Firma Stölting muss den Zutritt von Beauftragten der IG Bau dulden.
Firma Stölting muss den Zutritt von Beauftragten der IG Bau dulden.

Die Fa. Stölting Care & Services GmbH mit Sitz in Gelsenkirchen beschäftigt ca. 200 bis 250 Arbeitnehmer*innen.

Sie ist schwerpunktmäßig in der Reinigung von Krankenhäusern und Seniorenheimen tätig.

Um gewerkschaftlichen Einfluss aus ihrem Unternehmen zurückzudrängen, kam sie bereits auf die unglaubliche Idee, ihren Beschäftigten eine Prämie von 50 € anzubieten, wenn sie aus der IG Bau austreten (Wir berichteten: "Reinigungsfirma verspricht Prämie für Gewerkschaftsaustritt"). 


Auch ihr weiterer Versuch, Gewerkschaften aus ihrem Betrieb herauszuhalten, scheiterte.

Reinigungsfirma muss Zutrittsverbot aufheben

Die Fa. Stölting hatte in einem Schreiben an die IG Bau einem einzelnen, namentlich genannten Gewerkschaftssekretär, aber auch generell allen Vertretern und Funktionären der IG Bau den Zutritt zu den Räumen untersagt, die ihr in Krankenhäusern, Seniorenheimen und anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden. Dazu zählte sie vor allem Objektleiterbüros, Personalumkleide – sowie Personalaufenthaltsbereiche und auch Lager und Waschräume. 

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat die Fa. Stölting im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens verpflichtet, dieses Verbot aufzuheben. 

Zutritt der Gewerkschaftsvertreter dulden 

Die Fa. Stölting Care & Services GmbH muss außerdem den Vertretern der IG Bau Zutritt zu den Räumlichkeiten gewähren, damit diese die Wahl eines Betriebsrates unterstützen oder sonstige betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen können. Die Gewerkschaftsvertreter müssen ihren Besuch mit einer Frist von 24 Stunden ankündigen; in Eilfällen kann die Frist auch kürzer sein. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts hat die Fa. Stölting keine berechtigten Gründe nennen können, weshalb es für sie unzumutbar ist, Vertreter der IG Bau in ihre Betriebsräume zu lassen.

Gewerkschaft wählt ihren Beauftragten aus

Grundsätzlich entscheidet die Gewerkschaft selbst, wer den Betrieb aufsuchen soll. Nur in Ausnahmefällen kann ein Arbeitgeber bestimmten Gewerkschaftsvertretern den Zutritt verweigern. Ein solcher Ausnahmefall liegt z. B. vor, wenn ein einzelner Gewerkschaftsvertreter den Arbeitgeber oder dessen Vertreter grob beleidigt oder seine Befugnisse missbraucht hat. 


Die Fa. Stölting meinte, sie könne sich gegen die Anwesenheit eines bestimmten Gewerkschaftsvertreters in ihren Räumlichkeiten wehren. Das Arbeitsgericht sah das anders.

Gewerkschaftliche Kritik an Arbeitsverdichtung – kein Grund für Zutrittsverbot

Beschäftigte der Fa. Stölting hatten ihre Gewerkschaft über unhaltbare Zustände in ihrem Betrieb unterrichtet. Seitdem der tarifliche Mindestlohn im Gebäudereinigerhandwerk ab 1.1.2016 auf 9,80 € gestiegen ist, versucht die Fa. Stölting, die höheren Personalkosten durch massive Arbeitsverdichtung wieder reinzuholen. So ordnete sie an, dass die Beschäftigten die gleichen Flächen nun in um eine Stunde gekürzter Zeit reinigen müssen, also statt in vier Stunden nun in drei Stunden. Da die neu vorgegebenen Zeiten nicht zu schaffen waren, reinigten viele pflichtbewusste Arbeitnehmer*innen dennoch vier Stunden, aber ohne Bezahlung (Wir berichteten: "Reinigungsfirma verspricht Prämie für Gewerkschaftsaustritt"). 


Dieses Problems nahmen sich die örtlichen Gewerkschaftsvertreter der IG Bau an. Sie wiesen den Krankenhausbetreiber schriftlich auf diese unzumutbaren Zustände hin, die auch eine hygienische Reinigung infolge der Zeitkürzung unmöglich machen. Der Krankenhausbetreiber leitete das Schreiben an die Fa. Stölting weiter. 


Das Arbeitsgericht entschied, dass die IG Bau mit ihren Schreiben und ihrer Kritik nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, sondern lediglich ihre Meinung kundgetan hat. 

Anmerkung: Gewerkschaften haben gesetzliches Zutrittsrecht zu den Betriebsräumen

Gehört mindestens ein*e Arbeitnehmer*in im Betrieb der Gewerkschaft an, ist ihr Zutritt zu den Betriebsräumen zu gewähren. Dadurch soll sie in die Lage versetzt werden, die ihr gesetzlich übertragenen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse auszuüben (§ 2 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz). Dazu zählt z. B., dass Gewerkschaftsvertreter Betriebsratswahlen oder den Betriebsrat bei seiner Aufgabenerfüllung unterstützen. Darüber hinaus steht Gewerkschaftsvertretern ein Zutrittsrecht zum Zwecke der Mitgliederbetreuung und Mitgliederwerbung zu (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.02.2006, 1 AZR 460/04). Dieses Recht leitet sich unmittelbar aus der Verfassung ab (Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz). 

Zutrittsverweigerung nur in Ausnahmefällen

Nur in Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber Gewerkschaftsvertretern den Zutritt verweigern. Das Betriebsverfassungsgesetz nennt: unzumutbare Beeinträchtigungen im Betriebsablauf, zwingende Sicherheitsvorschriften oder den Schutz von Betriebsgeheimnissen. Vom Arbeitgeber evtl. angeführte betriebliche Störungen müssen jedoch schwerwiegend sein; Verzögerungen im Betriebsablauf reichen nicht. Sicherheitsvorschriften rechtfertigen allenfalls einen eingeschränkten Zugang zum Betrieb, so dass nur bestimmte sicherheitsempfindliche Bereiche nicht betreten werden dürfen. Der Zutritt zum Betrieb kann auch mit der Auflage gestattet werden, dass die Gewerkschaftsvertreter Sicherheitsvorschriften beachten und z. B. Sicherheitsschuhe tragen müssen (Landesarbeitsgericht Hamm Urteil v. 16.12.2014, 12 Sa 1020/14). 

Mit dem Hinweis auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen kann ein Arbeitgeber in der Regel den Zutritt nicht verweigern. Denn auch Gewerkschaftsvertreter unterliegen der Verschwiegenheitspflicht (§ 79 Abs.2 Betriebsverfassungsgesetz). 

Scharfe Kritik an betrieblichen Zuständen rechtfertigt Zutrittsverbot nicht

Nur in besonderen Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber einem bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten aus Gründen, die in dessen Person liegen, den Zutritt zum Betrieb verweigern. Das setzt voraus, dass diese Person schon wiederholt im Betrieb ihre gesetzlichen Aufgabenbefugnisse eindeutig überschritten hat, z.B. durch parteipolitische Propaganda im Betrieb oder durch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers. Sachliche, auch in scharfer Form vorgebrachte Kritik ist aber kein Grund zur Verweigerung des Zutritts (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 12.09.2008, 10 TaBV 25/08).

Aussichtsloser Kampf gegen gewerkschaftlichen Einfluss

Diese Grundsätze der Rechtsprechung hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen berücksichtigt und die Fa. Stölting dazu verpflichtet, den Zutritt der Vertreter der IG Bau zu den Betriebsräumen zu dulden. Damit ist auch der weitere Versuch der Fa. Stölting gescheitert, gewerkschaftlichen Einfluss aus ihrem Unternehmen zurückzudrängen. 

Die arbeitsgerichtliche Entscheidung sollte für die Fa. Stölting Anlass sein, in Zukunft gewerkschaftliche Rechte und Rechte ihrer Beschäftigten, vor allem auch im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen in ihrem Betrieb, zu respektieren. 

Lesen Sie zur Vorgeschichte „Reinigungsfirma verspricht Prämie für Gewerkschaftsaustritt“