Geklagt hatte eine 1947 geborene Rentnerin, die vier Kinder in den 70er Jahren geboren und groß gezogen hatte. Ihr Klageziel: Anerkennung von jeweils drei Jahren Kindererziehungszeit. Die Deutsche Rentenversicherung Bund als zuständiger Rentenversicherungsträger hatte zunächst für jedes Kind ein Jahr Kindererziehungszeit berücksichtigt. Nach Inkrafttreten der Neuregelung war für jedes Kind zwei Jahre Kindererziehungszeit angerechnet worden. 

Mütterrente ist keine eigene Rentenart

Der Begriff Mütterrente ist irreführend. Es handelt sich nicht um eine eigene Rentenart für Mütter, sondern um eine bessere Anerkennung von Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden. Bislang wurde hier ein Jahr Kindererziehungszeit berücksichtigt. Zum 1. Juli 2014 trat das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) in Kraft. Ein Teil des Rentenpakets ist die Neureglung zur besseren Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. Danach kann für alle Mütter (oder Väter!), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, ein zusätzliches Jahr mit Kindererziehungszeiten angerechnet werden. 

Dies führt zu einer Erhöhung der Rente um einen zusätzlichen Entgeltpunkt, was ab Juli 2015 einem Betrag von 29,21 Euro im Westen und 27,05 Euro im Osten entspricht. 

Mütterrente führt zur Besserstellung, nicht zur Gleichstellung

Aber: Mit dieser Regelung ist zwar eine Besserstellung der Mütter oder Väter erfolgt, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, aber eben keine Gleichstellung. Es können zwei Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet werden, nicht drei Jahre, wie bei Kindern, die ab 1992 geboren wurden. 

Genau dagegen hatte sich die Rentnerin und vierfache Mutter gewandt. Berufen hat sie sich auf das zu ihrer Zeit als Mutter kleiner Kinder vorherrschende gesellschaftliche Leitbild der Hausfrauenehe. Kindergartenplätze für unter Dreijährige habe es überhaupt nicht gegeben ebenso wenig öffentliche oder politische Debatten über Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die reduzierte Anerkennung von Kindererziehungszeiten setze die damalige Benachteiligung als Mutter fort.

Mit Anhebung der Kinderziehungszeit Ungleichbehandlung vermindert

Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat die Klage und das nordrheinwestfälische Landessozialgericht (LSG) die dagegen erhobene Berufung zurückgewiesen. 

Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung für vor 1992 geborene Kinder Kindererziehungszeiten von zwei und nicht drei Jahren geregelt werden. Eine Gleichstellung mit den drei Jahren Kindererziehungszeiten für ab 1992 geborene Kinder ergäbe sich weder aus dem Auftrag des Grundgesetzes zum Schutz und zur Förderung von Ehe und Familie noch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz. 

Die Richter stellten auf den Spielraum des Gesetzgebers zur Ausgestaltung des sozialen Ausgleichs für Kindererziehung ab. Eine komplexe Reform, wie die Berücksichtigung von Kindererziehung bei der Altersversorgung, dürfe in mehreren Stufen verwirklicht werden. Mit der Anhebung der Kindererziehungszeit von einem auf zwei Jahre habe der Gesetzgeber die bis dahin bestehende Ungleichbehandlung vermindert und damit den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts, die Benachteiligung von Familien zu reduzieren, entsprochen.

Anmerkung der Redaktion:

Das zweitinstanzliche Urteil ist als Grundsatzentscheidung zu werten. Das LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht nicht zugelassen. Begründet wird dies damit, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sei.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Tat bereits mehrfach auf den nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hingewiesen, seiner Verpflichtung nachzukommen, durch die Kindererziehung entstehende Benachteiligungen in der Alterssicherung von kindererziehenden Familienmitgliedern auszugleichen (z.B. Beschluss vom 29. August 2007 - 1 BvR 858/03). Der Gesetzgeber darf danach nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der gesetzlichen Rentenversicherung. 

 

Mit der Entscheidung war deshalb zu rechnen, ob man diese im Ergebnis nun gutheißt oder nicht. Einige Jahre bleiben dem Gesetzgeber noch, eine weitere Stufe bei der Anpassung zu verwirklichen, so dass es auch noch Mütter oder Väter gibt, die davon profitieren könnten. 

 

Das vollständige Urteil des Landessozialgerichts NRW kann hier nachgelesen werden.

Die Pressemitteilung des Landessozialgerichts NRW vom 27.01.2016 können Sie hier nachlesen.

Fragen und Antworten zur Mütterrente hat die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Homepage zusammengestellt.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.08.2007 (1 BvR 858/03) kann hier nachgelesen werden.


IM PRAXISTIPP: § 249 Sozialgesetzbuch VI: Beitragszeiten wegen Kindererziehung

Rechtliche Grundlagen

§ 249 Sozialgesetzbuch VI: Beitragszeiten wegen Kindererziehung

§ 249 Sozialgesetzbuch VI: Beitragszeiten wegen Kindererziehung
(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.
(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.
(3) (weggefallen)
(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.
(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.
(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.
(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.
(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ab dem 13. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt ausgeschlossen, wenn für den Versicherten für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d zu berücksichtigen ist. Satz 1 gilt entsprechend, wenn für einen anderen Versicherten oder Hinterbliebenen für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.