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Werksvertragsarbeit – ein Übel, das man gestalten muss

Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung eines Forscherteams untersuchte die Werkvertragsvergabe im Einzelhandel und im verarbeitenden Gewerbe. Danach geben immerhin 30% der Betriebe zu, dass sie Werkverträge als Ersatz für Leiharbeit nutzen. Hoch professionell arbeitende Betriebsräte sehen sich als Interessenvertreter auch der Werkarbeitnehmer*innen. Sie reden deshalb bei der Gestaltung von Werkverträgen mit und kontrollieren die Werkvertragspraxis.

Die Technologieberatungsstelle (TBS) des DGB, Regionalstelle Düsseldorf lud am 3.11.2015 zu einem Werkstattgespräch für Interessenvertretungen zum Thema Werkverträge ein. Der Arthur-Hauck-Saal im Gewerkschaftshaus in Düsseldorf war gut besetzt. Viele betriebliche Interessenvertreter waren gekommen. Werkverträge sind alltägliche Praxis in den Betrieben, wie die rege Diskussion zeigte.

Gründe für die Werkvertragsvergabe

Johannes Kirsch von der Universität Duisburg-Essen/IAQ (Institut Arbeit und Qualifikation) stellte das Projekt und die Ergebnisse der Studie vor. In einer repräsentativen Telefonbefragung und in 12 Fallstudien untersuchte ein Forschungsteam Verbreitung, Motivation der Manager für die Werkvertragsvergabe und das Verhalten der betrieblichen Interessenvertreter. Die Studie beschränkt sich allerdings sowohl auf bestimmte Branchen wie auch auf eine bestimmte Form von Werkverträgen. So wurden nur Werkverträge im Einzelhandel und im verarbeitenden Gewerbe untersucht, bei denen die Werkleistungen auf dem Betriebsgelände des Bestellers und in betrieblichen Kernbereichen durchgeführt wurden. Auch sog. Solo-Selbstständige waren nicht Gegenstand der Studie.

Gefragt nach den Gründen für die Werkvertragsvergabe gaben die Betriebe als eine der Hauptgründe an, dass sie damit die betriebliche Flexibilität steigern und sich auf die betrieblichen Kernkompetenzen konzentrieren wollen. Immerhin aber geben über 30 % der Befragten zu, dass die Senkung von Personalkosten das Motiv für den Einsatz von Werkarbeitnehmern ist, und ein knappes Drittel räumt ein, dass sie die Werkvertragsvergabe zum Ersatz von bisheriger Leiharbeit nutzen. Der Vertreter der Studie, Johannes Kirsch, meinte dazu, dass der Prozentsatz vermutlich höher liegt, da davon auszugehen ist, dass die Befragten wissen, dass diese Antworten sozial weniger erwünscht sind und sie deshalb diese Motivation weniger gerne zugeben.

Einfluss des Mindestlohns auf die Werkvertragsvergabe

In den Befragungen äußerten sich die betrieblichen Entscheider auch zu den mit der Werkvertragsvergabe verbundenen Problemen. So können durch schlecht bezahltes und geringer qualifiziertes Personal Qualitätsverluste entstehen, Werkunternehmen wegen Insolvenz ausfallen und sich Abhängigkeiten von regelmäßig beauftragten Werkunternehmen entwickeln. Aufgrund der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns entschieden manche Einzelhandelsunternehmen, Tätigkeiten von Werkunternehmen wieder in den eigenen Betrieb zurückzuholen. Als Grund wird angeführt, dass die untere Entgeltgruppe im Einzelhandel nicht mehr so weit über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, und deshalb mit der Auslagerung von Arbeiten weniger Personalkosten eingespart werden können. Denn die niedrigen Löhne beispielsweise in der Logistikbranche von ehemals 6,50 € brutto, in deren Bereich deshalb gerne Werkverträge vergeben wurden, dürfen im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht mehr gezahlt werden.

Verhalten und Reaktionen der Betriebsräte

Die Studie hat sich auch mit den Sichtweisen und dem Verhalten von Betriebsräten befasst. Danach gibt es auf der einen Seite den Typus Betriebsrat, der Werkverträge grundsätzlich ablehnt und alle seine Machtmittel nutzt, um gegen sie anzukämpfen. Anders verhalten sich durchaus hochprofessionell agierende Betriebsräte meist in großen Unternehmen. Sie verstehen sich auch als Betriebsrat der Werkarbeitnehmer und versuchen da, wo sie Werkverträge schon nicht verhindern können, zumindest faire Arbeitsbedingungen auch für Werkarbeitnehmer durchzusetzen. Diese Betriebsräte sind „Netzwerker“, die mit ihrem Arbeitgeber „Tauschgeschäfte“ und Pakte eingehen, um bessere Arbeitsbedingungen etwa beim Lohn der Werkarbeitnehmer auszuhandeln. Sie tun dies auch, um dadurch die Stammbelegschaft zu schützen.

Betriebsratsvertreter im Stahl- und Baubereich kommen zu Wort

Nach Vorstellung der Studie stellten Betriebsräte zweier großer Unternehmen, der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH (HKM) und der Ed. Züblin AG, Direktion NRW, ihren Umgang mit dem Thema Werkvertrag vor. Die Betriebsratsvertreter waren Beispiele für die in der Studie genannten hochprofessionellen „Netzwerk-Betriebsräte“. Die Zuhörer waren beeindruckt, wie aktiv und effektiv sich diese Betriebsräte auch für die Interessen der Werkarbeitnehmer einsetzen. So gibt es bei HKM eine Betriebsvereinbarung zu Werkverträgen, einen eigenen Werkvertrags-Ausschuss, der paritätisch mit Arbeitgebervertretern und Betriebsratsmitgliedern besetzt ist und mindestens 1 x im Monat tagt; außerdem besteht seit April 2015 ein Branchen-Tarifvertrag im Stahlbereich für den Bereich Werkverträge. Außerdem kontrollieren die Betriebsratsmitglieder bei HKM regelmäßig die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen und gesetzlichen Regelungen durch Betriebsbegehungen. Dazu suchen sie das Gespräch mit den Werkarbeitnehmern, z. B. über deren Arbeitszeiten, um Missstände schnell zu beseitigen. Vor den Werkstoren ist zudem ein Container aufgestellt, in dem Betriebsräte und IGM-Vertreter Werkarbeitnehmer beraten. Darüber hinaus befindet sich am Container ein Briefkasten, in den auch anonym Beschwerden eingeworfen werden können. Die Betriebsratsvertreter der Fa. Züblin zeigten, mit wie vielen Problemen gerade im Baubereich die Vergabe von Arbeiten an Werkunternehmer verbunden ist, wenn diese – was gängige Praxis ist – mit Subunternehmerketten arbeiten. Obwohl bei neuen Bauvorhaben vor Vertragsabschluss Auskünfte beim Finanzamt, der SOKA-Bau und Krankenkassen eingeholt werden, können Probleme durch Leistungsausfälle und Insolvenzen nicht immer verhindert werden.

Mitbestimmungsrecht Arbeitssicherheit

Nicht in jedem Unternehmen sind freiwillige Betriebsvereinbarungen zur Werksvertragspraxis durchsetzbar. Deshalb gab es den Tipp von den anwesenden Betriebsräten: Mitbestimmungsrechte im Bereich Arbeitssicherheit und Unfallverhütung (§ 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG) auch im Werkvertragsbereich durchzusetzen. Zum Schutz auch der Stammbelegschaft müssen Regelungen in diesem Bereich für alle auf dem Betriebsgelände eingesetzten Arbeitnehmer, also auch für Werkarbeitnehmer, getroffen und Vereinbarungen für eine effektive Kontrolle geschlossen werden. Hier kann der Betriebsrat also Initiative ergreifen und zu Gunsten der Werkarbeitnehmer aktiv sein Mitbestimmungsrecht nutzen.

Beratung für mittel – und osteuropäische Arbeitnehmer*innen

Ausländische, aus Mittel – und Osteuropa entsandte Arbeitnehmer werden häufig im Werkvertragsbereich, vor allem in der Logistik, auf dem Bau oder in der Fleischindustrie eingesetzt. Mancher Schlachthof arbeitet mit keinem einzigen festangestellten Arbeitnehmer sondern nur mit Werkvertrags-Arbeitnehmern. Aufgrund mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache und der gesetzlichen Bestimmungen sind ausländische Arbeitnehmer leicht Opfer von extrem schlechten Arbeitsbedingungen. Davon konnten Vertreter der Beratungsstelle für mittel – und osteuropäische Arbeitnehmer berichten. Diese ist im Rahmen des vom Land NRW geförderten Projekts „Arbeitnehmerfreizügigkeit in NRW gestalten“ und der Initiative „Faire Mobilität“ des DGB entstanden. Die Vertreter der Beratungsstelle nehmen Kontakt zu den ausländischen Beschäftigten auf und bieten Beratung in u.a. ungarischer, bulgarischer und rumänischer Sprache an.

Unabhängig davon besteht für alle Interessierte und Betroffene eine besondere Service-Hotline zu Zeitarbeit und Werkvertrag, ein Angebot des DGB NRW und der Landesregierung NRW. Diese ist unter 0211/8371925 erreichbar.

Die vollständige Studie kann auf der Seite der Hans-Böckler-Stiftung heruntergeladen werden.

Zur Studie der Hans-Böckler-Stiftung geht es hier.

 Zur Hotline zu Zeitarbeit und Werkvertrag als Angebot des DGB NRW und der Landesregierung NRW geht es hier.