Die Sozialgerichte in erster und zweiter Instanz haben der Berufsgenossenschaft Recht gegeben. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Geburtstagsfeier eine betriebliche Veranstaltung war, die vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst sein könnte:

Drei Voraussetzungen des Versicherungsschutzes

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist es grundsätzlich möglich, dass auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen wie zum Beispiel Betriebsfeiern oder Betriebsausflüge einer versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Zusammengefasst sieht die Rechtsprechung dafür drei Voraussetzungen vor:

  • Die Veranstaltung muss der Pflege und Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten und den Beschäftigten untereinander dienen,
  • sie muss allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen
  • und sie muss von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder gebilligt und gefördert werden, zumindest von der „Autorität“ der Unternehmensleitung getragen werden.

Kenntnis der Unternehmensleitung reicht nicht aus

Im hier entschiedenen Fall fehlte es nach den Ermittlungen des Sozialgerichtes an diesem Mittragen der Feier durch die Unternehmensleitung. Der Chefarzt hatte die Feier in eigener Initiative organisiert und dazu eingeladen. Die Geschäftsführung der Klinik hatte zwar Kenntnis von der Feier und hat sie insoweit auch „gebilligt“. Die bloße Kenntnis reichte jedoch nach Auffassung des Sächsischen Landessozialgerichtes nicht aus, um anzunehmen, dass die Feier auch von der Autorität der Geschäftsführung getragen war. Auch wenn vom Arbeitgeber Räume für eine Veranstaltung zur Verfügung gestellt werden, reicht dies nach der Rechtsprechung nicht aus, um den Unfallversicherungsschutz zu begründen. 


Zwar kann die Unternehmensleitung die Organisation einer betrieblichen Veranstaltung auch an Mitarbeiter*innen delegieren, auch die Teilnahme der Unternehmensleitung selbst ist nicht unbedingt erforderlich. Aber zumindest muss die Leitung in irgendeiner Form Einfluss nehmen auf die Art und Weise oder die Frage, wann und zu welchem Anlass eine entsprechende Veranstaltung durchzuführen ist. So hätte in diesem Fall zum Beispiel eine ausdrückliche betriebliche Regelung, dass zum 50. Geburtstag eines/r Chefarztes/Chefärztin eine Geburtstagsfeier auszurichten ist, wohl ausgereicht.


Die bloße Kenntnis der Geschäftsleitung von einer privaten Feier, die von einem einzelnen Vorgesetzten veranstaltet wird macht diese jedoch noch nicht zu einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.

Vorsicht auch bei einzelnen Betriebsabteilungen

Darüber hinaus stellte sich in diesem Fall – wie häufig in größeren Unternehmen – die Frage, ob nicht auch eine einzelne Abteilung oder ein sonstiger Teil des Unternehmens eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne des Unfallversicherungsrechtes ausrichten kann. 


Nach der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch der/die Leiter*in einer Betriebsabteilung eine betriebliche Veranstaltung organisieren kann, wenn es sich um eine eigenständige organisatorische Einheit handelt. Das kann zum Beispiel eine Niederlassung, eine Filiale oder ähnliches sein. In diesem Fall kommt es nicht auf die Autorität der Unternehmensleitung, sondern die der Leitung dieser Betriebsabteilung an. 


Dies wäre im Fall eines größeren Klinikums wie der Unfallklinik wohl der Fall gewesen. Allerdings hatte der Chefarzt nicht nur die Mitarbeiter*innen seiner Abteilung, sondern darüber hinaus auch andere Kolleg*innen des Klinikums eingeladen. Daraus schloss das Landessozialgericht, dass es gerade nicht um die Verbundenheit nur mit den Beschäftigten seiner Abteilung gegangen sei, sondern dass die Feier des Geburtstages der eigentliche Anlass des Festes war.


Das Urteil des Sächsisches Landessozialgerichts vom 07.10.2015, AZ. L 6 U 183/1, gibt es hier im Volltext zum nachlesen.

 

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Im Praxistipp: § 8 Arbeitsunfall - Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung

Rechtliche Grundlagen

§ 8 Arbeitsunfall - Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254)
§ 8 Arbeitsunfall

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.