Eingangsbesoldung für Beamte in Baden-Württemberg ist verfassungswidrig. Copyright by CrazyCloud/fotolia
Eingangsbesoldung für Beamte in Baden-Württemberg ist verfassungswidrig. Copyright by CrazyCloud/fotolia

Verwaltungsgerichte mehrerer Länder haben im Laufe dieses Jahres dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Besoldung ihrer Beamten verfassungsgemäß ist. Die Verfahren beim BVerfG dauert durchaus zwei Jahre. Deshalb findet ein Beschluss vom Oktober dieses Jahres zur Absenkung der Eingangsbesoldung in Baden-Württemberg besondere Beachtung.
 



Richter gehen gegen Absenkung der Eingangsbesoldung vor

Was war geschehen?
Ein neu eingestellter Richter in Baden-Württemberg sollte für die ersten drei Jahre seiner beruflichen Tätigkeit nur eine abgesenkte Besoldung erhalten. Seine Bezüge waren damit insgesamt 8% niedriger als die seiner Kollegen in der gleichen Besoldungsgruppe R 1. Und das sollte für drei Jahre lang  von 2013 bis 2017 so sein.
 
Der Richter war damit nicht einverstanden und sah sich bestätigt durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Das Gericht der ersten Instanz rief daraufhin das BVerfG an, um von dort eine Antwort auf die anstehenden Fragen zu erhalten.
 

BVerfG prüft umfassend alle Besoldungsgruppen

Eigentlich sollte es nur um die Richterbesoldung gehen. Bemerkenswert ist daher der Hinweis des BVerfG, alle Besoldungsgruppen zu überprüfen, die von der gesetzlichen Regelung des Landes umfasst sind.
 
Das BVerfG verweist darauf, dass das Verwaltungsgericht zuvor nur einen Teil der gesetzlichen Regelungen für verfassungswidrig gehalten habe. Das BVerfG sei aber befugt, die Vorlagefrage zu präzisieren und klarzustellen. Dabei könne es diese Rechtsfrage begrenzen, erweitern, ausdehnen oder umgedeuten.
 
Vorliegend betreffe die Verfassungswidrigkeit nicht nur die Besoldung von Richtern der Besoldungsgruppe R1, sondern auch alle anderen Beamte, die von der Herabsetzung der Eingangsbesoldung betroffen seien.
 
Diese gesetzliche Bestimmung stehe mit den Anforderungen des Alimentationsprinzips nicht im Einklang. Auch verstoße sie gegen das Prinzip der Besoldungsgleichheit. Dem Besoldungsgesetzgeber stehe zwar ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dessen Grenze habe er aber überschritten.
 

Regelungsauftrag an den Gesetzgeber

Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes regelt das Recht des öffentlichen Dienstes. Dieses Recht ist nicht starr. Der Gesetzgeber hat den Auftrag, es fortzuentwickeln. Grundlage hierfür sind die sogenannten „hergebrachten“ Grundsätze des Beamtentums.
 
Das Grundgesetz meint damit den Kernbestand von Strukturprinzipien, die bereits in der Weimarer Reichsverfassung entstanden sind. Diese Strukturprinzipien sind zwischenzeitlich allgemein anerkannt und wurden über die Jahre hinweg gewahrt. Daran muss sich der Gesetzgeber orientieren.
 
Art. 33 Absatz 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht. Er enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Er ist aber auch eine Garantie für den Fortbestand des Beamtentums. Geschützt sind dabei diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufsbeamtentums maßgeblich prägen. Diese Regelungen dürfen nicht beseitigt werden.
 

Offene Entwicklung vorgegeben

Art. 33 Absatz 5 GG steht einer Weiterentwicklung des Beamtentums aber nicht entgegen. Nur eine strukturelle Änderung des Erscheinungsbildes und der Funktion des Berufsbeamtentums sind dabei ausgeschlossen.
 
Damit gibt es auch im Berufsbeamtentum durchaus eine Offenheit für Entwicklungen. Der Gesetzgeber kann daher auch die Ausgestaltung des Dienstrechts an die jeweiligen konkreten Entwicklungen anpassen. Dazu gehört ebenfalls die Besoldung seiner Beamten.
 
Zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums zählt unter anderem das Alimentationsprinzip. Der Staat muss seine Beamte amtsangemessen alimentieren und zwar lebenslang. Diese Alimentationspflicht ist bezogen auf die Wertigkeit des Amtes, also auf die damit verbundene Verantwortung. Je höher die Wertigkeit eines Amtes ist, desto höher ist der Alimentationsanspruch eines*er Beamten*in.
 

Gleichheitssatz gilt mit großem Gestaltungsspielraum

Die Regelung der Bezüge ist an den Gleichheitssatz gebunden. Es muss also gleich Bezahlung für gleiche oder vergleichbare Ämter geben. Der Gesetzgeber hat hier aber einen weiten Gestaltungsspielraum.
 
In diesem Spielraum kann der Gesetzgeber das Besoldungsrecht an tatsächliche Notwendigkeiten anpassen. Das BVerfG überprüft dabei nicht die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung. Es beanstandet allenfalls die Überschreitung äußerster Grenzen.
 
Jede Besoldung enthalte unvermeidbare Härten, so das BVerfG. Solche Unebenheiten oder Mängel müssten die Beamten jedoch in Kauf nehmen.
 

Umfassendes Konzept der Haushaltskonsolidierung erforderlich

Das Grundgesetz gibt ein Verbot der strukturellen Nettokreditaufnahme für die Gesetzgeber vor. Alleine die Finanzlage der öffentlichen Haushalte darf aber die amtsangemessene Alimentierung nicht einschränken. Dem stehe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG entgegen, so das BVerfG weiter.
 
Auch das besondere Treueverhältnis verpflichte Beamte nicht, stärker an der Konsolidierung öffentlicher Haushalte mitzuwirken als andere.
 
Eine Einschränkung der amtsangemessenen Alimentierung könne in Ausnahmesituationen damit nur dann erfolgen, wenn das betreffende Gesetz Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzeptes der Haushaltskonsolidierung sei.
 
Dies nennt das BVerfG auch die „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips. Zwar reiche für die Besoldung ein wirksames Gesetz aus. Es müsse jedoch Sicherungen geben, damit die Vorgaben von Art. 33 Abs. 5 GG wirklich eingehalten würden. Diese Sicherungen bestünden in vorgegebenen Prozeduren, die der Gesetzgeber unbedingt einhalten müsse.
 

Auseinandersetzung mit Gesamtwirkung

Die einzelnen Sachverhalte müssten dabei immer schon abschließend vor der Einleitung des Gesetzgebungsverfahren erfasst werden. Der Gesetzgeber müsse sie auch vorher dokumentieren.
 
Schließlich müsse er sich die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelungen für die Betroffenen vergegenwärtigen. Er habe zu erwägen, ob die Alimentation weiterhin den verfassungsmäßigen Vorgaben entspreche. Bei mehreren Maßnahme sei es auch notwendig, sich mit den hieraus folgenden Gesamtwirkungen für die Beamtinnen und Beamten auseinanderzusetzen.
 
All das habe das Land Baden-Württemberg bei der Absenkung der Eingangsbesoldung seiner Beamten nicht gemacht. Das entsprechende Gesetz sei damit verfassungswidrig und nichtig.
 
Interessant bei dieser Entscheidung ist die Auseinandersetzung des höchsten deutschen Gerichts mit einem erforderlichen Gesamtkonzept bereits vor Eintritt in das Gesetzgebungsverfahren. In vielen Ländern kam es in den letzten Jahren zu Eischnitten in der Beamtenbesoldung. Ein derart umfassendes Konzept wurde sicher überwiegend nicht zu Grunde gelegt.
 
Man mag daher gespannt verfolgen, welche Konsequenzen daraus für die Besoldung der Beamten in anderen Ländern entstehen.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Zur Vertiefung: Unser Artikel „Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“