Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerden beamteter Lehrer zurück. Copyright by snowing12/fotolia
Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerden beamteter Lehrer zurück. Copyright by snowing12/fotolia

Bundesweit mussten in den letzten Jahren Beamte aller Besoldungsgruppen größere finanzielle Einschnitte hinnehmen aufgrund von Konsolidierungsprogrammen, Schuldenbremsen und der Einschränkung von Urlaubs- bzw. Sonderzahlungen. Das hat die Lebensqualität und den Lebensstandard der Beamten deutlich vermindert.


Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet für Jedermann und für alle Berufe das Recht zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, mithin auch des Streiks. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtig und hierauf gerichtete Maßnahmen rechtswidrig.


Dies veranlasste mehrere beamtete Lehrerinnen und Lehrer im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Streik mehrere Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu durchlaufen und letztlich den Weg zum Bundesverfassungsgericht zu beschreiten. Am 12.06.2018 hat das Bundesverfassungsgericht nun in verschiedenen Verfahren die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen und das Streikverbot für Beamte bestätigt.

Wir hatten hierüber bereits mehrfach berichtet:
 
Morgen verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Streikrecht für Beamte
 
Bundesverfassungsgericht vertagt Entscheidung zum Streikrecht für Beamte
 
Bundesverfassungsgericht bestätigt Streikverbot für Beamte

 

Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums schränken Grundrechte der Beamten ein

Ausweislich der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.06.2018 ist der sachliche Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG vorliegend eröffnet.  Auch der Unterstützungsstreik von Beamten stellt demnach ein ergänzendes Element der Koalitionsfreiheit dar.

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass die angegriffenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen auch das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigen. Allerdings soll bei Beamten die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit durch hinreichend gewichtige, verfassungsrechtlich geschützte Belange gerechtfertigt sein.

Dem Recht auf Teilnahme an einem Streik wird der sogenannte eigenständige „hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums“ gegenübergestellt. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die beamtenrechtliche Treuepflicht sowie das Alimentationsprinzip, also die Verpflichtung des Dienstherrn, seine Beamten dem jeweiligen Amt angemessen zu besolden und zu versorgen.

Diese beamtenrechtliche Treuepflicht einerseits sowie das Alimentationsprinzip andererseits sind die wesentlichen tragenden Säulen des hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass das Alimentationsprinzip nötigenfalls sogar gerichtlich durchsetzbar ist. Genau diese Möglichkeiten der Beamten stehen aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts dem eigenen Aushandeln der Besoldung entgegen.

 

Beamte können ihre Vergütung nicht aushandeln

Arbeitnehmer können demgegenüber ihre Vergütung mit dem Arbeitgeber aushandeln. Tarifbeschäftigte dürfen für ihre Rechte streiken und profitieren von den zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bzw. Arbeitgebern ausgehandelten Tarifverträgen.

Die Besoldung eines Beamten ist gesetzlich geregelt. Auch der berufliche Aufstieg ist gesetzlich geregelt und streng orientiert an haushaltsrechtlichen Strukturen und Vorgaben.

Politische Streiks sind in Deutschland nicht zulässig. Grundsätzlich werden Streiks im Arbeitsrecht nur als Mittel zum Zweck eines Verhandelns in Tarifauseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden anerkannt. Sie sind zulässig, wenn sie als notwendiges Mittel zur Erzwingung von rechtlich zulässigen Tarifverträgen eingesetzt werden.

Genau dies gibt es im Beamtenrecht nicht. Dort werden keine Tarifverträge ausgehandelt. Dennoch steht laut Grundgesetz das Streikrecht allen Beschäftigten zu, dem Grunde nach mithin auch Beamten. Das Grundgesetz schließt Beamte nicht aus.

 

Welche Möglichkeiten haben Beamte?

Das Bundesverfassungsgericht ist demgegenüber genau diesen Schritt nicht gegangen. Es schließt Beamte vom Streikrecht ausdrücklich und ohne jede Ausnahme aus.

Ob dies gerechtfertigt ist, den Wunschvorstellungen von Gewerkschaften bzw. Beamten entsprechen kann oder ob die Begründungen des Bundesverfassungsgerichts nachvollziehbar ist, sei an dieser Stelle dahingestellt und ausdrücklich nicht diskutiert.

Es stellt sich aber die Frage, wie Beamte bezogen auf ihr monatliches Einkommen geschützt sind und in welcher Weise sie persönlich die Möglichkeit haben, sich für eine amtsangemessene Besoldung einzusetzen.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentierung von Beamten legt zumindest nahe, dass das Bundesverfassungsgericht den in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg konsequent fortführt.

Dabei kann der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.2015 in den Blick genommen werden.

Bereits in diesem Beschluss verweist das Bundesverfassungsgericht darauf, dass der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die Besoldung der Beamten zu messen sind, sich aus den hergebrachten Grundsätzen ergeben. Diese Grundsätze seien unmittelbar geltendes Recht und enthielten einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Des Weiteren begründet diese Vorschrift aus Sicht des BVerfG ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten, soweit deren subjektive Rechtstellung betroffen ist.

 

Der Dienstherr muss Beamte lebenslang angemessen alimentieren

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Beamte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren. Beamte sind  so zu entlohnen, wie es ihrem Amt und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entspricht. Zudem ist ihnen ein Lebensunterhalt zu gewähren, der der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards entspricht.

Bei der praktischen Umsetzung soll dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum zustehen. Das Besoldungsrecht ist den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen.

Das Bundesverfassungsgericht führt ausdrücklich aus, dass die vom Gesetzgeber gewählte Lösung hinsichtlich Struktur und Höhe der Alimentation der gerichtlichen Kontrolle unterliegt und bezieht sich insofern auf sein Urteil vom Mai 2015. Das BVerfG hatte insoweit bereits auf einen Ordnungsrahmen hingewiesen. Dieser müsste durch Zahlenwerte konkretisiert werden, der aus fünf volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parametern bestehe. Es geht dabei um eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung einerseits und der Entwicklung der Tarifentlohnung im Öffentlichen Dienst andererseits.

Zu berücksichtigen sind zudem der Nominallohnindex und der Verbraucherpreisindex. Es muss ein systeminterner Vergleich und ein Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der Länder vorgenommen werden. Wenn die Mehrheit dieser Parameter Nachteile zulasten der Beamtenbesoldung aufzeigen, besteht eine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation.

In diesem Falle kann ein individueller Anspruch auf amtsangemessene Alimentierung vom Beamten geltend gemacht werden.

 

Gerechte Bezahlung geht nur mit Gewerkschaften

Der Leser kann leicht erkennen,  dass diese fünf Parameter schwerlich von einzelnen Beamtinnen und Beamten geprüft, nachvollzogen und in einer Berechnung dem Dienstherrn gegenüber offengelegt werden können. Man mag dabei zu dem Ergebnis gelangen, dass die individuell vom Beamten zu überwindende Hürde zur Verbesserung seiner Einkommenssituation unvergleichlich höher ist als beim Tarifbeschäftigten. Es ist für den einzelnen Beamten nahezu unmöglich, eine verfassungswidrige Alimentation rechtlich ändern zu lassen.

Aber auch Tarifbeschäftigte setzen ihre Forderungen auf Lohnerhöhungen nicht alleine durch. Das Streikrecht steht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern zu, wobei die Verhandlungen regelmäßig durch die Gewerkschaften geführt werden.

Das individuelle Recht von Beamten, ihren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation gerichtlich prüfen zu lassen, muss nicht zwingend anders verstanden werden. Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes sind genau im Bilde über die Tarifentwicklung und die Situation der Besoldung von Beamten. Sie verfügen mithin über Berechnungsmaterial, das zum einen im Rahmen der Streiks von Arbeitnehmern und der Tarifverhandlungen bei der Formulierung der Forderungen benötigt wird. Zum anderen könnte das Material jedoch in entsprechend aufbereiteter Form einzelnen Beamten oder Beamtengruppen zur Verfügung gestellt werden, um deren individuellen Anspruch gerichtlich durchzusetzen.

 

Die Ziele können ohne Recht auf Streik erreicht werden

Dies ist zwar ein anderer Weg als der gewünschte Weg der Teilnahme an Streiks. Völlig ohne Hoffnung auf die Chance, die Alimentation für verfassungswidrig erklären zu lassen, sind Beamte jedoch nicht. Das hat eine Vielzahl von Verfahren in dieser Frage beim BVerfG in den letzten Jahren gezeigt.

Damit besteht für Gewerkschafter zwar eine große Wehmut hinsichtlich des versagten Streikrechts für Beamte. Greift man den individuellen Klageanspruch mit dem Amtsermittlungsgrundsatz der Verwaltungsgerichte jedoch auf, so besteht die Chance, für ganze Besoldungsgruppen und landesweit Besoldungserhöhungen über mehrere Jahre hinweg erreichen zu können. Der Aufwand hierfür ist immens groß. Im Gegensatz zu Streiks und nachfolgenden Vereinbarungen über Tariflohnerhöhungen ist jedoch das Gesetz insofern gnadenlos, als im Falle eines Verstoßes gegen das Alimentationsprinzip letztlich die Durchsetzung einer Maximalforderung möglich erscheint.

Entscheidung des BVerfG zum Streikverbot vom 12.06.2018

BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015

BVerfG, Urteil vom 05. Mai 2015

Rechtliche Grundlagen

Artikel 33 Grundgesetz

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.