Gefälschte Geburtsurkunde (akt urodzenia) sollte Antragstellerin jünger erscheinen lassen
Gefälschte Geburtsurkunde (akt urodzenia) sollte Antragstellerin jünger erscheinen lassen

Die Antragstellerin, die eine "PR-Beratung und Promotionsvermittlung" betreibt, bezog seit September 2010 und bis 30. September 2016 durchgehend SGB-II-Leistungen vom Jobcenter.

Bei verschiedenen Behörden hatte sie in den letzten Jahren als Geburtsdatum den 9. April 1951, den 9. April 1961, den 9. April 1962 und zuletzt nur noch den 9. April 1967 angeben. Gegenüber dem Jobcenter beharrte sie auf dem Geburtsdatum 9. April 1967 und beantragte SGB-II-Leistungen über den 30. September 2016 hinaus, insbesondere auch zur Unterstützung ihrer selbständigen Tätigkeit. Wegen Erreichens des Rentenalters weigerte sich das Jobcenter weitere Hartz IV-Leistungen zu gewähren. Es wies die Antragstellerin darauf hin, dass sie gegebenenfalls Leistungen der Grundsicherung im Alter beantragen kann.

Erdrückende Beweise dafür dass das "Geburtsjahr 1951" zutreffend ist

Der Eilantrag der Antragstellerin auf Gewährung der begehrten Leistungen war schon erstinstanzlich nicht von Erfolg gekrönt. Auch die Richter*innen des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg glaubten der Frau nicht, dass sie erst 50 Jahre alt sei. Denn die Indizien, die für das Geburtsjahr 1951 sprechen, waren erdrückend: Im Registerauszug des Einwohnermeldeamts aus dem Jahr 2010 war der 9. April 1951 angegeben. In Kopien des Sparbuchs war das eingedruckte Geburtsdatum 9. April 1951 nachträglich von Hand in 9. April 1967 abgeändert worden. Eine Auskunft bei der Deutsche Rentenversicherung (DRV) ergab, dass die aktuelle Versicherungsnummer den 9. April 1951 als Geburtsdatum ausweist. Andere Versicherungsnummern mit den anderen Geburtsdaten sind stillgelegt.

Alles spricht für Fälschung der Geburtsurkunde

In der beglaubigten Übersetzung der polnischen Geburtsurkunde, die die Antragstellerin dem Gericht schließlich vorgelegte, ist zwar das numerische Datum "09.04.1967" genannt. Im Text dieser Urkunde ist jedoch der "neunte April neunzehnhunderteinundfünfzig" voll ausgeschrieben. Überdies war auf einem per E-Mail übersandten Digitalbild der originalen Geburtsurkunde zu erkennen, dass die mit schwarzer Tinte geschriebene numerische Angabe mit einem blauen Stift von 1951 in 1967 geändert worden war. Das Versäumnis, diese Manipulation auch im ausgeschriebenen Text durchzuführen, ist, so die Schlussfolgerung der Richterinnen und Richter, schlüssig und plausibel damit zu erklären, dass die Antragstellerin nach eigenen Angaben "kein Wort polnisch" spricht.

Antragstellerin begehrt Anschubfinanzierung oder Überbrückungsdarlehen für selbständige Tätigkeit, jedoch keine Grundsicherung im Alter

Die von der Antragstellerin begehrten Sozialhilfeleistungen (Grundsicherung im Alter) hat das LSG nicht zugesprochen, da sie solche Leistungen ersichtlich nicht begehrt hat. Ihr ging es um die Arbeitsmarktleistungen des SGB II, die es im System der Grundsicherung im Alter nicht gibt. So hat die Antragstellerin etwa im November 2016 erklärt, dass sie keine Grundsicherung im Alter wolle, sondern eine Art Anschubfinanzierung oder Überbrückungsdarlehen für ihre selbständige Tätigkeit.

Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.06.2017 - L 1 AS 2032/17 ER-B - 

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus §§ 7 und 7a Sozialgesetzbuch II

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch
§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1:
Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben.
§ 7a:
Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:
für den Geburtsjahrgang 1951 [...] auf 65 Jahre und 5 Monate.