Nach staatlich anerkannter Berufsausbildung zur Bühnentänzerin, besteht keine Unterhaltsverpflichtung der Eltern für Psychologiestudium der Tochter. Copyright by Sergey Nivens/ fotolia
Nach staatlich anerkannter Berufsausbildung zur Bühnentänzerin, besteht keine Unterhaltsverpflichtung der Eltern für Psychologiestudium der Tochter. Copyright by Sergey Nivens/ fotolia

BAföG-Amt fordert von Eltern Zahlung von Ausbildungsunterhalt für Tochter

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte einer Studentin in der Zeit von Oktober 2015 bis September 2016 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von ca. 6.400 Euro gewährt. Nach Abschluss des Studiums verlangte das Land diesen Betrag  von den Eltern zurück. Denn nach Ansicht des Landes waren die Eltern auch während einer zweiten Ausbildung ihrer Tochter zum Unterhalt verpflichtet.
 

Traumberuf erfolgreich abgeschlossen - Keine Unterhaltspflicht der Eltern für weitere Ausbildung

Im Alter von 15 Jahren hatte sich die Tochter entschieden, den Beruf einer Bühnentänzerin zu erlernen. Sie verließ nach der mittleren Reife die Schule und absolvierte im Anschluss an einer Hochschule den Studiengang Tanz.
 
2011 schloss sie das Studium mit dem Tanzdiplom ab. Im Anschluss hieran gelang es der Tochter jedoch nicht, eine Anstellung als Tänzerin zu finden. 2012/13 erwarb sie die allgemeine Hochschulreife. 2015/16 begann sie, Psychologie zu studieren. Für dieses Studium erhielt sie BAföG-Leistungen.
 
In seiner Entscheidung vom 27. April 2018 kommt der 7. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm zu dem Ergebnis, dass die Eltern ihrer Tochter für das Hochschulstudium keinen Ausbildungsunterhalt schulden. Deshalb müssen sie dem Land auch nichts erstatten.
Eltern schulden, so der Senat, ihrem Kind grundsätzlich eine Berufsausbildung,
die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und
den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspreche. Außerdem dürfe sie  die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern nicht sprengen.
 

Nur im Ausnahmefall kann Unterhaltspflicht für weitere Ausbildung bestehen

Haben Eltern ihrem Kind eine erste Berufsausbildung gewährt, seien sie grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Nur unter besondere Umständen seien Ausnahmen hiervon denkbar. Etwa, wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht ausgeübt werden könne, die bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbar waren.
 
Eine fortdauernde Unterhaltspflicht komme auch in Betracht, wenn die weitere Ausbildung im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung stehe und von vornherein angestrebt gewesen sei. Auch könne eine Unterhaltspflicht gegeben sein, wenn während der ersten Ausbildung eine besondere Begabung deutlich werde, die die Weiterbildung erfordere.
 
Im vorliegenden Fall, so die Richter*innen des 7. OLG-Senats, haben die Eltern ihrer Tochter bereits die Erstausbildung zur Bühnentänzerin finanziert. Weiteren Ausbildungsunterhalt schulden sie nicht. Denn die Tochter habe mit dem Diplom eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zur Bühnentänzerin abgeschlossen. Das spätere Studium der Psychologie stelle keine Weiterbildung dar, die im Zusammenhang mit der ersten Ausbildung stehe. Auch habe die Tochter bei der Aufnahme ihrer Tanzausbildung keinen weiteren Besuch der allgemeinbildenden Schule mit anschließendem Studium angestrebt.
 
Zudem sei auch nicht zu erkennen, dass die Ausbildung zur Bühnentänzerin
den damaligen Neigungen und Fähigkeiten und der Begabung der Tochter
nicht entsprochen habe. Schon seit ihrem fünften Lebensjahr habe die Tochter
das Hobby Ballett betrieben. Im Grundschulalter habe sie Ballettunterricht gehabt.
An einer staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst habe sie die Aufnahmeprüfung bestanden und eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes absolviert. Im Anschluss daran habe sie an einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule mit Erfolg teilgenommen und sei zum Studiengang Tanz zugelassen worden.
 
Bei diesem Werdegang der Tochter seien die Neigungen und Fähigkeiten bezogen auf den Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns zu keiner Zeit falsch eingeschätzt worden.
 

Risiko der Nichtbeschäftigung nach Abschluss des Studiums geht nicht zu Lasten der Eltern

Eine solche Fehleinschätzung lasse sich auch nicht dem Abschluss der Tanzdiplomprüfung entnehmen. In deren praktischen Teil habe die Tochter einen befriedigenden Notendurchschnitt erzielt. Dass sie später keine Anstellung als Tänzerin gefunden habe, beruhe auf einer verschlechterten Arbeitsmarktsituation.
In der Zeit nach Abschluss ihres Studiums haben sich bis zu 3000 Bewerber auf eine Stelle im Bereich des Bühnentanzes beworben. Daher sei für die Tochter erkennbar gewesen, dass Bewerbungen mit ihren praktischen Noten im Bühnentanzberuf aussichtslos sind.
 
Ein derartiges Risiko der Nichtbeschäftigung haben unterhaltsverpflichtete Eltern grundsätzlich nicht zu tragen. Das allgemeine Arbeitsplatzrisiko könne nicht zu Lasten der Eltern gehen. Ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos sei, müsse primär selbst für seinen Unterhalt sorgen und jede Arbeitsstelle annehmen. Dies gelte auch für Tätigkeiten außerhalb des erlernten Berufs, wenn im erlernten Beruf tatsächlich keine Verdienstmöglichkeit mehr bestehe.
 
Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des OLG Hamm vom 27.04.2018: