Keine Rente bei fehlender Mitwirkung. Copyright by Prostock-studio /Adobe Stock
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Der 29 jährige Kläger beantragte im November 2015 bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg eine Rente wegen Erwerbsminderung. 2014 war er vom Medizinischen Dienst (MDK) der Krankenkassen untersucht worden. Nach Angaben des Arztes soll sich der Kläger teilweise inadäquat verhalten haben. Bei der Untersuchung habe der anwesende Vater das Gespräch geführt.


Bei einer weiteren Begutachtung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) im September 2015, zu der der Kläger in Begleitung seines Vaters erschien, hat der Kläger sich mit keinem Wort geäußert. Der Vater indes, so die Gutachterin, sei sehr dominant aufgetreten. Aufgrund des Verhaltens des Klägers mutmaßte die Gutachterin, dass eine gravierende Entwicklungsstörung und eine Lernbehinderung vorliegen könne.

Kläger verweigert psychiatrische Begutachtung ohne Begleitperson

Bei einer weiteren von der DRV angeordneten psychiatrischen Begutachtung im Juni 2016 erschien der Kläger erneut in Begleitung eines Mannes. Nach Angaben der Sachverständigen soll es sich um den Vater des Klägers gehandelt haben. Da der Begleiter des Klägers auf die Teilnahme an der Untersuchung bestanden habe, kam es nicht zu einer Begutachtung.

Rentenantrag mangels fehlender Begutachtung erfolglos

Da der Kläger bei der Sachverhaltsermittlung nicht mitwirkte, war das Widerspruchsverfahren nicht von Erfolg gekrönt. Eine Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet, so die DRV, könne nur ohne Begleitperson durchgeführt werden. Die Begleitperson dürfe nur bis in den Wartebereich mitkommen.

Kläger erhebt Klage

Im Januar 2018 begehrte der Kläger beim Berliner Sozialgericht (SG) die Entscheidung der DRV in dem Widerspruchsverfahren aufzuheben.
Er begründete die Klage damit, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens es gebiete, bei den Begutachtungen von einer Vertrauensperson begleitet zu werden. Im Übrigen habe er mit Sachverständigen wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht. Diese hätten seine Angaben unzutreffend wiedergegeben. Näher begründete der Kläger diesen Einwand jedoch nicht.

Antragsteller muss Mitwirkungspflichten nachkommen

Das SG Berlin folgte der Rechtsauffassung der DRV und wies die Klage ab. Da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, so das Gericht, habe die Beklagte die Rente zu Recht versagt. Durch das Beharren des Klägers, bei der Begutachtung eine Vertrauensperson hinzuziehen zu können, sei die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich gewesen.

Sozialgericht: Psychiatrische Begutachtungen grundsätzlich ohne Begleitperson

Die Beklagte sei von Amts wegen verpflichtet gewesen zu ermitteln, ob die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Rente wegen Erwerbsminderung vorliegen. Beim Kläger sei insbesondere eine Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet erforderlich gewesen. Nach Auffassung des SG müsse eine solche Begutachtung grundsätzlich ohne Begleitperson stattfinden. Dies ergebe sich daraus, dass die wichtigste Erkenntnisquelle die Befragung der zu untersuchenden Person sei. Wenn an der Befragung eine Begleitperson teilnehme, bestehe die Gefahr, dass der Proband aus Rücksicht auf die Erwartungen der Begleitperson keine vollständigen oder wahrheitsgemäßen Angaben mache. Dies gelte umso mehr, wenn es sich um Familienangehörige oder Partner handele.

Der Einwand des Klägers, er habe mit Sachverständigen bereits schlechte Erfahrungen gemacht, sei nicht ausreichend substantiiert gewesen, um von diesem Grundsatz abzuweichen.

Die beklagte DRV habe aufgrund der vorliegenden Unterlagen vielmehr annehmen müssen, dass eine sachgemäße Untersuchung in Anwesenheit einer Begleitperson nicht zu erwarten war.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann vom Kläger mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21.06.2019 - Az: S 105 R 57/18

Das sagen wir dazu:

Unsichere Rechtslage

 

Mit der Frage, ob Begleitpersonen bei Untersuchungen, die der Erstellung eines medizinischen Gutachtens dienen, zulassen sind, gibt es keine Rechtslage im Sinne einer gefestigten Rechtsprechung. Siehe hierzu unseren Beitrag: „Begleitperson bei medizinischen Gutachten?“

 

In dem vom Berliner Sozialgericht entschiedenen Fall wird dem Kläger die begehrte Rente schon deshalb verwehrt, weil er sich nicht bereit erklärte, die Begutachtung ohne Anwesenheit einer Person seines Vertrauens durchführen zu lassen.

 

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das dominante Auftreten der Vertrauensperson dazu geführt haben mag, zu dem Ergebnis zu kommen dem Vater des Klägers die Teilnahme an der Begutachtung zu verweigern.

 

Bevor man jedoch einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente aus formalem Gründen nicht bearbeitet, wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, den Vater des Klägers dann zur Untersuchung zuzulassen, wenn er zusagt sich jeglicher Kommentierung der an den Kläger gestellten Fragen zu enthält.

 

Da ein solcher Versuch, soweit ersichtlich, nicht stattgefunden hat, spricht doch einiges dafür, dass man deshalb von einer psychiatrischen Begutachtung des Klägers absah um sich des „Störenfrieds“ zu entledigen. Sollte dies der Fall sein, so stellt sich die Frage, ob die fachliche Qualifikation eines psychiatrischen Gutachters tatsächlich ausreichend ist, wenn dieser schon vor dem dominanten Auftreten einer Begleitperson „einknickt“?

 

Ob seitens der Gutachter jemals darüber nachgedacht wurde, dass die Unmöglichkeit des Klägers sich nicht in der erwartenden Form artikulieren zu können, das Ergebnis einer psychischen Erkrankung sein könnte, lässt sich der Entscheidung des Berliner SG nicht entnehmen.

 

Ohne zu hinterfragen, warum der Kläger sich außerstande sah auf Fragen der Gutachter zu antworten und auf diesem Weg zu dem Ergebnis der unzureichenden Mitwirkung zu kommen, verwundert.

 

Aus rechtlicher Sicht jedoch ist die Berliner Entscheidung verständlich und einfach zu begründen. Antragsteller antwortet nicht auf Fragen der Gutachter, verweigert somit die erforderliche Mitwirkung und die Klage wird abgewiesen.

Rechtliche Grundlagen

§ 66 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch II

„Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten…nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind.“