Urlaubsabgeltung kein rentenschädlicher Hinzuverdienst (Bildquelle:Peter Freitag pixelio.de)
Urlaubsabgeltung kein rentenschädlicher Hinzuverdienst (Bildquelle:Peter Freitag pixelio.de)

So der Leitsatz aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahre 2012. Obwohl sich das BSG recht eindeutig äußerte, lassen sich Rechtsstreitigkeiten wegen Anrechnung von Hinzuverdienst gegen die Deutsche Rentenversicherung (DRV) nicht vermeiden. Das Sozialgericht Detmold gab nun einem von der DGB Rechtsschutz GmbH vertretenen Kläger Recht. Er musste die Rente nicht wegen Überschreitung des Hinzuverdienstes zurückzahlen.

Regelung zum Hinzuverdienst beim Bezug von Erwerbsminderungsrenten

Nach § 96a des sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung im Monat die im zweiten Absatz der Vorschrift genannten Beträge nicht übersteigt. Dabei bleibt ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht.

Entscheidung des BSG zum Hinzuverdienst bei Erwerbsminderungsrenten

Das Urteil des BSG vom 10.07.2012 ist als Grundlage zu sehen, wenn es um die Frage des Überschreitens des Hinzuverdienstes durch eine Zahlung aus einem früheren Arbeitsverhältnis geht. Danach sind Einmalzahlungen, die einem Versicherten nach Rentenbeginn bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis und einem zu diesem Zeitpunkt schon unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis noch zufließen, kein rentenschädlicher Hinzuverdienst im Sinne des § 96 a SGB VI.

Die DRV schließt sich der Rechtsauffassung des BSG nur teilweise an und differenziert danach, ob das Beschäftigungsverhältnis vor oder nach Rentenbeginn beendet wurde.

Erfolgreiches Verfahren vor dem Sozialgericht Detmold

Die DGB Rechtsschutz GmbH in Bielefeld konnte im Dezember 2014 für einen Rentner eine von der DRV verlangte Rückzahlung verhindern.

Der Kläger bezog ab Februar 2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die rückwirkend bewilligt wurde. Im Januar 2011 war das Mitglied der IG Metall dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Sein Arbeitsverhältnis wurde zum 31.08.2012 beendet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kamen eine Urlaubsabgeltung sowie eine Überstundenvergütung mit einem Betrag von über 5.000 Euro zur Auszahlung. Die DRV hob daraufhin die Bewilligung der Rente wegen Änderung des Hinzuverdienstes für zwei Monate auf und stellte eine Überzahlung von etwa 1.500 Euro fest.


Gegen die Anrechnung des erzielten Einkommens im Rahmen des Hinzuverdienstes erhob die DGB Rechtsschutz GmbH in Bielefeld Widerspruch. Denn keinesfalls wurde neben der Rente einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.


Zu dem Zeitpunkt lag das Urteil des BSG noch nicht vor. Wohl aber die zweitinstanzliche Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zur Sache, die auch schon für die Rentner positiv entschieden wurde. Der Orientierungssatz lautete: „§ 96 a SGB VI bezweckt die Anrechnung eines Einkommens aus einer neben dem Rentenbezug geleisteten Arbeit auf Kosten der Gesundheit. Diese Voraussetzungen liegen beim Bezug einer Urlaubsabgeltung bzw. Sonderzuwendung aus dem früheren Arbeitsverhältnis nach dem Rentenbeginn einer Erwerbsminderungsrente nicht vor. Eine Anrechnung ist dann ausgeschlossen.“<s></s>

Sodann erging das Urteil des BSG vom 10.07.2012. Für uns klar: Der Kläger hat während des Bezuges der Rente keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht, worauf es allein nach richtigem Verständnis vom Urteil des BSG ankommt.

Rentenversicherung schließt sich dem BSG nicht in allen Fällen an

Die DRV wies den Widerspruch zurück. Die Begründung: Die Rentenversicherungsträger hätten sich darauf geeinigt, dem Urteil nicht in allen Fällen zu folgen. Nur, wenn Erwerbsminderungsrentnern nach Rentenbeginn Einmalzahlungen aus einem Arbeitsverhältnis zufließen und dieses Arbeitsverhältnis aufgrund arbeits- und tarifrechtlicher Regelungen bereits zum Zeitpunkt des Rentenbeginns ruhe, seien Einmalzahlungen nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Ein solcher Fall lag dem BSG-Urteil zugrunde. Die DRV schließt daraus folgendes: Es sei klar geregelt, dass die Rechtsprechung des BSG nicht auf Fälle anzuwenden sei, in denen ein solcher Sachverhalt nicht vorliegt. Ruhe das Arbeitsverhältnis erst nach Rentenbeginn oder werde erst dann beendet, sei die Einmalzahlung als Hinzuverdienst anzurechnen.


Von einem Ruhen ging die DRV in unserem Fall nicht aus, sondern stellte allein darauf ab, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Einmalzahlung noch bestand.

Leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung

Im Klageverfahren wendete sich der Kläger gegen die Differenzierung der DRV nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor oder nach Beginn des Rentenbezuges. Streitpunkt war zudem, ob die DRV die Rechtsprechung des BSG richtig anwendet. Das BSG bestätigte das LSG Brandenburg in einem wichtigen Punkt. Dieses war bei der Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung auf eine für den betreffenden Monat zu leistende Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als Hinzuverdienst anzurechnen ist, vom leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung ausgegangen. Dabei hat es den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses beurteilt. Dem schloss sich das BSG an. Denn eine Beschäftigung ende trotz eines rechtlich (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits dann, wenn - wie z.B. bei seinem Ruhen - die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat.

Keine Entscheidung des Sozialgerichts Detmold – DRV hebt Bescheid auf

Die 17. Kammer des Sozialgerichts Detmold wies im Termin zur mündlichen Verhandlung im Dezember 2014 auf das Urteil des BSG vom 10.07.2012 hin. Seine Auffassung: Die BSG-Rechtsprechung sei so auszulegen, dass während eines ruhendes Arbeitsverhältnisses, das heißt ohne tägliche Arbeitsleistung, die Arbeitsentgelte, die dem Versicherten nach Rentenbeginn noch zufließen, nicht von § 96 a SGB VI erfasst werden. Da das Arbeitsverhältnis hier wegen Krankheit ruhte, sei das Arbeitsentgelt in Form von Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung nicht anzurechnen.


Zu einem Urteil kam es nicht, weil die DRV aufgrund der klaren Hinweise des Gerichts den streitigen Bescheid aufhob.

Anmerkung der Redaktion:

Wir halten die Differenzierung der DRV danach, ob das Beschäftigungsverhältnis vor oder nach Rentenbeginn beendet wurde, für falsch. Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung im Sinne des § 96a SGB VI setzt eine tatsächliche Arbeitsleistung während des Bezuges der Rentenleistung voraus. Anders können wir die Rechtsprechung nicht verstehen. Denn § 96a SGB VI bezweckt die Anrechnung eines Einkommens aus einer neben dem Rentenbezug geleisteten Arbeit auf Kosten der Gesundheit. Davon kann keine Rede sein, wenn nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Resturlaub und Mehrarbeit aus Vorjahren zur Auszahlung kommt.


Ob diese Auffassung grundsätzlich geteilt wird, konnte in den Verfahren vor dem Sozialgericht Detmold nicht geklärt werden. Denn das Gericht stellte darauf ab, dass das Arbeitsverhältnis wegen der langen Arbeitsunfähigkeit ruhte.


In Fällen, in denen es zu einer Forderung der DRV wegen Überschreitens des Hinzuverdienstes beim Bezug von Erwerbsminderungsrente kommt und das gezahlte Entgelt vor und nicht während des Rentenbezuges verdient wurde, lohnt sich eine gerichtliche Überprüfung unserer Einschätzung nach immer.

 

Hier zum Urteil des Bundessozialgerichts Urteil vom 10.07.2012 (B 13 R 85/11) im Volltext

 

Hinweis zur Rechtslage im Praxistip

Rechtliche Grundlagen

Regelung zum Hinzuverdienst § 96 a SGB VI

§ 96a Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinzuverdienst

(1) Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die in Satz 2 genannten Einkünfte werden zusammengerechnet. Nicht als Arbeitsentgelt gilt das Entgelt, das 1.
eine Pflegeperson von dem Pflegebedürftigen erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, oder
2.
ein behinderter Mensch von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Einrichtung erhält.

(1a) Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird 1.
eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte,
2.
eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels,
3.
eine Rente für Bergleute in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel
geleistet.
(2) Die Hinzuverdienstgrenze beträgt 1.
bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung a)
in voller Höhe das 0,23fache,
b)
in Höhe der Hälfte das 0,28fache
der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten,2.
bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe 450 Euro,
3.
bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung a)
in Höhe von drei Vierteln das 0,17fache,
b)
in Höhe der Hälfte das 0,23fache,
c)
in Höhe eines Viertels das 0,28fache
der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten,4.
bei einer Rente für Bergleute a)
in voller Höhe das 0,25fache,
b)
in Höhe von zwei Dritteln das 0,34fache,
c)
in Höhe von einem Drittel das 0,42fache
der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit oder der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 3, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.
(3) Bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder einer Rente für Bergleute erzielt wird, stehen dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich der Bezug von 1.
Krankengeld,a)
das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente eingetreten ist, oder
b)
das aufgrund einer stationären Behandlung geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente begonnen worden ist,
2.
Versorgungskrankengeld,a)
das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente eingetreten ist, oder
b)
das während einer stationären Behandlungsmaßnahme geleistet wird, wenn diesem ein nach Beginn der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt,
3.
Übergangsgeld,a)
dem ein nach Beginn der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt oder
b)
das aus der gesetzlichen Unfallversicherung geleistet wird, und
4.
den weiteren in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Vierten Buches genannten Sozialleistungen.
Bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erzielt wird, steht dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen das für denselben Zeitraum geleistete 1.
Verletztengeld und
2.
Übergangsgeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung
gleich. Als Hinzuverdienst ist das der Sozialleistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 sind auch für eine Sozialleistung anzuwenden, die aus Gründen ruht, die nicht im Rentenbezug liegen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht für geringfügiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen anzuwenden, soweit dieses auf die sonstige Sozialleistung angerechnet wird.
(4) Absatz 3 wird auch für vergleichbare Leistungen einer Stelle mit Sitz im Ausland angewendet.