Zum rechtlichen Hintergrund: 

Selbständige Künstler und Publizisten sind in der Künstlersozialkasse sozialversichert. Die Künstlersozialversicherung sieht eine Geringfügigkeitsgrenze vor, aktuell 450 € pro Monat. Die Versicherung endet, wenn neben der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit eine selbständige, nicht künstlerische Tätigkeit erwerbsmäßig ausgeübt wird und daraus Einkünfte erzielt werden, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. 

Klägerin ist Journalistin und Lektorin, zudem Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzende 

Die Klägerin als selbständige Journalistin und Lektorin war seit Jahren in der Künstlersozialversicherung kranken- und pflegeversichert. 

Als Mitglied des Rates einer nordrhein-westfälischen Großstadt und Fraktionsvorsitzende erhält sie Sitzungsgelder, Aufwandsentschädigungen und Verdienstausfallersatz, welche in der Summe die Geringfügigkeitsgrenze deutlich überschreiten. Die Zahlungen sind unter Berücksichtigung von Freibeträgen als Einnahmen aus „sonstiger selbständiger Tätigkeit“ einkommenssteuerpflichtig. 

Künstlersozialkasse schließt Ratsmitglied aus der Pflichtversicherung aus 

 Die Künstlersozialkasse ordnete diese Einnahmen entsprechend der steuerrechtlichen Einordnung als Einkünfte aus einer erwerbsmäßig ausgeübten selbständigen Tätigkeit (i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG - Künstlersozialversicherungsgesetz) und sah die Klägerin nicht mehr als in der Künstlersozialkasse pflichtversichert an. 

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Gegen den Ausschluss aus der Pflichtversicherung in der Künstlersozialversicherung wandte sich die Klägerin. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Sowohl das Sozialgericht Dortmund wie auch das Landessozialgericht NRW vertraten die Auffassung, die steuerrechtliche Einordnung der Zahlungen an die Klägerin führe zwingend zu der Annahme, es handele sich um Einkünfte aus einer erwerbsmäßig ausgeübten selbständig ausgeübten Tätigkeit 

Revision erfolgreich – BSG hebt Urteile der Vorinstanzen auf 

Dies sieht das BSG anders. In über dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz vertretenen Revisionsverfahren obsiegte die Klägerin. Der für die Künstlersozialversicherung zuständige 3. Senat des BSG hat im Urteil vom 18.02.2016 die Urteile der Vorinstanzen geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Damit ist die Klägerin nahtlos weiterhin in der Künstlersozialversicherung versichert. 


Sitzungsgelder, Aufwandsentschädigungen und der Ersatz des Verdienstausfalls als selbständige Publizistin berührten den Status der Klägerin als Versicherte der Künstlersozialversicherung nicht, so das BSG. Dies gelte, weil sie das kommunalpolitische Mandat als Ratsmitglied rein ehrenamtlich und damit nicht „erwerbsmäßig“ i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG ausübe. 

Kommunalpoltische Tätigkeit nicht hauptsächlich auf den Broterwerb gerichtet 

Denn das Ende der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG soll nur dann eintreten, wenn die andere selbständige Tätigkeit vom originären Zweck her, nicht nur als Nebeneffekt, auf den „Broterwerb“ gerichtet ist. Die ehrenamtliche Ausführung der Ratsmitgliedschaft folgt dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit. So sollen Ratsmitglieder ihre bisherige Berufstätigkeit fortführen und den damit verbundenen sozialversicherungsrechtlichen Status nicht verlieren. In diesem Sinne müssten die Vorschriften des KSVG gesehen werden, so das BSG. 


Es sei eine zentrale wirtschaftliche Basis für selbständige Publizisten, über die Künstlersozialkasse abgesichert zu sein. Dies dürfe durch die Übernahme eines Ehrenamtes in der Kommunalpolitik nicht infrage gestellt werden. 

Anmerkung: Steuerrechtliche Einordnung beim Ehrenamt nicht entscheidend 

Eine Entscheidung mit Tragweite, nicht nur für den direkt betroffenen Personenkreis der Künstler und Publizisten. Es bleibt bei der Privilegierung der Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung, obwohl die Geringfügigkeitsgrenze überschritten ist. Wichtig dabei: Es kommt nicht – wie von den Vorinstanzen angenommen – zwingend auf die steuerrechtliche Einordnung an. Die kommunalpolitische Tätigkeit wird als nicht erwerbsmäßig eingestuft, weil der Broterwerb nicht im Vordergrund steht. Dies lässt sich sicher auch auf andere Bereiche ehrenamtlicher Tätigkeit übertragen. 


Zudem hat das BSG damit die Bedeutung des kommunalpolitischen Ehrenamts gestärkt.


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Rechtliche Grundlagen

§ 5 Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG)

§ 5 Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG)

(1) In der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wer

1. nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch versichert ist,
2. nach Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit aufnimmt,
3. nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der
Landwirte versichert ist,
4. nach anderen gesetzlichen Vorschriften mit Ausnahme von § 7 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist,
5. eine nicht unter § 2 fallende selbständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt, es sei
denn, diese ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,
6. Wehr- oder Zivildienstleistender ist; § 193 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
7. im Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder einstweilig nach § 126a Abs. 1 der Strafprozessordnung untergebracht ist und unmittelbar vor der Unterbringung nicht
nach diesem Gesetz versichert war oder
8. während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit ausübt.

(2) In der sozialen Pflegeversicherung ist nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wer

1. nach Absatz 1 versicherungsfrei oder
2. nach § 6 oder § 7 von der Krankenversicherungspflicht befreit worden ist.