Finanzgericht verweigert Arbeitnehmern die Anerkennung von Unfallkosten als Werbungskosten!
Finanzgericht verweigert Arbeitnehmern die Anerkennung von Unfallkosten als Werbungskosten!

In dem durch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall verunfallte eine Angestellte auf der Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte. Die Reparaturkosten für den Pkw betrugen rund 7.000 Euro. Von dritter Stelle wurde ein Großteil der Kosten erstattet. Des Weiteren begehrte die Klägerin die Anerkennung von unfallbedingten Behandlungskosten in Höhe von 660,95 Euro

Finanzamt lehnt Werbungskostenabzug für krankheitsbedingte Behandlungskosten ab, anerkennt aber Reparaturkosten für Pkw

Die von der Klägerin selbst getragenen Reparaturkosten in Höhe von ca. 280 Euro wurden von dieser im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung als Werbungskosten geltend gemacht.
Das zuständige Finanzamt anerkannte die der Klägerin verbliebenen Reparaturkosten für deren Pkw als Werbungskosten, lehnte jedoch die unfallbedingten Behandlungskosten als Werbungskosten ab. Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Finanzgericht, welches zu dem Ergebnis kann, das Behandlungskosten nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Da der Bescheid des Finanzamtes im Hinblick auf die Reparaturkosten für den Pkw in Rechtskraft erwachsen war, bestand für das Finanzgericht überhaupt kein Anlass sich hierzu zu äußern. Gleichwohl sahen sich die Richter*innen des Ersten Senats des Finanzgericht Rheinland-Pfalz dennoch veranlasst, sich zu der im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Frage, ob unfallbedingte Reparaturkosten als Werbungskosten anzuerkennen sind, wie folgt zu äußern:

„Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Reparaturkosten für das Fahrzeug der Klägerin in Höhe von 279,10 EUR (6.915,60 EUR abzgl. erhaltener Schadenersatzleistungen in Höhe von 6.636,50 EUR) zu Unrecht vom Beklagten als Werbungskosten berücksichtigt wurden. Diese sind ebenfalls durch die Entfernungspauschale abgegolten (§ 9 Abs. 2 EStG). Da eine Verböserung im gerichtlichen Verfahren aber nicht in Betracht kommt, bleibt es bei dem Ansatz als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin“.

Begründet wurde diese Rechtsauffassung damit, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes die Entfernungspauschale „sämtliche Aufwendungen“ abdecke, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstehen, also auch außergewöhnliche Kosten. Dies diene dem vom Gesetzgeber bezweckten Ziel der Steuervereinfachung und der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten über die Frage, ob noch gewöhnliche oder schon außergewöhnliche Aufwendungen vorliegen. 

 

Unfallkosten auf dem Arbeitsweg weiterhin als Werbungskosten geltend machen!

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz setzt mit der Entscheidung den ungünstigen Trend fort, den der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2014 eingeschlagen hat.
Der BFH hatte am 23.03.2014 entschieden, dass ein Arbeitnehmer die Kosten für einen Motorschaden nicht zusätzlich zur Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen kann, selbst wenn der Motorschaden infolge einer nachweislich auf dem Arbeitsweg passierten Falschbetankung zustande kam.

Anmerkung:

Bei Unfallkosten auf dem Weg zur Arbeit, diese weiterhin als Werbungskosten geltend machen!

Die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz ist ärgerlich, zumal die Richter`*innen im Rahmen der Entscheidung sich zu einer Frage äußerten die gar nicht relevant für die Entscheidungsfindung war. Diese entscheidungsunerhebliche Rechtsauffassung sollte nicht zum Ergebnis führen, nunmehr auf dem Arbeitsweg entstehende Unfallkosten nicht mehr als Werbungskosten geltend zu machen.

 

Bundesfinanzministerium: Unfallkosten auf dem Arbeitsweg sind abzugsfähig!

Nach wie vor gilt das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 31.03.2013, Az. IV C 5 – S 2351/09/10002:002, wonach Unfallkosten auf dem Arbeitsweg neben der Entfernungspauschale abzugsfähig sind. Wenn also Unfallkosten nicht anerkannt werden, sollte – unter Hinweis auf das vorgenannte Schreiben des Bundesfinanzministeriums – Widerspruch eingelegt werden.

 

Unfallkosten = gewöhnliche Pkw-Kosten? – Finanzgericht contra Bundesfinanzministerium!

Es verwundert, dass der Erste Senat des Finanzgericht Rheinland-Pfalz Unfallkosten auf dem Arbeitsweg zu den gewöhnlichen Pkw-Kosten rechnet. Üblicherweise sind Unfallkosten solche Kosten, die gewöhnlicher Weise nicht anfallen, also außergewöhnliche Kosten. Eben aus diesem Grund hält das Bundesfinanzministerium diese Kosten auch für berücksichtigungs- und als Werbungskosten abzugsfähig.
Die rheinland-pfälzischen Finanzrichter*innen gehen ungefragt davon aus, dass Unfallkosten mit der Entfernungspauschale als abgegolten anzusehen sind und sämtliche Aufwendungen, „die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstehen, also auch außergewöhnliche Kosten, hierunter fallen, da dies dem vom Gesetzgeber bezweckten Ziel der Steuervereinfachung dient“. Ob dies vom Gesetzgeber tatsächlich so gewollt ist erscheint mehr als fraglich, da das Bundesfinanzministerium gleichwohl Unfallkosten weiterhin als steuermindernd anerkannt wissen will.
Das Finanzgericht ist kein "kein verlängerter Arm" der Finanz- oder Zollbehörden. Die Richter und Richterinnen in der Finanzgerichtsbarkeit sind nach dem Deutschen Richtergesetz unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
Aufgabe des Finanzgerichts ist es die Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns oder Unterlassens bei der gegebenen Sachlage zu prüfen, nicht aber dessen Zweckmäßigkeit.
Die Finanzämter sind durch das Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums vom 31.03.2013 angehalten die hier zur Diskussion stehenden Reparaturkosten als Werbungskosten anzuerkennen. Dieser Weisung ist das zuständige Finanzamt gefolgt. Die Reparaturkosten wurden vom Finanzamt im vollen Umfang anerkannt. Eine Abänderung durch das Finanzgericht daher war im Rahmen des Klageverfahrens nicht mehr möglich.
Warum der Erste Senat des Finanzgericht Rheinland-Pfalz dennoch meinte, sich zu einer Rechtsfrage äußern zu müssen, die im Rahmen der von diesem zu entscheidenden Sache gar nicht zur Diskussion stand, ist unerfindlich und mag dessen Geheimnis bleiben. 
Der Autor kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass mit dem entscheidungsunerheblichen Hinweis des rheinland-pfälzischen Finanzgerichts eine steuerliche Verschlechterung eingeläutet werden soll, von der insbesondere Arbeitnehmer*innen betroffen sein werden.
Sollten die nach dem Deutschen Richtergesetz unabhängigen und nur dem Gesetz unterworfenen Richter*innen der Finanzgerichtsbarkeit weiterhin versuchen, die seit vielen Jahren als Werbungskosten anerkannten Unfallkosten zu beseitigen, dann ist der Gesetzgeber gefragt!

Entscheidung des Finanzgericht  Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.2.2016, Az. 1 K 2078/15

Entscheidung des Bundesfinanzhof vom 20.03.2014, Az. VI R 29/13

 

 

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

Auszug aus dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums

Auszug aus dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 31.03.2013, Az. IV C 5 – S 2351/09/10002:002, Ziffer 4, Seite 15

Unfallkosten, die auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder auf einer zu berücksichtigenden Familienheimfahrt entstehen, sind als außergewöhnliche Aufwendungen im Rahmen der allgemeinen Werbungskosten nach § 9 Absatz 1 Satz 1 EStG weiterhin neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen (siehe Bundestags-Drucksache 16/12099, Seite 6).