Bereitschaftsdienst von Polizisten sind als Arbeitszeit zu bewerten
Bereitschaftsdienst von Polizisten sind als Arbeitszeit zu bewerten

Der Kläger ist Polizist und Mitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er hat Unterstützungseinsätze in Lüneburg, Dresden und Gorleben geleistet. Das Verwaltungsgericht hat hierzu entschieden, dass dem Kläger für seinen Einsatz in Gorleben 65 Stunden und 30 Minuten gutzuschreiben sind. Für die zwei anderen Einsätze hat das Gericht keinen Anspruch gesehen.

Bereitschaftsdienstzeiten sind Arbeitszeit

Das Verwaltungsgericht geht zunächst davon aus, dass – wie durch die Rechtsprechung seit langem anerkannt - Bereitschaftsdienstzeiten Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitrechts sind. Bereitschaftsdienstzeiten werden dann geleistet, wenn der sich Beamte an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort zu einem jederzeitigen Einsatz bereitzuhalten hat, wenn erfahrungsgemäß mit einem solchen zu rechnen ist.

Zunächst stellt das Gericht für die Einsätze in Dresden und Lüneburg fest, dass hier kein Bereitschaftsdienst geleistet wurde, denn die Beamten mussten sich zwar außerhalb ihres häuslichen Bereichs aufhalten, sich jedoch nicht ständig für einen möglichen Einsatz bereithalten. Vielmehr konnten sie nach der Einsatzzeit ihren Interessen nachgehen, denn eine Nach-Arlarmierung war danach nicht vorgesehen.

Anders verhielt es sich bei dem Einsatz in Gorleben: Dieser erfolgte aufgrund eines Einsatzbefehls, der als mehrtägiger Einsatz unter permanenter Einsatzbereitschaft angeordnet war und der gleichzeitig die erforderliche Mehrarbeit anordnete, die zudem auch vermerkt, gutgeschrieben und abgezeichnet wurde.

Arbeitszeitregeln schützen private Interessen von Beamten

Das Verwaltungsgericht wertet die Abzeichnung der Mehrarbeit als deren nachträgliche Genehmigung und knüpft an das Berliner Landesbeamtengesetz an, denn dies fordert den vollen Ausgleich der über die regelmäßige Arbeitszeit geleisteten Mehrarbeit. 

Für eine verminderte Anrechnung der geleisteten und als Mehrarbeit anerkannten Bereitschaftsdienstzeit lasse allein die gesetzliche Regelung keine andere Auslegung zu, mit der sich das Verwaltungsgericht in aller Ausführlichkeit auseinandersetzt.

Insbesondere stehe für die über einen längeren Zeitraum einzuhaltende regelmäßige Arbeitszeit nicht der Schutz der Gesundheit und die Vermeidung einer übermäßigen Belastung des Beamten im Vordergrund, sondern die für Arbeitnehmer und Beamte gleichermaßen geltende soziale Verbesserung, die die Wahrnehmung persönlicher und privater Interessen ermöglichen soll und bezieht sich hierzu auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus den 70er Jahren.

Mehrarbeit nur ausnahmsweise Vergütungspflichtig

Allerdings ist zwischen geleisteter Mehrarbeit, die zeitlich voll auszugleichen ist, und einem etwaigen Vergütungsanspruch zu unterscheiden. Das Verwaltungsgericht bezieht sich hierzu auf beamtenrechtliche Grundsätze dergestalt, dass ein Beamte stets vollen Einsatz zeigen muss und deshalb Mehrarbeit in einem gewissen Rahmen leisten muss, ohne hierfür einen Ausgleich verlangen zu können. 

Sofern er diesen verlangen kann, steht der zeitliche Ausgleich an erster Stelle. Erst danach kommt die – rechtlich im einzelnen geregelte - Mehrarbeitsvergütung ins Spiel, die eine Abgeltung für den Fall sein soll, dass ein zeitlicher Ausgleich nicht vorgenommen werden kann.

Nachdem sich das Verwaltungsgericht auch mit der in Berlin geltenden Mehrarbeitsvergütungsverordnung auseinandersetzt, kommt es zu dem Ergebnis, dass dem Beamten für den Einsatz in Gorleben der volle zeitliche Ausgleich zuzusprechen ist.

Anmerkung: Achtung Sonderfall

Der Leitsatz dieser Entscheidung, nach dem das Berliner Landesbeamtengesetz einen Ausgleich der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Mehrarbeit durch Dienstbefreiung im Verhältnis 1:1 ausnahmslos fordert und zwar auch dann, wenn die Mehrarbeit durch Bereitschaftsdienst geleistet wurde, hat sicher viele Hoffnungen bei den betroffenen Polizeibeamten geweckt.

Bei näherer Betrachtung folgt jedoch die Ernüchterung: Das Verwaltungsgericht hat dies festgestellt für einen Einsatz, dem ein Einsatzbefehl zugrunde lag, in dem ein mehrtägiger, permanenter Einsatz einschließlich der hierfür erforderlichen Mehrarbeit ausdrücklich angeordnet war. 

Zudem war für diesen Einsatz die geleistete Mehrarbeit mit Zeitnachweisen unstreitig belegt und abgezeichnet – und nach Auffassung des Verwaltungsgerichts – damit auch nachträglich genehmigt worden. Bei diesen Voraussetzungen konnte das Verwaltungsgericht kaum anders, als dem Beamten den vollen zeitlichen Ausgleich zuzusprechen.

Einsatzbefehl und Abzeichnung liegen nicht immer vor

Dies kann jedoch bei anderen Einsätzen, in dem kein derart ausdrücklicher Einsatzbefehl vorliegt, geschweige denn unstreitige Zeitnachweise und die Abzeichnung/Genehmigung der Mehrarbeit, ganz anders aussehen, zumal das Verwaltungsgericht den vorliegenden Einsatzbefehl als Grundvoraussetzung angenommen hat. 

Diese Auffassung des Gerichts greift im Übrigen zu kurz. Die Prüfung, ob es sich bei einem geleisteten Dienst um einen Bereitschaftsdienst im Sinne des Arbeitszeitrechts handelt, ist nach den tatsächlichen Umständen zu prüfen und nicht nach einem „Stück Papier“, auch wenn es sich um einen Einsatzbefehl handelt. 

Dieser kann allenfalls ein Indiz für die Art des geleisteten Dienstes sein. Bei dieser Sichtweise werden geleistete Einsätze, denen kein solcher Befehl zugrunde liegt, nicht von vornherein ausgeschlossen.

Keine automatische Übertragung auf andere Bundesländer

Auch hat sich das Verwaltungsgericht naturgemäß auf die Vorschriften des in Berlin geltenden Rechts fokussiert. In anderen Bundesländern bedarf es einer sorgfältigen Prüfung der jeweils geltenden Landesvorschriften.

Erfreulich hingegen ist die Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus den 70er Jahren zur Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit als „soziale Verbesserung“ und nicht nur als Gesundheitsschutz des Beamten, wie sich dies aus der Richtlinie 2003/88/EG – Arbeitszeitrichtlinie – und auch aus späterer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Verwaltungsgericht Berlin hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung und die Sprungrevision zugelassen.

 

Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin zun Urteil vom 12.01.2016 finden sie hier
Das vollständige Urteil Verwaltungsgericht Berlin, Az. 26 K 58/14, vom 12.01.2016 hier zum Download

 

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