Bayern ist ein schönes Bundesland. Seine Einwohner sind aber keine königlichen Untertanen, sondern Bürger der demokratischen Bundesrepublik Deutschland. ©Adobe Stock/kashurin
Bayern ist ein schönes Bundesland. Seine Einwohner sind aber keine königlichen Untertanen, sondern Bürger der demokratischen Bundesrepublik Deutschland. ©Adobe Stock/kashurin

Wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist Deutscher. So ist es in § 1 des Staatsangehörigengesetzes geregelt. Deutsche*r sein hat also nichts mit Blut und Boden oder „ethnischen Wurzeln“ oder ähnlichem Unsinn zu tun. Es ist eine Rechtsfrage, ob jemand Deutsche*r ist oder nicht.

Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein entsprechender Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Das Recht auf diese Dokumente erwirbt man etwa durch Geburt, durch Annahme als Kind, durch Einbürgerung oder durch die Erklärung, deutsche*r Staatsangehörige*r werden zu wollen. Letzteres setzt allerdings einiges voraus, etwa dass ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

 

Ein „Freistaat“ ist ein normales Bundesland und hat keinen besonderen Status

Etwa 13 Millionen Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, leben gleichzeitig in Bayern, in einem Freistaat also. Ein Freistaat wie Sachsen und Thüringen und somit augenscheinlich kein schlichtes Bundesland.

Historisch bedeutet „Freistaat“ aber nichts anderes als „Republik“. Während der Revolution im November 1918 hatten sich etwa 50.000 Demonstrant*innen auf der Münchner Theresienwiese zu einer Friedenskundgebung versammelt, zu der SPD, USPD und die freien Gewerkschaften aufgerufen hatten. Noch am gleichen Abend rief eine kleine Gruppe um den Pazifisten Kurt Eisner (USPD) den "Freistaat Bayern" aus und erklärte das Ende der bayrischen Monarchie. Die CSU wollte nach dem Zweiten Weltkrieg der Bezeichnung aber eine besondere Bedeutung zuweisen: Bayern soll nach dem Willen der Partei im Denken der Bevölkerung als ein besonderes Land gelten. Schließlich hat der Freistaat 1949 als einziges Land das Grundgesetz nicht ratifiziert. Bis heute nicht, im Übrigen. Es gilt trotzdem.

 

Es wird heute aber kaum einen Bayern geben, der bei allem - zumeist sympathischen - Lokalpatriotismus der Auffassung ist, sein Land sei nicht Teil der Bundesrepublik Deutschland. Ein paar gibt es offensichtlich aber doch. Seltsam ist es, wenn es sich um Beamte handelt, die im Dienst der Bundesrepublik Deutschland stehen.

 

Der Beamte hatte als Geburts- und Wohnsitzstaat "Königreich Bayern" angegeben

Um genau einen solchen musste sich kürzlich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) kümmern. Ein Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) im Bundesdienst, verwendet beim Bundesnachrichtendienst (BND), hatte im Juli 2015 beim Landratsamt Starnberg einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt. Als Geburts- und Wohnsitzstaat hatte er "Königreich Bayern" angegeben. Bezogen hatte er sich auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 (RuStAG 1913).

Als der BND davon Wind bekam, leitete er ein Disziplinarverfahren ein und erhob schließlich Disziplinarklage vor dem BVerwG mit dem Ziel, den Beamten aus den Diensten der Bundesrepublik Deutschland zu entfernen.

 

Das hat das BVerwG mit Urteil vom 2. Dezember 2021 auch gemacht. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass ein Beamter, der entsprechend handelt, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stelle. Somit lehne er damit auch die freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Dadurch verletze er seine gesetzlich normierte Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise.

 

Der Beamte konnte in der Verhandlung nicht plausibel erklären, warum er sich wie ein Reichsbürger verhalten hat

Im Streitfall habe der Beamte einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei in vielfacher Weise die Begriffe "Königreich Bayern" und "RuStAG 1913" verwendet. Darin liege objektiv die im Behördenverkehr abgegebene Erklärung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht bestünde. Der Beamte hätte um die Bedeutung eines so formulierten Antrags wissen müssen.

Zugleich sei ein solches Verhalten typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene, die gerade durch diese Leugnung gekennzeichnet sei. Der Beamte habe zwar angegeben, kein "Reichsbürger" zu sein, aber auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten habe.

 

Bei der im Disziplinarrecht im jeweiligen Einzelfall anzustellenden Gesamtabwägung hätten ihn wegen der Schwere des in der Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegenden Dienstvergehens auch die für ihn sprechenden Umstände nicht vor der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bewahrt.

 

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts

 

Siehe auch unseren Artikel „Identifikation mit "Reichsbürgern“ begründet Dienstentfernung“ 

Das sagen wir dazu:

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts gibt hinsichtlich des Sachverhaltes nicht viel her. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt aber ein schwerwiegendes Dienstvergehen voraus. Wir können mithin davon ausgehen, dass hier nicht nur ein Witzbold ein wenig herumalbern wollte.

Das BVerwG stellt in der Pressemitteilung den Beamten als jemanden dar, der sich wie ein Reichsbürger verhält und auch nicht seine Beweggründe plausibel erklären kann. Reichsbürger nahmen wir viele Jahre lang auch zwar als etwas exzentrisch und verstiegen wahr, aber nicht weiter als gefährlich. Durchgeknallt, aber harmlos. Das war indessen ein großer Irrtum!

 

Viele Reichsbürger besitzen Waffen und sind bereit, von ihnen Gebrauch zu machen

Heute wissen wir, dass die Szene zwar heterogen ist, deren Mitglieder aber durchweg den demokratischen Staat ablehnen. Rechtsextremismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und die Leugnung des Holocausts sind unter den Reichsbürgern stark verbreitet. Viele besitzen Waffen und sind bereit, von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie es für nötig halten. Harmlos klingt anders.

Und wenn das BVerwG in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen hat, dass der fragliche Beamte Teil dieser Szene ist, hat er als Beamter im Bundesdienst nichts zu suchen. Schon gar nicht beim Nachrichtendienst für die zivile und militärische Auslandsaufklärung.

 

„Reichsbürger“ meinen, die Bundesrepublik Deutschland gebe es gar nicht. Sie träumen von einem „Deutschen Reich in den Grenzen 31. Dezember 1937“.

Warum gerade dieses Datum? Drüber hatten wir ausführlich in unserem Beitrag „Seit drei Jahrzehnten blühen die Landschaften“ berichtet. 

 

Ein „Königreich Bayern“ hat seine Existenz schon 1918 aufgegeben

Die alliierten Siegermächte des zweiten Weltkrieges mussten 1945 bestimmen, was mit „Deutschland als Ganzes“ gemeint ist. Diese Definition war wichtig, denn bis zum 2. Oktober 1990 galten nämlich noch die Alliierten Vorbehaltsrechte für „Deutschland als Ganzes“. Irgendeine besondere geschichtliche Bedeutung, die Ansprüche von Deutschland oder den durchgeknallten Reichsbürgern legitimieren könnte, hat das Datum nicht. Die Alliierten hatten sich nur auf einen Zeitpunkt vor dem Anschluss Österreichs an das faschistische Deutschland geeinigt.

Ein „Königreich Bayern“ hat seine Existenz freilich schon viel früher aufgegeben, nämlich im November 1918, als Bayern als Freistaat ausgerufen und für kurze Zeit Räterepublik wurde. König Ludwig III machte sich damals vom Acker und entband mit der Anifer Erklärung die bayerischen Beamten und Soldaten ihres Treueeides. Am Ende war die Bayrische Monarchie nicht einmal mehr glanzvoll, wenn man denn darauf Wert legt. Die Wittelsbacher Ludwig der Zweite und dessen jüngerer Bruder Otto galten als „geisteskrank“. „Prinzregent“ Luipold und dessen Sohn Ludwig III, die die Regierung übernommen hatten, waren eher passiv und so begab es sich, dass in Bayern früher als anderswo in Deutschland sich eine Entwicklung von konstitutionellen hin zur parlamentarischen Monarchie abzeichnete. 

 

Ein Rechtsradikaler ermordete 1919 Bayerns Regierungschef Kurt Eisner

Trotzdem standen in Bayern seltsamerweise die Angehörigen des alten Adels anders als im Rest der Weimarer Republik noch lange in gutem Ruf.

Nach dem Ende der Räterepublik unter Kurt Eisner, den der rechtsradikale Anton Graf von Arco auf Valley auf dem Weg zur konstituierenden Sitzung des Landtags im Februar 2019 ermordet hatte, geisterte wieder ein Wittelsbacher durch die bayrischen Gazetten: Rupprecht von Bayern, Sohn Ludwigs III und letzter Kronprinz. Der soll in der Bevölkerung sehr beliebt gewesen sein. Trotzdem verabschiedeten die Bayern im August 1919 die Bamberger Verfassung und Bayern blieb Republik. Rupprecht fand sich jedoch niemals damit ab und arbeitete eifrig an der Restauration.

Ministerpräsident Heinrich Held (Bayerische Volkspartei, eine Art Vorläuferin der CSU) schlug 1933 kurz vor der Machtübernahme der Nazis vor, Rupprecht von Bayern zum Generalstaatskommissar zu berufen, um sukzessive das Königreich Bayern wieder herzustellen. Das hat nicht geklappt. Jedoch muss man Rupprecht zugutehalten, dass er nie mit den Nazis sympathisiert hat. Stattdessen versuchte er noch 1933 mit Hilfe von Hindenburg Bayern von der „Gleichschaltung“ der Nazis auszunehmen und das Königreich wieder zu etablieren. Als das nicht klappte, ging er in Exil.

 

Rupprecht von Bayern hatte die Idee, das Königreich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufleben zu lassen

1945 tauchte er wieder auf und gründete eine Stiftung in Würzburg, die sich dem sozialen Wohnungsbau widmete. In seinem Umfeld bildeten stramme Monarchisten die Bayerische Heimat- und Königspartei, die sich für die Wiederherstellung der Monarchie in Bayern mit Rupprecht als König einsetzte. Mit der amerikanischen Besatzungsmacht wollten sie die die Wiederherstellung des Königreichs Bayern verhandeln, was diese freilich für einen schlechten Scherz hielten.

Selbst, als es um die Gründung der Bundesrepublik Deutschland ging, meinten Monarchisten in Bayern, das Land könne ja auch als Königreich Gliedstaat der Bundesrepublik werden. Glücklicherweise hat Bayern sich aber bewusst als „Freistaat“ konstituiert, als Republik also. Die Monarchisten wurden mit der Zeit zwar weniger. Als Rupprecht im August 1955 starb, bekam er dennoch vom Freistaat (!) Bayern ein Staatsbegräbnis. Und schließlich gewährte man im auch die Krone des Königreichs Bayern. Nicht als Grabbeigabe, sondern sie wurde während der Trauerfeier auf seine Bahre gelegt. Auf Veranlassung von Wilhelm Hoegner im Übrigen, einziger Sozialdemokrat, der es im Freistaat nach dem zweiten Weltkrieg zum Ministerpräsidenten gebracht hatte.

 

Wer offen und provokant als bayrischer Monarchist auftritt, hat als Bundesbeamter eine Grenze überschritten

Mit Rupprecht hat der Freistaat also endgültig die Monarchie begraben. Und macht seitdem die erfolgreichste Periode seiner Geschichte durch. Vom Bauernland zu Laptop und Lederhose. Bis 1986 Empfänger von Mitteln aus dem Länderfinanzausgleich. Finanziell am Leben gehalten unter anderem von Ländern wie NRW und Bremen. Und jetzt eines der nur noch drei verbliebenen „Geberländer“, die NRW und Bremen am Leben halten.

 

Herbeisehnen kann sich wahrlich kein Bayer die „gute alte Zeit“ des Königreiches. Und wenn jemand das macht, kann man das vielleicht als Folklore abtun. Wenn aber ein Beamter, der aus Steuermitteln der Bundesrepublik Deutschland alimentiert wird, offen und provokant als bayrischer Monarchist auftritt, ist eine Grenze überschritten.