Der Drucker hatte mehrmals wöchentlich die Druckmaschinen, insbesondere Walzen und Gummitücher, mit Lösungsmitteln gereinigt. Copyright by Michael Bartels & industrieblick/fotolia
Der Drucker hatte mehrmals wöchentlich die Druckmaschinen, insbesondere Walzen und Gummitücher, mit Lösungsmitteln gereinigt. Copyright by Michael Bartels & industrieblick/fotolia

Als im August 2010 ein Blasentumor bei ihm festgestellt wird und die Berufsgenossenschaft eine Berufskrankheit verneint, ist das Gewerkschaftsmitglied auf eine lange Auseinandersetzung gefasst. Aber sicher hätte er nicht vermutet, dass dann 8 Jahre vergehen, bis das Verfahren abgeschlossen ist.
 
Gut, dass er die ganze Zeit über den gewerkschaftlichen Rechtsschutz Unterstützung vom DGB Rechtsschutz Bremen hatte. Michael Bartels, der den Kläger vor dem Sozialgericht vertrat, freut sich über den positiven Ausgang.
 

Sozialgericht Bremen sieht Blasenkrebs als Berufskrankheit

Erst nach einem Rechtsstreit von 6 Jahren hatte das Sozialgericht Bremen die Berufsgenossenschaft BG ETEM zur Anerkennung der Blasenkrebserkrankung als Berufskrankheit verurteilt. Das war im September 2017.
 
Aber Ruhe war noch immer nicht. Die Berufsgenossenschaft ging in Berufung.
 

Die Berufskrankheit nach Nr. 1301 BKV

Die Berufskrankheiten sind nach Nummern in einer Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) gelistet. Unter die Ziffer 1 fallen Krankheiten, die durch chemische Einwirkungen entstehen.
 
Die Ziffer 1301 erfasst Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
 

Berufsgenossenschaft verneint einen ausreichen Kontakt mit krebserregenden Stoffen

Die Berufsgenossenschaft hatte ihre Ablehnung darauf gestützt, der Kläger sei bei der Arbeit angeblich nicht lange genug gefährdenden Stoffen (also Stoffen, die bekannt dafür sind, die Entwicklung eines Blasentumors zu begünstigen) ausgesetzt gewesen.
 
Dabei hat bereits die Arbeitsplatzexposition durch die Präventionsabteilung der BG unter Beteiligung des Klägers ergeben, dass er mehrmals wöchentlich etwa zwei Stunden Druckmaschinen, insbesondere Walzen und Gummitücher mit Lösungsmitteln gereinigt hat.
 

„Gummi-Neu“ enthält krebserregenden Stoff Naphtylamin

Das bei der Reinigung verwendete Gummituch-Regenerierungsmittel „Gummi-Neu“ hat bis zu 0,3 % N-Phenyl-2-Naphtylamin (P2NA) enthalten.
 
Der Stoff 2-Naphtylamin ist in der Kategorie 1 der krebserregenden Stoffe eingestuft und als Listenstoff im Sinne der Berufskrankheit Nr. 1301 geführt.
 

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Risikogefährdung durch Hautkontakt

Das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten hatte den Durchbruch im langen Verfahren gebracht. Es konnte nachweisen, dass eine ausreichende Risikogefährdung auch durch den schichttäglichen Hautkontakt des Klägers mit dem Mittel „Gummi-Neu“ bestand.
Eine Studie hatte die Aufnahme von P2NA über die Haut und die Verstoffwechselung zu 2-Naphtylamin an Schweinehaut nachgewiesen.
Beim Kläger hat über 22 Jahre direkter Hautkontakt zum Produkt „Gummi-Neu“ bestanden. Mittels Erfahrungswerten aus vergleichbaren Fällen konnte der Sachverständige von einer Dauer von mindestens einer Stunde pro Arbeitstag ausgehen. Damit war das immer wiederholte Argument der BG entkräftet, es fehle eine ausreichende inhalative Aufnahme.

 

Sachverständiger bejaht hinreichende Wahrscheinlichkeit

Die für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderliche Risikoverdopplung bejahte der Sachverständige. Ein Verdopplungsrisiko sei bereits bei einer Dosis von 6 mg anzunehmen. Die Expositionszeit, die Latenzzeit und die Interimszeit entsprächen den medizinischen Erfahrungswerten. Zudem erkrankte der Kläger schon im Alter von 54 Jahren. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 72 Jahren. Auch das stützt eine berufliche Verursachung.
 
Wie immer bei Berufskrankheiten waren etwaige Konkurrenzursachen auszuschließen, wie regelmäßiger Tabakrauch. Dann konnte der Sachverständige die Verursachung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Hautkontakt mit dem Mittel „Gummi-Neu“ zurückführen.
 

Berufsgenossenschaft nimmt die Berufung zurück

Michael Bartels war nach dem positiven Urteil des Sozialgerichts Bremen gespannt, mit welchen weiteren Einwänden die BG versuchen wird, der Feststellung der
Berufskrankheit entgegen zu treten.
 
Letztlich konnte die BG nichts vortragen, was das Landessozialgericht dazu gebracht hätte, von dem Gutachten aus erster Instanz abzuweichen. Die BG hat deshalb im Berufungsverfahren „die Segel gestrichen“. Damit ist die Blasenkrebserkrankung des Druckers endlich als Berufskrankheit anerkennt.

 
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