Wirtshausbesuch während einer Rehamaßnahme ist keine Therapiemaßnahme.
Wirtshausbesuch während einer Rehamaßnahme ist keine Therapiemaßnahme.


Die 53jährige Klägerin  befand sich wegen einer wegen einer psychischen Erkrankung im Herbst 2016 für drei Wochen zur Kur in Todtmoos. 
 

Kein Arbeitsunfall bei nächtlichem Sturz nach Gasthausbesuch

 
Mit einigen Mitrehabilitanden suchte sie an einem Samstagabend eine Gaststätte außerhalb der Reha-Klinik auf. Auf dem Rückweg zu der Reha-Einrichtung stolperte sie gegen 22:30 Uhr. Sie fiel auf die linke Hand und zog sich einen Bruch des linken Ringfingers zu.
 
Mit der Begründung, dass der Ausflug Teil der Therapie gewesen und von den Klinikärzten empfohlen worden sei, beantragte sie die Anerkennung als Arbeitsunfall bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG).
 
Die Anfrage der BG in der Klinik ergab, dass der abendliche Ausflug zur privaten Freizeitgestaltung der Rehabilitanden gehört habe. Ärztlicherseits habe keine entsprechende Verordnung vorgelegen. Die Patienten bekämen lediglich die allgemeine Empfehlung, Freizeitaktivitäten zusammen mit Mitpatienten ihrer Bezugsgruppe zu unternehmen. Auch sei die Gruppe nicht von medizinischem und  therapeutischem Fachpersonal der Klinik begleitet worden. Aufgrund dieser Auskunft lehnte die Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch und die Klage beim Sozialgericht Stuttgart blieben erfolglos.
 

Unfallschutz nur bei Zusammenhang mit Reha

Auch der Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung war kein Erfolg beschieden.
 
Zwar, so die Richter*innen des 8. Senats des baden-württembergischen Landessozialgerichts (LSG) stehen Personen, die auf Kosten eines Rehabilitations-Trägers Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
 
Hieraus ergebe sich jedoch nicht, dass dieser Schutz für jedwede Aktivität während der Kur gelte. Der gesetzliche Schutz bestehe nur dann, wenn ein spezifischer sachlicher Zusammenhang zu den durchgeführten Reha-Maßnahmen besteht. Risiken, die einem Versicherten in dessen Freizeit begegnen, sind, wie auch zu Hause, nicht vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst.
 
Ausschlaggebend für die Entscheidung der Stuttgarter Berufungsrichter*innen war, dass der Ausflug nicht speziell der stationären Behandlung diente und somit auch nicht auf den Rehabilitationszweck ausgerichtet war.
 

Ärztliche Empfehlung reicht nicht aus

Auch durfte die Klägerin die allgemeine Empfehlung zu Freizeitaktivitäten nicht entsprechend verstehen. Vorrangige Ziele und Zwecke des Ausflugs waren Entspannung, Genusserleben durch Essen und Trinken und Geselligkeit in „heimeliger Atmosphäre“  - wie die Klägerin selbst den Wirtshausbesuch beschrieben hatte.
 
Der Spaziergang, die Einkehr in die Gaststätte und der anschließende Rückweg zur Reha-Klinik waren nicht ärztlich angeordnet oder therapeutisch überwacht und begleitet. Alleine die Empfehlung der Klinik, an solchen eigeninitiierten Aktivitäten teilzunehmen, ersetzt nicht die ärztliche Anordnung, Betreuung oder Überwachung.
 
Irgendwelche Unterstützungsmaßnahmen seitens der Reha-Klinik wurden ebenfalls nicht unternommen. Das „ob“, das „wann“, das „wie“ und das „wohin“ dieser Aktivität war allein Sache der Eigeninitiative der Rehabilitanden.
 
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17.04.2018:
 
Hier geht es zu weiteren Beiträgen zum Thema „Arbeitsunfall Ja oder Nein“:
 
 
Spaziergang kann Arbeitsunfall sein

Buchhalterin verunglückt nach Bierwanderung

Bundessozialgericht gibt langjährige Rechtsprechung zur Betriebsfeier auf

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus dem Sozialgesetzbuch VII (SGB VII)

§ 2 Absatz 1 Nr. 15 SGB VII

Kraft Gesetzes sind versichert
15. Personen, die

a) auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, (…)
§ 8 Absatz 1 SGB VII:

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.