Verletzt sich ein Arbeitnehmer, weil er prüft, ob die Straße glatt ist, bevor er ins Auto steigt, ist dies kein Arbeitsunfall.
Verletzt sich ein Arbeitnehmer, weil er prüft, ob die Straße glatt ist, bevor er ins Auto steigt, ist dies kein Arbeitsunfall.


Das Bundessozialgericht hat die Klage eines Beschäftigten abgewiesen, der einen Sturz unmittelbar vor Fahrtantritt als Arbeitsunfall anerkannt wissen wollte.

Kläger prüft die Straßenglätte und stürzt

Er wollte morgens mit seinem Auto zur Arbeit fahren. Weil der Deutsche Wetterdienst am Vortag gemeldet hatte, dass in der Nacht mit überfrierender Nässe oder leichtem Schneefall zu rechnen sei, fuhr er jedoch nicht sofort los.

Er begab sich vielmehr, nachdem er das Wohnhaus verlassen hatte, zunächst zu seinem Auto, das auf dem Grundstück parkte und legte dort seine Aktentasche ab. Dann verließ er das Grundstück, betrat die Straße und prüfte, ob diese glatt ist.

Auf dem Rückweg zu seinem Auto stürzte er an der Bordsteinkante und verletzte sich am rechten Arm. Er begehrte von der zuständigen Berufsgenossenschaft die Anerkennung als Arbeitsunfall; was diese jedoch ablehnte.

Bundessozialgericht lehnt Arbeitsunfall ab

Das Bundessozialgericht folgte der Ansicht der Berufsgenossenschaft; ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Zwar sei auch der Weg zur Arbeit versichert, dieser sei aber in dem Moment unterbrochen gewesen, als der Kläger die Straße betreten hatte.

Das Prüfen der Fahrbahnverhältnisse sei deshalb nur eine Vorbereitungshandlung zum versicherten Arbeitsweg. Vorbereitungshandlungen seien nach ständiger Rechtsprechung nur versichert, wenn entweder eine rechtliche Pflicht bestehe, eine solche Handlung vorzunehmen, oder wenn die Handlung zur Beseitigung eines unvorhergesehenen Hindernisses erforderlich sei, um den Arbeitsweg aufzunehmen oder fortzusetzen. 

Beides sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe die Prüfung zwar als sinnvoll und erforderlich angesehen, er sei aber hierzu nicht aufgrund der Straßenverkehrsordnung verpflichtet gewesen. Sie sei auch nicht unverzichtbar gewesen, um die Fahrt anzutreten.

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Pressemitteilung des Bundessozialgerichts


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Das Arbeitsunfallrecht lehrt wieder einmal, welche feinsinnigen Unterschiede im Recht bestehen, dieses Mal zwischen „sinnvoll“ und „verpflichtend“. Denn unzweifelhaft ist der Unfall nicht auf dem Arbeitsweg selbst passiert – denn der hatte ja noch nicht begonnen. Es handelte sich also um eine Vorbereitungshandlung.

Vorbereitungshandlungen nur ausnahmsweise versichert

Wenn eine solche gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht Versicherungsschutz, nicht aber, wenn sie nur „sinnvoll“ ist. Dann handelt es sich letztlich um Privatvergnügen und die Berufsgenossenschaft springt nicht ein.

Bei näherer Betrachtung ist diese Differenzierung jedoch nicht so trennscharf, wie sie vielleicht scheint. Denn auch der Gesetzgeber erlegt Pflichten nur auf, wenn dies sinnvoll ist – das sollte man ihm zumindest unterstellen. Und es sollte Anliegen des Gesetzgebers sein, die Rechtsunterworfenen ihrerseits zu sinnvollem Verhalten anzuhalten.

Insofern ist es unbefriedigend, wenn dem Kläger in diesem Fall sein vorausschauendes und sinnvolles Verhalten zum Nachteil ausgelegt wird. Man stelle sich vor, er hätte keinen Glatteistest gemacht und hätte daraufhin mit dem Wagen einen Unfall gebaut. Wahrscheinlich hätte ihm die Berufsgenossenschaft dann ein Mitverschulden vorgeworfen, weil er es versäumt hat, vor Fahrtantritt zu prüfen, ob die Straße glatt war.

Rechtliche Grundlagen

§ 8 Arbeitsunfall SGB VII

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
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