schulung. Gemäß ihrer Ankündigung erstattet die Arbeitgeberin die Reisekosten nicht und kürzt die Monatsvergütung um das Entgelt für den Schulungstag. Neumann hält die Schulung sehr wohl für erforderlich. Er beruft sich auf § 37 BetrVG und erhebt Klage vor dem Arbeitsgericht.

 

Die gesetzliche Regelung des § 37 BetrVG

 

Nach § 37 Abs. 6 S. 1 i.V. mit § 37 Abs. 2 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, sofern bei der Schulungsmaßnahme Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, sich Kenntnisse zu verschafften, die ihm die sachgerechte Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten ermöglichen.

 

Sogenannte Grundkenntnisse sind erforderlich

 

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Schulungsveranstaltungen die sog. Grundkenntnisse vermitteln und anderen Schulungsveranstaltungen. Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit/Unfallverhütung sind erforderlich für die Betriebsratsarbeit. Bei erstmalig gewählten Betriebsratsmitgliedern muss die Schulungsbedürftigkeit bei diesen Themen gar nicht näher dargelegt werden. Bei anderen Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die besonderen Kennnisse quasi derzeit oder in naher Zukunft gebraucht werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach-und fachgerecht ausüben kann. Neumann ist langjährig Betriebsratsmitglied und somit muss die Schulungsbedürftigkeit dargelegt werden.

 

Für KMU-Betriebe gilt LkSG nur mittelbar

 

Die Arbeitgeberin weist darauf hin, dass sie ein mittelgroßes Unternehmen sei und das LkSG zurzeit nur für Betriebe mit mehr als 3.000 Beschäftigten Anwendung finde. Damit sei keinerlei Schulung erforderlich. Das HinSchG sei zu diesem Zeitpunkt nur ein Entwurf und noch kein Gesetz.

 

Neumann beruft sich darauf, dass auch KMU-Betriebe mittelbar betroffen sind, es sich mit dem LkSG um ein völlig neues Gesetz handelte, in dem eine Compliance-Vorschrift in Gesetzesform gegossen wurde und das mit Sanktionen behaftet ist. Auch wurde zeitgleich mit § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG ein Auskunftsanspruch geschaffen. Selbst auf Internetseiten, die im Namen des Bundesministeriums für Arbeit betrieben werden, gibt es eine Vielzahl von Erläuterungen der Auswirkungen auch für kleine und mittlere Unternehmen. Das HinSchG sei genauso zum Gesetz geworden, wie zum Zeitpunkt der Schulung zu erwarten.

 

Aktueller betriebsbezogener Anlass wird verneint

 

Das Arbeitsgericht Aachen sieht den erforderlichen Anlass nicht. Es sei keine Grundschulung und dass die bei der Schulung vermittelten Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft vom Kläger für die Betriebsratsarbeit benötigt werden, sei nicht ersichtlich. Dies auch nicht bei der geplanten Herabsetzung des Schwellenwertes von 3.000 auf 1.000 Beschäftigte, weil die Beklagte immer noch deutlich weniger Beschäftigte hat.

Neumann hatte dargelegt, dass bereits jetzt von Drittfirmen Anfragen in Bezug auf das LkSG vorliegen, Auskünfte der Arbeitgeberin als zu dürftig und nachbesserungswürdig angesehen wurden und damit durchaus auch jetzt schon Berührungspunkte mit dem Gesetz bestehen.

Das Arbeitsgericht führt dazu aus: Dass die Arbeitgeberin mittelbar und indirekt mit dem Gesetz konfrontiert wird, genüge nicht um derzeit eine Erforderlichkeit zu begründen. Eine theoretische Möglichkeit, dass die Frage im Betrieb auftreten könne, reiche nicht aus.

 

Erforderlichkeit ist einheitlich zu bewerten

 

Hier fand die Schulung an einem einzelnen Tag statt. Wenn eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung und zeitweiser Besuch nur des erforderlichen Teils praktisch nicht möglich ist, entscheidet über die Erforderlichkeit, ob das erforderliche Thema mit mehr als 50 % überwiegt. Selbst, wenn der Schulungsteil zum HinSchG erforderlich war, betrug der Anteil in der Tagesschulung nicht mehr als 50 %. Damit hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Eine Berufung war aufgrund des Streitwerts nicht möglich.

Das sagen wir dazu:

Das Gericht hat die Entscheidung entsprechend der aus der BAG-Rechtsprechung entwickelten Kriterien getroffen. Dabei fiel leider gar nicht ins Gewicht, dass es sich nur um einen einzelnen Tag und nicht um eine Wochenschulung handelte. Wenn gut informierte Betriebsräte gewollt sind, ist es praxisfern, dass erst das Problem konkret auftauchen muss und dann die Betriebsratsschulung erforderlich wird.

 

Bei der gleichen Schulung berichteten andere Betriebsräte, dass ihre Arbeitgeber die Kosten übernehmen, obwohl sie auch in KMU-Betrieben arbeiten.