OVG NRW bestätigt Verbot zur Führung von Dienstgeschäften eines Kommissaranwärters ©Von bluedesign
OVG NRW bestätigt Verbot zur Führung von Dienstgeschäften eines Kommissaranwärters ©Von bluedesign

In Nordrhein-Westfalen wurde einem Kommissaranwärter im Juli 2021 mit sofortiger Wirkung untersagt, weiterhin Dienstgeschäfte zu führen. Dadurch war es ihm nicht mehr möglich, seine Ausbildung fortzuführen. Anlass für die Untersagung war, dass der Anwärter zum Zeitpunkt seiner Bewerbung für den Polizeidienst auf Instagram ein Foto postete, das ihn mit erhobenen Händen und ausgestreckten Mittelfinger zeigte. Als Bildunterschrift befand sich der nicht als Fremdzitat ausgewiesene Text:

"Ich zeig euch Huren eure Grenzen, guck ihr spielt die Reise nach Jerusalem mit Schwänzen"

 

Im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens wandte sich der Kommissaranwärter an das Verwaltungsgericht (VG) Münster, mit dem Ziel, dass er die Dienstgeschäfte nicht mit sofortiger Wirkung einstellen muss. Das VG wies den Antrag ab.

 

Gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts legte er Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ein.

 

Verbotsverfügung wegen frauenverachtenden Post ist rechtmäßig

Mit seiner Entscheidung vom 5. Oktober 2021 bestätigte das OVG NRW die Entscheidung des VG. Durch den frauenverachtenden Post, so das Gericht, habe der Anwärter massive Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeiberuf geweckt. Überdies sei der Beitrag geeignet, das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit zu schädigen.

Von einem Bewerber für die Einstellung in den Polizeidienst und erst recht von einem im Dienst befindlichen Kommissaranwärter müsse erwartet werden, dass er sich von frauenfeindlichen Gedankengut distanziert. Dies sei zum Beispiel durch die Löschung des Beitrags möglich gewesen. Von dieser Möglichkeit habe der Beschwerdeführer aber abgesehen. Letztendlich habe er auch keine tragfähige Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.

 

LINKS:

Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des OVG NRW vom 5. Oktober 2021.

 

 

Das sagen wir dazu:

Beamt*innen sind keine Arbeitnehmer*innen, die einen Vertrag mit ihren Dienstherren haben. Sie stehen nicht in einem Arbeitsverhältnis, das ein Arbeitgeber als Dauerschuldverhältnis kündigen könnte. Sie haben vielmehr ein besonderes Rechtsverhältnis mit dem Staat. Sie stehen einem sogenannten öffentlichen-rechtlichen Treueverhältnis, das sie grundsätzlich auf Lebenszeit eingehen.

Hat ein Beamter seine Dienstpflichten verletzt, kann der Dienstherr ihn nicht einfach abmahnen oder gar kündigen. Der Dienstvorgesetzte leitet vielmehr ein Disziplinarverfahren ein, an dessen Ende dann Konsequenzen stehen. Das Verfahren kann eingestellt werden oder der Dienstherr erlässt eine Disziplinarverfügung, in der die Disziplinarmaßnahme festgesetzt wird.

Ist aber das Dienstvergehen so schwer, dass der Dienstherr meint, der Beamte sei zu degradieren oder aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, muss er Disziplinarklage erheben. Solch weitgehende Disziplinarmaßnahmen kann nämlich nur ein Verwaltungsgericht durch Urteil verfügen.

Wenn der Dienstherr der Auffassung ist, das Vertrauensverhältnis sei so stark gestört, dass der Beamte gleichsam keine Sekunde mehr Dienst verrichten soll, kann er mit einem Bescheid der/dem Betreffenden die Fortführung der Dienstgeschäfte untersagen. Oft kombiniert mit einer Verfügung, mit der er die Dienstbezüge kürzt. Und zwar bereits vor Eröffnung des Disziplinarverfahrens.

Je nach Bundesland kann der Beamte gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegen oder klagen. Beides hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Das will der Dienstherr natürlich nicht, deshalb verfügt er in der Regel zugleich die sofortige Vollziehung des Bescheides. Das bedeutet, dass der Rechtsbehelf die aufschiebende Wirkung verliert. Die sofortige Vollziehung kann der Dienstherr in den Fällen anordnen, in denen sie im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten steht.

Gegen die sofortige Vollziehung kann der Beamte in einem Eilverfahren vorgehen. Um solch ein Verfahren handelt es sich im vorliegenden Fall. Der Beamte wollte also erreichen, dass seine Klage gegen die Verfügung, die ihm die Fortführung der Dienstgeschäfte untersagt, wieder eine aufschiebende Wirkung bekommt.

Dieses Verfahren ist noch nicht das gerichtliche Disziplinarverfahren. Das wird erst mit der Disziplinarklage eröffnet. Die wird im vorliegenden Fall das Ziel haben, den Polizeibeamten aus dem Dienst zu entfernen.  

Rechtliche Grundlagen

§ 39 Beamtenstatusgesetz

Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG)

§ 39 Verbot der Führung der Dienstgeschäfte

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

§ 80 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
1. bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2. bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3. in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a. für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4. in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
1. die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2. eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.