Angemessene Ruhezeit für Betriebsräte im Schichtdienst
Angemessene Ruhezeit für Betriebsräte im Schichtdienst

§ 5 Absatz 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) räumt Arbeitnehmer*innen einen Anspruch auf eine 11- stündige Ruhezeit zwischen zwei Schichten ein. Diese Vorschrift ist nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm auf Betriebsratsarbeit nicht direkt anwendbar. Denn Betriebsratstätigkeit sei keine Arbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Aber auch für die Wahrnehmung von Amtsaufgaben als Betriebsrat sind Ruhezeiten zu beachten. Insbesondere die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung sei nämlich von den Anforderungen her absolut mit der Erbringung der Arbeitsleistung vergleichbar. Hierfür ist nach dem LAG Hamm eine Einzelfallerwägung anzustellen.

11 Stunden Ruhezeit auch vor Betriebsratssitzungen

Im konkreten Fall wurde vom klagenden Betriebsrat, der vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten wurde, eine 10-stündige Pause beansprucht. Dies sah das Gericht als angemessen an und ließ anklingen, dass die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes als Maßstab dienen. 

Ohne ausdrücklich von einer 11-stündigen Ruhezeit zu sprechen, ist § 5 Absatz 1 ArbZG also als Maßstab anzusetzen. Arbeit innerhalb der einzuräumenden Ruhezeit ist dem Betriebsrat unzumutbar.

Große Bedeutung für Betriebsräte im Schichtbetrieb

Die praktische Bedeutung dieser Entscheidung ist enorm: Ein Betriebsrat, der zur Nachtschicht eingeteilt ist, kann 11 Stunden vor einer beispielsweise um 12 Uhr mittags anberaumten Betriebsratssitzung seine Schicht beenden, also um 1 Uhr nachts.

Für den Arbeitsausfall (5 Stunden, wenn die Schicht bis 6 Uhr geht) hat er einen Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 37 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Und einen weiteren Freizeitausgleich erhält er für die Dauer der außerhalb seiner Arbeitszeit liegenden Betriebsratssitzung.

Das Urteil des LAG Hamm ist noch nicht rechtskräftig. Der Arbeitgeber hat unter dem Aktenzeichen 7 AZR 224/15 Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt.

Anmerkung der Redaktion zur Ruhezeit von Betriebsräten

Das Urteil des LAG ist erfreulich. Eine alte Forderung von Gewerkschaften und Betriebsräten wurde endlich erfüllt. Und Betriebsratsarbeit wird in ihrer Bedeutung aufgewertet.

Es ist eben nicht nur ein Hobby, wenn ein Betriebsrat seine Aufgaben erfüllt. Auch wenn sich das LAG unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung nicht dazu durchringen konnte, Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit zu bewerten, sondern weiterhin von „Amtsaufgaben“ redet, wertet es diese Tätigkeit deutlich auf. 

Auch Betriebsräte im Schichtsystem haben nach dieser Entscheidung einen Anspruch auf angemessene Ruhezeit, wenn Betriebsratstätigkeit, beispielsweise eine Betriebsratssitzung, ansteht. Hier wird man wohl im Einzelfall von einem 11-stündigen Ruheanspruch ausgehen können. Der Betriebsrat kann entsprechend früh seine Arbeitsschicht verlassen und hat dafür einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 37 Absatz 2 BetrVG.

Ältere Entscheidungen, wie beispielsweise vom Arbeitsgericht Lübeck, hielten eine kürzere, 8-stündige Ruhezeit für ausreichend. Begründet wurde dies damit, dass die Beanspruchung durch Betriebsratsarbeit nicht mit der Beanspruchung durch die Arbeitstätigkeit vergleichbar sei.

Betriebsratsarbeit aufgewertet

Dies entspricht nicht der Bedeutung der Betriebsratsarbeit, was das LAG Hamm endlich anerkannt hat.

Und selbstverständlich besteht ein weiterer Anspruch auf Freizeitausgleich für die Dauer der Betriebsratssitzung nach § 37 Absatz 3 BetrVG, wenn diese außerhalb der Schichtzeit des Betriebsratsmitgliedes stattfindet. Dieser Freizeitausgleich ist nicht etwa schon im Vorgriff durch das vorzeitige Verlassen der Schicht gewährt. Auch dies hat beispielsweise das Arbeitsgericht Lübeck noch anders gesehen.

Auch wenn das Urteil des LAG Hamm noch nicht rechtskräftig ist: Alle Betriebsräte im Schichtbetrieb sollten im Hinblick auf diese Entscheidung ihre Rechte einfordern.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20.2.2015 (13 Sa 1386/14) können Sie hier im Volltext nachlesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 07.12.1999 (6 Ca 2589/99) kann hier vollständig eingesehen werden.