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Wir waren dabei

Jahrespressegespräch beim Bundessozialgericht

Beim jährlichen Pressegespräch gab das Bundessozialgericht einen Rückblick auf das Jahr 2017 sowie einen Ausblick auf das Jahr 2018. Mit dem 7. Februar fiel die Veranstaltung auf den Tag, an dem sich CDU, CSU und SPD auf den Koalitionsvertrag geeinigt haben.

Der Koalitionsvertrag steht. Das griff Dr. Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), in seiner Begrüßung auf. Denn als Bundesgericht, das für die Angelegenheiten der sozialen Sicherheit zuständig ist, bekommt das BSG die Auswirkungen der Politik zu spüren. So stehen in diesem Jahr noch Entscheidungen zu Rentenfragen an, die aus dem letzten Koalitionsvertrag entstanden sind. Es geht dabei um zusätzliche Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder. Der jetzige Koalitionsvertrag sieht hier einen weiteren Entgeltpunkt vor. 

Dauerhafte Speicherung des Lichtbilds für die Gesundheitskarte

Dr. Estelmann, Richter im 1. Senat (zuständig für Streitigkeiten aus dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung), gab einen Überblick über den Stand der Dinge zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK). 

In einem Urteil aus 2014 (B 1 KR 35/13 R) hatte der 1. Senat entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen zur elektronischen Gesundheitskarte nicht das Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung verletzen. Auch eine Verletzung europäischen Datenschutzrechts hatten die Richter verneint.

Beim 1. Senat ist ein Verfahren anhängig wegen der Gesundheitskarte, bei dem es (noch) um die dauerhafte Speicherung des Lichtbildes geht. Mit dem Hauptantrag, eine Gesundheitskarte ohne Lichtbild zu bekommen, konnte der Kläger nicht durchdringen. Über den Hilfsantrag, die dauerhafte Speicherung zu verhindern, wird das BSG in diesem Jahr entscheiden (B 1 KR 31/17 R).  

Geschäftsbericht  - Hartz IV Verfahren abnehmend

Dr. Schlegel teilt mit, dass Revisionen um etwa 6% gestiegen sind. Bei den Anhörungsrügen, mit denen Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden, ist ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen. 

Die Verfahrensdauer ist mit durchschnittlich 10,9 Monaten in Revisionsverfahren beachtlich kurz, verglichen mit den Verfahren bei den Sozialgerichten in erster Instanz. 

Noch ein interessanter Punkt am Rande: Die Hartz IV Verfahren sind abnehmend. In diesem Jahr wird sich beim BSG nur ein Senat mit dem Thema Grundsicherung beschäftigen. In den Jahren zuvor gab es zwei Grundsicherungssenate. Vielleicht sind nach 13 Jahren seit Einführung der Grundsicherung doch die meisten grundsätzlichen Rechtsfragen weitestgehend geklärt. In den Tatsacheninstanzen, also den Sozial- und Landessozialgerichten, gibt es hingegen nach wie vor zahlreiche Verfahren.  

Dr. Schlegel warf noch einen Blick in die Zukunft. Denn in den kommenden Jahren werden viele der Bundesrichter in den Ruhestand gehen. Eine starke Veränderung stehe deshalb bevor.

Was die Zahlen (Verfahrensarten, Neueingänge etc.) angeht, möchten wir im Übrigen auf den Geschäftsbericht des BSG verweisen.

Tätigkeitsbericht 

Der Tätigkeitsbericht 2017 steht auf der Homepage des BSG zum Download bereit.

Über viele Entscheidungen des BSG aus dem Jahr 2017, die im Tätigkeitsbericht genannt sind, haben wir berichtet. Hier einige Beispiele:

Ehemaliger Richter übt harsche Kritik am 1. Senat  

Der sicher unerfreulichste Punkt des Tages war für Dr. Schlegel ein Artikel von Dr. Hambüchen, bis 2014 Vorsitzender Richter des 3. Senats beim BSG. Als solcher hatte er sich neben dem 1. Senat auch mit dem Recht der Krankenversicherungen auseinanderzusetzen. Der Artikel war in der Novemberausgabe der Zeitschrift „Das Krankenhaus“ unter dem Titel „Quo vadis, 1. Senat des BSG?“ erschienen und hat für große Aufregung gesorgt. 

Dr. Hambüchen übt scharfe Kritik am 1. Senat und seiner Rechtsprechung im Leistungserbringerrecht, insbesondere im Krankenhausbereich. Er wirft seinen ehemaligen Kollegen grobe Rechtsanwendungsfehler, Missachtung des Gesetzgebers und Verfassungsverstöße vor.

Gestützt auf die Ausführungen von Dr. Hambüchen hat ein Berliner Krankenhaus Anfang Januar 2018 bei der Staatsanwaltschaft gegen mehrere ehemalige und aktuelle Richter des 1. Senats des BSG eine Strafanzeige wegen des Verdachts fortgesetzter Rechtsbeugung gestellt.

Dr. Schlegel betonte die verfassungsrechtlich verbürgte richterliche Unabhängigkeit. Das in Dr. Hambüchens Artikel unter anderem zum Ausdruck gebrachte Ansinnen, das Präsidium des Gerichts möge Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung einem anderen Senat zuweisen, wiege schwer, so Dr. Schlegel. 

Großer Senat wird über die an eine Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen entscheiden

Als wichtige Entscheidungen 2018 hob der Präsident des BSG die des Großen Senats hervor. Dieser wird klarstellen, welche Anforderungen an eine Revisionsbegründung zu stellen sind. Hier gibt es offenbar in den verschiedenen Senaten unterschiedliche Vorstellungen, was die Kläger bzw. deren Prozessvertreter an Rechtsvortrag zu erbringen haben. 

Wird die gesetzliche Krankenversicherung unnötig schlecht geredet?

Mit seinen abschließenden Worten kam Dr. Schlegel auf den Koalitionsvertrag zurück. Beim Warten darauf habe er den Eindruck gewonnen, dass die gesetzliche Krankenversicherung unnötig schlecht geredet wird. Dies sei seine Sicht als Jemand, der jeden Tag mit dem System zu tun habe.

Er verweist auf eine OECD-Studie (OECD Gesundheitsdaten 2014 Deutschland im Vergleich) und die vergleichsweise hohen Gesundheitsausgaben in Deutschland. 

Angesprochen auf das Thema Beschleunigung der Verfahren, sieht Dr. Schlegel die Möglichkeiten als ausgeschöpft an. Rechtsschutzsuchende müssen weiterhin das Gefühl haben, Gehör zu finden, so sein abschließendes Statement.

LINKS:

Hier geht es zu den Infos auf der Seite des Bundessozialgerichts zum Jahrespressegespräch:


Lesen Sie zum Thema Gesundheitskarte und Speicherung des Lichtbildes unseren Artikel: