Seit dreieinhalb Jahren war der 35-jährige Familienvater, Mitglied der IG BCE -Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie-, bei einem Arnsberger Unternehmen zur Herstellung von Pulverlacken beschäftigt.
Eingestellt wurde er als Produktionshelfer.
Diese Tätigkeit konnte er nach einer schweren Erkrankung nicht mehr ausüben.
Für ihn wurde im Betrieb ein Arbeitsplatz als Pförtner geschaffen.

Da er mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehindert war, förderte das Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster die Einrichtung dieses Arbeitsplatzes mit einem Betrag von zirka 20.000 Euro.

Förderung des Arbeitsplatzes durch den Landschaftsverband

Die Bewilligung dieser Geldmittel, die aus der Ausgleichsabgabe stammen, knüpfte das Integrationsamt an eine Auflage: Der Schwerbehinderte müsse noch mindestens vier Jahre auf dem geförderten Arbeitsplatz beschäftigt werden, also mindestens bis Ende Januar 2018. 

Eine vorzeitige Kündigung des Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber war bei der Bewilligung der Fördergelder nicht vorgesehen.

Arbeitgeber streicht geförderten Arbeitsplatz

Das hinderte jedoch den Arbeitgeber nicht daran, nach noch nicht einmal zwei Jahren beim zuständigen Integrationsamt Westfalen-Lippe die Zustimmung zur Kündigung des Schwerbehinderten zu beantragen. Dessen Arbeitsplatz sollte nämlich ersatzlos gestrichen werden. 

Eine derartige Zustimmung war erforderlich, da dies nach § 85 Sozialgesetzbuch IX bei schwerbehinderten Beschäftigten gesetzlich vorgesehen ist.

Integrationsamt stimmt der Kündigung zu

Und dann passierte das Unglaubliche: Dieselbe Behörde, die zwei Jahre zuvor mit einem hohen Geldbetrag die Einrichtung eines Arbeitsplatzes für den Schwerbehinderten bezuschusst und dem Arbeitgeber aufgegeben hatte, den Behinderten mindestens vier Jahre zu beschäftigen, stimmte der vorzeitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu! 

Der Förderungsbescheid kümmerte das Integrationsamt des Landschaftsverbandes dabei herzlich wenig. Dann sei halt die Förderleistung anteilig zurückzuzahlen.

DGB Rechtsschutz Hagen: Schwerbehindertenschutz wird zur Farce

Das Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, das den Schwerbehinderten vertritt, sieht durch diese Entscheidung den Schutz schwerbehinderter Menschen auf null reduziert: „Die gesetzliche Vorgabe für das Integrationsamt, nämlich die berufliche Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt, wird hier zur Farce!“

Der DGB Rechtsschutz hat sofort Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid eingelegt und Klage gegen die inzwischen ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers erhoben. Eine Entscheidung beider Verfahren wurde aber nicht notwendig. Der Schwerbehinderte hat sich mit seinem Arbeitgeber auf die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer hohen Abfindung geeinigt.

Ob der Landschaftsverband zwischenzeitlich vom Arbeitgeber die Fördergelder zurückverlangt hat, ist nicht bekannt.


Im Praxistipp:
§ 85 SGB (Sozialgesetzbuch) IX (Zehn) Erfordernis der Zustimmung