Arbeitsunfall auch im Urlaub?
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Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat der Klage einer Kassiererin statt gegeben, die während ihres Urlaubes an einem dienstlichen Gespräch teilgenommen hatte. Auf dem Heimweg erlitt sie einen Unfall und zog sich neben verschiedenen Frakturen eine retrograde Amnesie zu.
 
In beiden Instanzen beim Sozialgericht wurde die Klägerin vor der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste und zweite Instanz schlossen sich in ihrer Entscheidung der stichhaltigen Argumentation der Prozessbevollmächtigten der DGB Rechtsschutz GmbH an.
 

Schwieriger Fall

Der Prozessvertreter der ersten Instanz aus dem Büro Koblenz, Christoph Zschommler, teilte der Redaktion der Zeitschrift „Recht so!“ der DGB Rechtsschutz GmbH mit, es habe sich um einen schwierigen Fall gehandelt. Die Ausgangslage sei undurchsichtig gewesen. Von Seiten der Chefin seien Einzelheiten des Sachverhaltes von Beginn an abgestritten worden.
 
Die Chefin meinte, das mit der Klägerin geführte Gespräch sei nur ein „Kaffeeklatsch“ gewesen. Das Gericht schloss sich aber letztlich der Aussage anderer Zeugen an. Diese hatten die dienstliche Veranlassung für das Gespräch bestätigt.

Besuch bei der Filialleiterin aus privaten Gründen oder wegen dienstlicher Belange?

Die Klägerin befand sich zum Unfallzeitpunkt im Urlaub. Das Gespräch im Hause ihrer Filialleiterin diente zum Teil privaten Interessen. Die Klägerin hatte dazu jedoch auch eine Liste mit Zahlencodes für Kassiervorgänge mitgebracht. Diese Liste sollte besprochen werden.
 
Zwar konnte der Sachverhalt wegen der retrograden Amnesie der Klägerin und einiger anderer widersprüchlicher Aussagen nicht vollständig geklärt werden. Für die Entscheidung des Gerichts stellte das jedoch kein Hindernis dar.
 

I. Instanz stellt auf gemischte Tätigkeiten ab

Schon das Sozialgerichts Koblenz gab der Klage in der 1. Instanz statt. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles sei erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet habe, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Des Weiteren müsse diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt haben.
 
Auch gemischte Tätigkeiten könnten Versicherungsschutz begründen. Unter diesen gemischten Tätigkeiten seien Handlungen zu verstehen, die sowohl eigenwirtschaftlichen wie auch versicherten Belangen dienten. Sei keine eindeutige Zuordnung möglich, so entstehe Versicherungsschutz, wenn die Handlungen dem Unternehmen wesentlich dienten. Anhaltspunkt sei dabei, ob die entsprechende Tätigkeit auch verrichtet worden wäre, wenn das private Interesse entfallen wäre.
 

Landessozialgericht prüft objektivierte Handlungstendenz

Das LSG führt in seiner Entscheidung aus, der Rückweg nach Hause habe unter Versicherungsschutz gestanden, wenn die Klägerin sich auf dem Rückweg von einer versicherten Tätigkeit befunden habe. Der Weg von und zur Arbeit sei versichert.
 
Entscheidend dafür, ob ein Weg im unmittelbaren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe, sei die objektivierte Handlungstendenz. Es komme also darauf an, ob eine Tätigkeit ausgeübt werden sollte, die dem Beschäftigungsunternehmen dient. Diese Handlungstendenz müsse durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigt sein.
 
Unfallversicherungsschutz bestehe immer dann, wenn die zum Zeitpunkt des Unfalles vorgenommene Verrichtung darauf gerichtet war, eine objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen.
 
Es muss also nachweislich um eine arbeitsvertragliche Pflichterfüllung gehen.
 

Unfallversicherungsschutz auch bei vermeintlicher Pflichterfüllung

Unfallversicherungsschutz sei aber auch dann anzunehmen, wenn ein*e Arbeitnehmer*in etwas erledigt, zu dem sie nicht verpflichtet ist. Das gilt aber nur dann, wenn die*der Arbeitnehmer*in selbst aber annimmt und nach den Umständen auch annehmen durfte, dass sie*er die Pflicht hat.   
 
Schließlich kommt nach den Ausführungen des LSG Unfallversicherungsschutz auch in Betracht, wenn betriebsbezogene Rechte aus der Beschäftigung wahrgenommen würden.
 

Vollbeweis erforderlich

Voll zu beweisen seien dabei die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, der Unfall und der dabei aufgetretene Gesundheitsschaden. Der Rückweg der Klägerin habe unter Berücksichtigung dieser Vorgaben unter Versicherungsschutz gestanden. Es sei nämlich bewiesen, dass sie eine versicherte Tätigkeit wahrgenommen habe.
 
Das Gespräch mit der Filialleiterin sei nicht als Privatperson geführt worden. Zwar habe sich die Klägerin im Erholungsurlaub befunden. Das schließe die Annahme eines Unfalles aber nicht aus. Auch während des Urlaubes genieße der*die Beschäftigte ausnahmsweise dann Versicherungsschutz, wenn er*sie in dieser Zeit eine Tätigkeit ausübe, die wesentlich betrieblichen Interessen diene.
 
Die Klägerin habe sich zu ihrer Arbeitskollegin begeben, um dienstliche Dinge zu besprechen. Sie durfte nach Ansicht des Gerichts auch davon ausgehen, dass das für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlich war.
 
Die Kollegin war nämlich die Filialleiterin der Klägerin. Die Klägerin war deren Filiale erst seit wenigen Tagen zugeordnet. Für ihre Tätigkeit nach Ende des Urlaubes benötigte die Klägerin Informationen, die sie für Ihre Tätigkeit unmittelbar nach dem Urlaub benötigte. Sie habe annehmen können, dass der Arbeitgeber das auch voraussetzt.
 
Dass es schließlich bei dem Gespräch auch zu einem Austausch privater Themen kam, war unerheblich. Die Unterhaltung erstreckte sich nachweislich insbesondere auch auf das vereinbarte betriebliche Thema. Es war aus Sicht des Gerichts auch ohne Bedeutung, dass die Unterhaltung bei der Filialleiterin zu Hause stattfand.
 
Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Anmerkung

Gerade im Unfallrecht ist immer wieder der Ursachenzusammenhang wichtig. Verschiedene Voraussetzungen der gesetzlichen Regelungen sind voll zu beweisen, zum Teil reicht auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus.

Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann gefordert, wenn es um die Kausalität zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden geht. Hier sind immer wieder Themen zu erörtern wie Vorschaden, Gelegenheitsursache oder ein nicht adäquater Unfallhergang.

Die zuvor besprochene Entscheidung befasst sich aber mit dem Zusammenhang eines Unfalles mit der betrieblichen Tätigkeit. Dieser ist voll zu beweisen. Das ist oft nicht einfach, wenn private Komponenten mitspielen. Von Bedeutung wird das beispielsweise auch bei der Unterbrechung eines versicherten Wegen, um einzukaufen.

Dafür hat das Bundessozialgericht in den letzten Jahren verstärkt auf die Handlungstendenz abgestellt. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass Versicherungsschutz dann gegeben ist, wenn die konkrete Handlung in ihrer Tendenz betriebliche Interessen verfolgt.

Wie in allen Bereichen aber, in welchen es um Kausalität geht, kann schon ein unüberlegtes Wort zu einer nachteiligen Schlussfolgerung führen. Im Hinblick darauf gilt auch hier immer, genau zu überlegen, wie die notwendigen Angaben formuliert werden. Das ist im Angesicht eines Unfalles schwierig, aber notwendig.