Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Fährverkehr für Schwerbehinderte mit Merkzeichen "G". Copyright by Jürgen Wackenhut/fotolia
Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Fährverkehr für Schwerbehinderte mit Merkzeichen "G". Copyright by Jürgen Wackenhut/fotolia

Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter. Aufgrund einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfreiheit ist er erheblich beeinträchtigt. Ihm wurde das Merkzeichen "G" zuerkannt.
 
Die Fähren des beklagten Unternehmens verkehren auf der Verbindung zwischen Emden und Borkum mehrmals täglich in beide Richtungen. Nachdem dem Kläger die kostenfreie Nutzung der Fähre verwehrt wurde, begehrte er die Feststellung, dass ihm ein Anspruch auf unentgeltliche Nutzung dieser Fährverbindung zusteht.
 

Erstinstanzlich erfolglos - Berufungsgericht gibt Klage statt

Das Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg wies die Klage ab. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Nahverkehr mit Wasserfahrzeugen nur dann anzunehmen sei, wenn es um die im Alltag anfallende Bewältigung von Entfernungen gehe, wie etwa zu Schulen, Arbeitsstätten, Behörden oder zum Einkauf. Hierzu aber zähle die über zweistündige Fahrt mit der Fähre nicht. Der Auffassung des VG folgte das Oberverwaltungsgericht (OVG) nicht. Die Berufungsrichter*innen änderte die Entscheidung des VG ab und gaben der Feststellungklage des Klägers statt.
 

Gesetzliche Vergünstigung für behinderte Menschen ist nicht auf Alltagsverkehr begrenzt

Die gegen die Entscheidung des OVG gerichtete Revision der Beklagten beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte keinen Erfolg.

Nach der gesetzlichen Regelung, so das BVerwG, ist der Nahverkehr der öffentliche Personenverkehr mit Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen.

Den Nachbarschaftsbereich definiert das Gesetz als den Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinandergrenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind.

Dieser Definition ist die Anforderung, dass es sich typischerweise um alltäglichen Verkehr handeln muss, nicht zu entnehmen. Hinreichende Gründe für eine solche Einschränkung ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik oder dem Zweck des Gesetzes.

Der mit der gesetzlichen Vergünstigung beabsichtigte Nachteilsausgleich für behinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt sind, ist nicht auf den Alltagsverkehr begrenzt, sondern geht darüber hinaus. Begründet wird dies damit, dass die benachbarten Gemeinden durch den Fährverkehr auch wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Nach den Feststellungen des OVG, an die das BVerwG gebunden ist, nutzen sowohl die Bewohner der Insel Borkum als auch Touristen, welche die Insel kurzzeitig besuchen oder dort ihren Urlaub verbringen, die Fähren und es werden zur Versorgung der Insel erforderliche Waren und Güter über diese Fährverbindung transportiert.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2018: