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Wir waren dabei

Migration und ihre Folgen

In Leipzig fand der diesjährige Deutsche Juristentag statt. Die DGB Rechtsschutz GmbH war nicht nur mit einem Messestand vertreten. Unsere Jurist*innen haben sich auch an der Diskussion beteiligt, inwieweit das Recht Zuwanderung und Integration in Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Sozialordnung steuern kann.

Alle zwei Jahre findet ein Deutscher Juristentag (DJT) statt. Etwa 2.600 Jurist*innen aus allen Bereichen diskutieren drei Tage lang über die Fortentwicklung des Rechts. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten machen sie dem Gesetzgeber Vorschläge. Der diesjährige DJT stand ganz im Zeichen der Probleme einer sich durch Einwanderung verändernden Gesellschaft. Dabei war man sich darin einig, dass Lösungen nur mithilfe verbindlicher rechtsstaatlicher Regeln gefunden werden können.
 

Hochrangiger Besuch

Nach der Eröffnung des DJT vom Präsidenten Professor Dr. Mathias Habersack wurden konnten die Teilnehmer den Worten einiger prominenter Zeitgenossen lauschen, unter anderem der schwedischen Königin Sylvia.
 
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Herr Professor Dr. Andreas Voßkuhle, wies in seiner Festrede darauf hin, dass Rechtsstaat und Demokratie zuweilen in einem Spannungsverhältnis stünden. Viele Bürger würden den Staat immer weniger akzeptieren und verlören das Vertrauen daran, dass Probleme mithilfe demokratischer und rechtsstaatlicher Mittel gelöst werden können. Aufgabe von Politik und Justiz müsse es sein, dieses Vertrauen wieder herzustellen. Dabei müsse vor allem umgedacht werden im Bereich Kommunikation. Denn wer dem Recht misstraue, gerate schnell in die Fänge von Rattenfängern.
 

Kein Recht des Stärkeren

Der Leipziger Oberbürgermeister, Burkhard Jung, erinnerte an die Demonstrationen der Bürger*innen der DDR im Jahr 1998  und ihren Ruf „Wir sind das Volk“. Seinerzeit sei es den Bürgern gerade um mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gegangen. Der Minderheit, die heute dieselbe Parole benutze, ginge es dagegen um die Abschaffung unseres demokratischen Rechtsstaats.
 
Für Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley ist der demokratische Rechtsstaat eine der größten Errungenschaften überhaupt. Er schaffe die Freiheit, sich zu wehren gegen einen Staat, der zu weit ginge. Er garantiere, dass jede und jeder zum Recht kommen könne und niemand das Recht des Stärkeren akzeptieren müsse.
 

Auch zugewanderte Bürger haben ein Recht auf Teilhabe

In der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht diskutierten die Teilnehmer durchaus kontrovers über die mögliche Fortentwicklung des Rechts. Sehr einig war man sich aber darin, dass es darum geht, alle bei uns lebenden Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Insbesondere begrüßten die Teilnehmer den Erlass eines Einwanderungsgesetzes nach Maßgabe der Bedürfnisse des deutschen Arbeitsmarktes. Solch ein Gesetz muss nach Auffassung des DJT Maßnahmen erhalten, die die Anerkennung von beruflicher Qualifikation vereinfacht.
 
Kontroversen gab es dagegen hinsichtlich der Entwicklung des Asylrechts. Während es bei der Zuwanderung darum geht, neue Mitbürger zu gewinnen, die als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft die Zukunft unseres Landes mitgestalten, geht es beim Asylrecht um unsere Hilfe für Mitmenschen in Not. Leider konnten wir uns diesbezüglich nicht mit allen unseren Positionen durchsetzen.
 

Der DJT empfiehlt Verbesserungen für Asylbewerber

Viele wichtige Vorstellungen der gewerkschaftlich orientierten Jurist*innen wurden dann aber doch in die Empfehlungen übernommen. Hier einige Beispiele:
 

  • Für den Anspruch auf Gesundheitsversorgung der Asylbewerber sollte das Erfordernis der „akuten" Behandlungsbedürftigkeit gestrichen werden.
  • Der Kreis der Personen, die zur Teilnahme an einem Integrationskurs berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet sind, sollte auf Menschen erweitert werden, bei denen keine rechtlich gesicherte Aussicht auf einen längeren Aufenthalt besteht.
  • Die allgemeine Schulpflicht muss für alle Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter spätestens nach drei Monaten Aufenthalt gelten und eine Sprachförderung bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgen.
  • Beschäftigungsverbote sollten nach der Einreise zunächst nur für eine kurze Anfangsphase eingreifen, in welcher Daten und Anträge zwecks Statusklärung aufgenommen werden müssen.
  • Das Erwerbstätigkeitsverbot sollte gestrichen werden.
  • Das Recht auf Mindestlohn soll weiterhin auch für Menschen mit „Vermittlungshemmnissen“ gelten.

Gegen Ausgrenzung und Herabwürdigung

Der Deutsche Juristentag 2018 hat deutlich gezeigt, dass bei allen Meinungsverschiedenheiten in Detailfragen Jurist*innen aus allen politischen Lagern sich in wesentlichen Punkten einig sind: der demokratische Rechtsstaat muss gestärkt und im Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger fortentwickelt werden. Wir müssen endlich akzeptieren, dass wir ein Zuwanderungsland sind, das im eigenen Interesse neue Mitbürger*innen willkommen heißt. Menschen, die aufgrund einer Notlage aus ihrer Heimat fliehen müssen, haben in unserem Land Anspruch auf Asyl.
 
Ein wichtiges Signal geht zudem vom diesjährigen DJT aus: niemand, der in unserem Land lebt, darf von der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Die Würde des Menschen, die unser Grundgesetz für unantastbar erklärt, gilt für alle Menschen. Sie gilt unabhängig von der Nationalität, von der politischen Überzeugung oder der Lebensweise. Sie gilt selbst für überführte Straftäter und natürlich auch für Menschen, die hilflos sind und sich in ihrer Not in unseren Schutz begeben. Unsere Verfassung verpflichtet die staatliche Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Und sie gibt der Würde des Menschen eine „Ewigkeitsgarantie“. Die Achtung und den Schutz der Menschenwürde gehört zu den Grundrechten, die nach Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes auch mit einer noch so großen Mehrheit nicht einmal „berührt“ werden dürfen.
 
Selbstverständlich kann jeder seine Meinung frei äußern, auch durch organisierte Demonstrationen. Niemand hat aber das Recht, andere Menschen herabzuwürdigen und zu diskriminieren. Weder durch Worte noch durch Taten.
 
Hier geht es zu den Beschlüssen des 72. Deutschen Juristentages