Eine Frau aus dem Landkreis Limburg-Weilburg erfuhr von früheren Arbeitskollegen, dass ihre ehemalige Arbeitgeberin keine Beiträge zu den Sozialversicherungen gezahlt haben solle. Daraufhin erbat sie von ihrer Krankenkasse - der zuständigen Einzugsstelle  für Sozialversicherungsbeiträge – Auskunft darüber, ob dies auch in ihrem Fall so ist.

Krankenkasse verweigert Auskunftsanspruch

Die Krankenkasse verweigerte jedoch die Auskunft  mit der Begründung, dass es sich um Sozialdaten der Arbeitgeberin handle. Diese dürften nicht ohne deren Einwilligung an Versicherte übermittelt werden.

Versicherte haben Auskunftsanspruch über Beitragszahlungen an die Sozialversicherungen des Arbeitgebers

Der achte Senat des Hessischen LSG gab dem Begehren der Klägerin statt und begründete dies damit, dass Versicherte einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten hätten. Dies konkretisiere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.


Bei den von der Klägerin erbetenen Informationen handele es sich auch um Sozialdaten der Versicherten, zumal der Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen aus dem Vermögen der Versicherten erbracht werde. Daher sei der Auskunftsanspruch der Klägerin über Beitragszahlungen des Arbeitgebers gegeben. Schützenwerte Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers, wie von der Krankenkasse ins Feld geführt, seien nicht gegeben.

Anmerkung:

Geradezu absurd erscheint es dem Autor, dass ein gesetzlich bestehender Auskunftsanspruch von der Krankenkasse damit abgelehnt wurde, dass die von der Versicherten begehrte Auskunft deshalb nicht erfolgen kann, da es sich hierbei um Sozialdaten der Arbeitgeberin handle, die ohne deren Einwilligung nicht an Versicherte übermittelt werden dürfen.


Nach § 83 Abs. 1 (1) SGB X ist dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten zu erteilen. Nur in konkret beschriebenen Ausnahmefällen kann die Auskunft verweigert werden, wie sich dies aus § 83 Abs. 2-4 SGB X ergibt.

Insbesondere hat die die Auskunfterteilung nach § 83 Abs. 4, Ziffern 1-3 SGB X dann zu unterbleiben, wenn

  1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde,
  2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder
  3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen,

und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss.

Offenkundig hat der/die für den Antrag auf Auskunftserteilung zuständige Sachbearbeiter*in gemeint, den Antrag der Klägerin unter Hinweis auf § 83 Abs. 4, Ziffer 3 SGB X abschlägig bescheiden zu können. 


Dies hatte dann zur Folge, dass die Sache durch zwei Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit getrieben wurde. Das erstinstanzliche Gericht (Sozialgericht Wiesbaden) war im Gerichtsbescheid vom 8. April 2014 der Auffassung der beklagten Krankenkasse gefolgt und hatte die von der Klägerin bereits am 7. Mai 2012 erhoben Klage abgewiesen. 


Ohne dem erstinstanzlichen Gericht zu nahe treten zu wollen, sei aus der Sicht des seit über drei Jahrzehnten vor Arbeits- und Sozialgerichten forensisch tätig gewesenen Autors angemerkt, dass es schon bemerkenswert ist, dass annährend zwei Jahre ins Land gehen müssen, bis über die nicht gerade besondere Probleme aufwerfende Rechtsfrage entschieden wurde.


Nachdem die Klägerin gegen den am 14. April 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. Mai 2014 Berufung beim Hessischen LSG eingelegt hatte, entschied dieses, in einem der Rechtsfrage angemessenen Zeitraum von gut 10 Monaten, zu Gunsten der Klägerin.

Es werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen von der Vergütung der Arbeitnehmer*innen Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgezogen, jedoch nicht an die Sozialkassen abgeführt werden. Als Arbeitnehmer*in sollte man daher nicht davor zurückschrecken, die zuständige Krankenkasse um eine entsprechende Auskunft zu ersuchen. Dies auf jeden Fall dann, wenn der Verdacht besteht, dass der/die Arbeitgeber*in keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.

Hier der Link zum vollständigen Urteil des Hessischen LSG vom 26.03.2015 – AZ L 8 KR 158/14:


Im Praxistipp: § 83 Sozialgesetzbuch (SGB) X:

Rechtliche Grundlagen

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) § 83 Auskunft an den Betroffenen

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)
§ 83 Auskunft an den Betroffenen

(1) Dem Betroffenen ist auf Antrag Auskunft zu erteilen über
1.
die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen,
2.
die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und
3.
den Zweck der Speicherung.
In dem Antrag soll die Art der Sozialdaten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Sind die Sozialdaten nicht automatisiert oder nicht in nicht automatisierten Dateien gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Die verantwortliche Stelle bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen. § 25 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Für Sozialdaten, die nur deshalb gespeichert sind, weil sie auf Grund gesetzlicher, satzungsmäßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen, oder die ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen, gilt Absatz 1 nicht, wenn eine Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.
(3) Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung von Sozialdaten an Staatsanwaltschaften und Gerichte im Bereich der Strafverfolgung, an Polizeibehörden, Verfassungsschutzbehörden, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, ist sie nur mit Zustimmung dieser Stellen zulässig.
(4) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit
1.
die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde,
2.
die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder
3.
die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen,
und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss.
(5) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er sich, wenn die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen der Kontrolle des Bundesbeauftragten für den Datenschutz unterliegen, an diesen, sonst an die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle wenden kann.
(6) Wird einem Auskunftsberechtigten keine Auskunft erteilt, so kann, soweit es sich um in § 35 des Ersten Buches genannte Stellen handelt, die der Kontrolle des Bundesbeauftragten für den Datenschutz unterliegen, dieser, sonst die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle auf Verlangen der Auskunftsberechtigten prüfen, ob die Ablehnung der Auskunftserteilung rechtmäßig war.